"Angst, Scham und Stolz“

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Harald Friedl begleitet den Friedensprozess in Myanmar. Die FURCHE traf den Österreicher in Yangon und sprach mit ihm über die Öffnung des Landes.

Die Europäische Union unterstützt die Entwicklung in Myanmar unter anderem mit der Etablierung eines "Friedenszentrums“. Harald Friedl ist als Leiter des Myanmar-Büros des schwedischen "Instituts für Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ in dessen Aufbau involviert.

Die Furche: In den vergangenen Wochen flohen Zehntausende Menschen - vor allem Angehörige der muslimischen Minderheit Rohingya - vor gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen in Rakhine. Frieden scheint hier sehr weit entfernt.

Harald Friedl: Die Gewalt mit vielen Toten zwischen den Bevölkerungsgruppen ist dramatisch, die Folgen für die Menschen schrecklich. Die Situation in Rakhine ist ein lang bestehendes Problem. Eine schnelle Lösung ist nicht abzusehen und wird nur mit regionalen Partnern funktionieren. Positiv zu bemerken ist aber eine größere Offenheit, mit der nach jahrelangem Schweigen über die Situation gesprochen wird. Erst vor Kurzem gab es eine Konferenz zu dem Thema und die Regierung hat eine Untersuchungskommission eingesetzt.

Die Furche: Nicht nur mit den Rohingyas gibt es Probleme.

Friedl: Die Auseinandersetzung zwischen der burmanischen Mehrheit und den Minderheiten ist ein jahrzehntelanges Problem. Präsident Thein Sein hat es zur Priorität seiner Amtszeit gemacht, Frieden zu schaffen. Aufgrund des politischen Willens und der Öffnung des Landes ist das die größte Chance auf Frieden seit fünfzig Jahren - aber der Weg dorthin ist lang und steinig.

Die Furche: Welche Schritte werden gesetzt?

Friedl: Mit zehn Minderheiten hat die Regierung Waffenstillstände abgeschlossen. Es fehlen noch die Kachin. Die Regierung möchte jetzt auch dort einen Waffenstillstand und in einem weiteren Schritt zu größeren, politischen Friedensverhandlungen übergehen. Um Frieden zu schaffen, muss man sich auch sozialen, wirtschaftlichen und Identitätsfragen widmen. Die Rohingyas beispielsweise gelten als staatenlos, viele haben keine Dokumente.

Die Furche: Gibt es für die politischen Friedensverhandlungen einen Zeithorizont?

Friedl: Die nächsten Wahlen finden 2015 statt, bis dahin will der Präsident sicher Resultate vorweisen. Deshalb wurde, angelehnt an andere große Friedensprozesse, das "Myanmar-Friedenszentrum“ gegründet, das den Prozess unterstützen soll. Der ehemalige Eisenbahnminister Aung Min, der schon Waffenstillstandsverhandlungen geführt hat, leitet das Zentrum. Der Plan ist jetzt, vom Waffenstillstand zum politischen Prozess überzuleiten. Der politische Dialog wird Jahre dauern - eine wirkliche Aussöhnung braucht Zeit, wohl über Generationen.

Die Furche: Ein Friedenszentrum für die Bürgerkriege und die wirtschaftliche Öffnung wären vor Kurzem noch undenkbar gewesen. Was ist der Grund für den Wandel?

Friedl: Es gibt viele Erklärungen. Mir erscheinen drei Komponenten am plausibelsten: Angst, Scham und Stolz. Der chinesische Einfluss ist zuletzt sehr stark geworden. Die Öffnung zum Westen könnte dadurch beeinflusst worden sein. Man spricht aber auch von internen Gründen: Die Generäle haben gesehen, dass sie das Land heruntergewirtschaftet haben. Die Scham darüber, verbunden mit dem buddhistischen Auftrag, sich ein gutes Karma zu schaffen, dürften mitgespielt haben. Und schließlich sind die Burmesen ein stolzes Volk, waren einmal die Reisschale der Region. Jetzt ist Myanmar das ärmste Land in Südostasien. Das will man nicht auf sich sitzen lassen. Myanmar wurde lange von der Armee geführt, auch die Öffnung wird von oben nach unten vollzogen: eine Handvoll Menschen öffnet gerade das Land.

Die Furche: Wie wird das unten wahrgenommen?

Friedl: Medienfreiheit oder der freie Zugang zum Internet sind spürbare Signale für einige Bevölkerungsschichten. Es wird aber dauern, bis die Auswirkungen in breite Teile der Gesellschaft, vor allem der verarmten Landbevölkerung, durchsickern. Man muss dem Land Zeit geben. Auch wenn der Wille da ist, fehlt es überall an Kapazitäten: In den Ministerien, in den Regionalverwaltungen. Man muss sich vorstellen: Aung Min fährt in seinem Privatauto zu den Friedensverhandlungen.

Die Furche: Viele Menschen sind skeptisch, ob die Öffnung von Dauer ist.

Friedl: Die Zeichen, die wir sehen, regen zu Hoffnung an. Es gibt jetzt Reformkräfte, die Tür ist einen Spalt weit offen. Die wirtschaftliche Öffnung wird den Wandel unterstützen: Je mehr Unternehmen und Institutionen aus dem Ausland hier - verantwortungsvoll und nachhaltig - aktiv sind, desto weniger wird das Land komplett zurückfallen. Die Wahlen 2015 werden ein Meilenstein sein. Schon demnächst wird die Verabschiedung eines Telekommunikationsgesetzes zum nächsten Lackmustest. Entscheidend ist natürlich der Fortschritt der Friedensprozesse.

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