Angst vor Kastanien-Revolution

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Glauben Sie nicht, was in der Zeitung steht. Derart rufschädigende und ins eigene Fleisch schneidende Ratschläge, sollen Journalisten tunlichst unterlassen. In diesem speziellen Fall sind sie jedoch angebracht: Wer wissen will, was sich in der Ukraine wenige Tage vor der schicksalsträchtigen Präsidentenwahl abspielt, sollte nicht auf Informationen aus zweiter Hand vertrauen - diesen Rat geben alle Ukrainer mit denen man heute, morgen und bis zum Wahlsonntag telefoniert und bangt und hofft. Manipulation und Propaganda bis zum Exzess stehen an der Tagesordnung, die Ukrainer selber hören nicht mehr hin, der Rest der Welt sollte es auch nicht tun.

Viktor Juschtschenko hat den ersten Wahldurchgang knapp gewonnen. Wäre es nach halbwegs demokratischen Regeln zugegangen, säße er heute schon auf dem Präsidentenstuhl - das sagen sogar die Ost-Ukrainer, die mit dem Westler Juschtschenko keineswegs beim ersten Glas Wodka sympathisieren. Beim zweiten Becher aber sehr wohl. Warum? Ein Anruf in Charkiv, nahe der Grenze zu Russland, gibt authentische Auskunft: "Juschtschenko ist ein Populist, aber er öffnet die Tür nach Europa und schließt kein Fenster zu Russland."

Und das ist auch die beste Strategie: für die Ukraine und für die EU - und sie sollte es auch für Russland sein. Dass Wladimir Putin unverhohlen gegen Juschtschenko agitiert, erinnert an überwunden geglaubte Kalte-Krieg-Zeiten: Einflusssphären sichern, auch gegen den massiven ukrainischen Wählerwillen - dass lässt böse Ahnungen aufkommen. Und das wenige Tage vor dem EU-Russland-Gipfel. Und noch größer wird das Unwohlsein, wenn man hört, dass sich die ukrainische Jugend aus dem ganzen Land rund um die Großstädte einquartiert - für eine Kastanien-Revolution, wenn Juschtschenko der Wahlsieg gestohlen wird.

wolfgang.machreich@furche.at

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