Arbeitslose bestrafen mit schlechteren Jobs tatt Weiterbildung wird der Druck erhöht

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Statt mehr Weiterbildung anzubieten, erhöht die Regierung den Druck und verschärft die Zumutbarkeitsbestimmungen.

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Statt mehr Weiterbildung anzubieten, erhöht die Regierung den Druck und verschärft die Zumutbarkeitsbestimmungen.

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Der österreichische Arbeitsmarkt braucht gut ausgebildete Arbeitnehmer. Die fehlen angeblich. Zumindest trommeln das Regierung und Wirtschaft tagtäglich. Studien auf dem Fließband werden präsentiert, Szenarien von einer Wirtschaft ohne Fachkräfte werden gezeichnet. Die Arbeitnehmer wollen sich weiterbilden. Drei Viertel sagen: Ja, Weiterbildung ist wichtig für mein Vorwärtskommen im Beruf. Viele Arbeitnehmer greifen tief in die Tasche um sich auf eigene Kosten und in der Freizeit weiterzubilden, weil sie vom Betrieb nicht die Möglichkeit dazu bekommen. Was unternimmt aber die Regierung für die Aus- und Weiterbildung? Sie spart, kürzt und setzt bei der Bildung den Rotstift an.

Diese Linie setzt die Regierung auch in der Arbeitsmarktpolitik nahtlos fort. Statt Qualifizierung erhöht sie den Druck auf Arbeitslose. Die Zumutbarkeitsbestimmungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz sollen deutlich verschärft werden. Arbeitslose müssen, geht es nach dem Regierungs-Entwurf, Arbeitsplätze annehmen, die deutlich unter ihrer Qualifikation liegen.

Im Klartext: Ein ausgebildeter Schlosser soll als Anlernarbeiter vermittelt werden, ein Jurist als Sachbearbeiter auf Maturaniveau. Die Folge sind Lohneinbußen, die tausende Schilling ausmachen. Zusätzlich geraten die Betroffenen in eine verhängnisvolle Spirale: Ihr Wissen, ihre Ausbildung ist schlagartig weniger wert. Die Gefahr, arbeitslos zu werden steigt. Will der Betroffene sich darauf nicht einlassen, weil er sagt, das ist nicht zumutbar, wird ihm das Arbeitslosengeld gestrichen.

Statt Weiterbildung anzubieten sollen Arbeitslose noch mit schlechteren Jobs bestraft werden. Diese Regelung wird die Lage der Betroffenen zusätzlich verschärfen. Denn gerade un- und angelernte ArbeitnehmerInnen sind besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Aus- und Weiterbildung steigern die Chancen von Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt.

Für solche Weiterbildungsmaßnahmen wird aber das Geld fehlen. Im Gegenteil muss bei den Schulungen durch das Arbeitmarkt-Service mit massiven Kürzungen gerechnet werden. Dann, nämlich wenn die Regierung ihre AMS-Privatisierungs-Pläne in die Tat umsetzt. Die Regierung will das Arbeitsmarktservice zwar an sich ziehen, gleichzeitig aber keine finanzielle Haftung übernehmen. Die Folge: Weil es heuer und im nächsten Jahr mehr Arbeitslose geben wird, als von der Regierung angenommen, wird die geplante AMS GmbH mit einem Minus von 2,5 Milliarden Schilling in ihr erstes Geschäftsjahr starten. Das bedeutet Leis-stungskürzungen und macht Arbeitslosengeld und Notstandshilfe unsicher.

Die Arbeiterkammer ist für eine Reform der Arbeitslosenversicherung. Es muss geprüft werden, ob die Arbeitslosenversicherung ihre Aufgabe überhaupt noch erfüllt - nämlich die Existenz von Arbeitnehmern zu sichern, wenn sie arbeitslos werden. Dieses Ziel verfehlt die Arbeitslosenversicherung über weite Strecken: Das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt bei 9.100 Schilling, bei Frauen bei 7.500 Schilling. Die Notstandshilfe liegt noch deutlich darunter.

Von einer Überversorgung und einem Faulenzen in der sozialen Hängematte kann bei solchen Beträgen keine Rede sein.

In Wahrheit reicht das Arbeitslosengeld oft gerade aus um die Miete zu bezahlen. Für sonstige Fixkosten fehlt in vielen Fällen das Geld, von zusätzlichen Anschaffungen ganz zu schweigen. Oft droht die Delogierung, die Kreditraten wachsen den Betroffenen über den Kopf. Viele Arbeitslose sind armutsgefährdet. Auch wenn sie nur kurz arbeitslos sind. Diese Armutsfalle zu entschärfen, das muss Ziel einer Reform sein, die diesen Namen auch verdient. Den Druck auf Menschen, denen es ohnehin schlecht geht, auf die Arbeitslosen, zu erhöhen, ist sicher kein Ausweg.

Der Autor ist Präsident der Österreichischen Bundesarbeitskammer.

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