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Furche Nr. 32 8. August 1970

"Wer mit Hunden schläft, steht mit Flöhen auf... - Der ungewöhnliche Antisemitismus des Dr. Kreisky", so der Titel des ungezeichneten Furche-Beitrags:

Dem genialen Karl Kraus sagt man nach, er hätte sich ein halbes Leben lang bemüht, auszusehen wie Martin Luther - so "deutsch", so bieder, so herb.

Der österreichische Bundeskanz-ler Dr. Bruno Kreisky hat auch Probleme. In einem Interview mit der niederländischen Wochenzeitung "Vrij Nederland" deutete er sie an: "Glücklicherweise", so meinte er, "findet man unter uns Juden auch Reaktionäre, so wie man bei uns Juden Diebe, Mörder und Prostituierte findet." Glücklicherweise? Glücklicherweise für wen?

Dr. Kreisky bildete am 20. April eine Regierung, von der Intimkenner meinen, in ihr säßen mehr ehemalige Nationalsozialisten als in der Regierung Seyss-Inquart. Dr. Kreisky nennt das Toleranz, doch wiederum Intimkenner sagen: "Dies ist der recht ungewöhnliche Antisemitismus des Dr .Kreisky." [...]

Dr. Bruno Kreisky fand es vor einigen Wochen sinnvoll, den Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, in einem Interview als "jüdischen Faschisten" zu titulieren. Später leugnete er das Schimpfwort, womit Dr. Kreisky ... den Rückzug antrat. Simon Wiesenthal hingegen ist im Besitz einer Photokopie der von Kreisky verbesserten schriftlichen Fassung dieses Interviews, worin der Ausdruck "jüdischer Faschist" enthalten und auch nicht nachträglich gestrichen worden ist. Die ... Schweizer Wochenzeitung "Weltwoche" registrierte dieses Verhalten Dr. Kreiskys mit sehr scharfen Worten: "Der hellhörige Beobachter muß sich fragen, ob der Regierungschef gut daran tue, die Beanstandung der Inklusion ehemaliger Nazifunktionäre in sein Team zunächst mit Unverschämtheiten zu quittieren, um sie dann - etwas zu spät von Ängstlichkeit übermannt - in recht schäbiger Weise einem Journalisten in die Schuhe zu schieben."

Der recht ungewöhnliche Antisemitismus Dr. Kreiskys rief in diesen Tagen ein hellhöriges Ausland auf den Plan. Der New Yorker "Aufbau", ein angesehenes amerikanisches Wochenmagazin für Juden deutscher Sprache, widmete dem "Fall Kreisky" fast seine ganze Seite eins. [...]

"Ob Dr. Kreisky bei den Nazis Glück haben wird oder nicht", schreibt der "Ausweg", "ist seine und seiner Partei Sache... Die Ernüchterung wird kommen, aber vermutlich zu spät. Ein altes Sprichwort sagt: Wer mit Hunden schlafen geht, steht mit Flöhen auf."

Schade eigentlich, daß Dr. Kreisky Österreich mit Problemen beschäftigt, die man rechtens als bewältigt betrachten durfte. Schade weiters, daß er diese Auseinandersetzung auf dem Rücken seiner Partei und nun als Bundeskanzler auch auf dem Rücken Österreichs austragen will. Sehr schade schließlich, daß damit Bundeskanzler Dr. Kreisky Österreich vor allem in der westlichen Welt keinen allzu guten Dienst zu erweisen scheint.

Nächste Woche: furche 1971 über die Neo-Politikerin Liese Prokop.

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