ANNO 1934: Gott war in Verfassung

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Nun ist der Zug abgefahren: Die Präambel der EU-Verfassung beginnt mit einem Thukydides-Zitat, nicht mit einem Bibelwort. "Gott" kommt nicht vor.

Das soll bei Österreichs neuer Verfassung anders sein. So das engagierte Plädoyer von Andreas Khol in der letzten Furche. Noch bevor das Pro und Contra diskutiert wird, stellen sich mir bei der Lektüre einige Fragen:

Ich frage, ob ein Gottesbezug in der Verfassung wirksam helfen würde, menschenrechtswidrige Gesetze (z. B. das Asylgesetz) in Österreich zu verhindern.

Ich frage als Theologe, ob "Gott" in der Tat Gegenstand einer ausschließlich politischen Entscheidung sein kann - oder ob da nicht auch Theologie und Kirchen und Religionsgemeinschaften befasst werden sollten? Aus evangelischer Sicht könnte sich sonst der Staat in ein fremdes Geschäft einmischen.

Meine dringendste Frage geht von der Beobachtung aus, dass Andreas Khol zwar auf die Unvollständigkeit der Verfassung von 1920 Bezug nimmt ("Torso"), aber mit keinem Wort erwähnt, dass es in Österreich schon einmal eine Verfassung mit Invokation gegeben hat: "Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk ... diese Verfassung." So begann die Verfassung des "Ständestaates" vom Mai 1934, an die sich Evangelische (aber nicht nur sie!) sehr ungern erinnern. Warum wird das nicht erwähnt?

Ich meine, dass die Forderung nach einem Gottesbezug in der Verfassung Österreichs notwendigerweise zur kritischen Auseinandersetzung mit den Jahren 1934 bis 1938 und den Folgen bis heute führen müsste. Davon ist bisher nichts zu sehen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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