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Als "Stückchen Optimismus im Alltag" beschrieb ein Coca-Cola-Manager in der letzten Furche seine Marke. Gewerkschafter in Kolumbien sehen das anders: Für sie ist der Getränkekonzern zum tödlichen Feind geworden.

Vergangenen Samstag um sieben Uhr abends wurde der Gewerkschafter Adolfo de Jesus Munera Lopez, ehemaliger Arbeiter der Coca-Cola-Abfüllerei Román S.A. planta de Barranquilla-Atlántico, mit mehreren Schüssen ermordet. Damit hat die kolumbianische Lebensmittelgewerkschaft "Sinaltrainal" bereits den achten ihrer in verschiedenen Coca-Cola-Werken aktiven Gewerkschaftsführer verloren. Lopez war 1997 entlassen worden, nachdem er - wegen der Erstürmung seines Hauses durch die Armee - nicht zur Arbeit erschienen war. Er und andere Gewerkschaftsmitglieder wurden damals von der Betriebsleitung wegen Terrorismusverdacht angezeigt. Lopez klagte auf Wiedereinstellung und gewann in erster Instanz. Coca-Cola ging in Berufung und bekam Recht. Am 22. August dieses Jahres erhielt Lopez die Bestätigung, dass das Urteil nochmals überprüft werde. Neun Tage später wurde er von Unbekannten vor der Haustür seiner Mutter erschossen.

Im vergangenen Jahr reichte Sinaltrainal in den USA eine Klage gegen den Konzern ein. Viele in Kolumbien tätige Großunternehmen gehören zu den Finanziers rechtsextremer Paramilitärs, die gegen Gewerkschafter vorgehen und den "Betriebsfrieden" mit Waffen durchsetzen. Der Paramilitärchef Carlos Castaño gibt unumwunden zu: "Wir töten Gewerkschafter weil sie die Leute vom Arbeiten abhalten". Der Name des Gesprächpartners im folgenden Interview ist ein Pseudonym. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit des Interviewten kann dessen/deren Name nicht genannt werden.

Die Furche: Unter welchen Bedingungen arbeiten Gewerkschafter in Kolumbien?

Victor/-ia Goméz: In keinem Land der Welt sterben so viele Gewerkschafter eines gewaltsamen Todes wie in Kolumbien. Drei von vier Gewerkschaftsangehörigen die weltweit auf Grund ihrer Aktivitäten ermordet werden kommen von hier. Fast 160 waren es allein im vergangenen Jahr. Nahezu 4.000 im Laufe des vergangenen Jahrzehnts. Auffällig ist dabei die Zunahme der Morde während Arbeitskämpfen und Betriebskonflikten.

Die Furche: Wie können sich Gewerkschafter noch schützen?

Goméz: Gewerkschaftsführer sind meist bewaffnet, haben Leibwächter und gepanzerte Fahrzeuge. Die Gewerkschaftszentralen sind gepanzert und mit Kameras versehen. Gewerkschafter dürfen niemals in Routine verfallen, das wäre ihr sicherer Tod. Sie dürfen nie zwei Mal hintereinander den gleichen Weg gehen, dürfen keine regelmäßigen Zeitabläufe haben. Aber selbst das kann sie meistens nicht vor dem Tod retten. Als Anfang Dezember vergangenen Jahres Aury Sará Marrugo, Vorsitzender der Erdölgewerkschaft USO in Cartagena, entführt, brutal gefoltert und ermordet wurde, waren daran 15 bestens bewaffnete Paramilitärs beteiligt. Gegen eine solche Übermacht kann man nicht viel unternehmen.

Die Furche: Wann begann der organisierte militärische Angriff auf die Gewerkschaften?

Goméz: In den achtziger Jahren. Führend daran beteiligt sind transnationale Unternehmen. Bei Coca -Cola z.B. kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Übergriffen gegen gewerkschaftlich organisierte Firmenarbeiter. Die Methoden reichen von Drohungen, Verschleppungen und Folter bis hin zu Mord. Bei einer Feier 1996 mit viel Alkohol verkündete Mario Mosquera, Firmenleiter von Panamco (der kolumbianische Coca-Cola-Abfüller) in Carepa lauthals, dass er mit Hilfe der Paramilitärs der Gewerkschaft ein Ende bereiten wird. Seitdem sind in Carepa mehrere Gewerkschaftsaktivisten ermordet worden und die Paramilitärs bewegen sich ungestört auf dem Werksgelände.

Die Furche: Wie reagieren die offiziellen Stellen darauf?

Goméz: Von der kolumbianischen Regierung ist keine Hilfe zu erwarten. Bisher blieben alle diese Verbrechen ungeahndet. Die Paramilitärs sind integraler Bestandteil staatlicher Strategien. Die Verbindungen der Armee zu den Paramilitärs sind so eng, dass die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" die Paramilitärs als die "VI. Division der Streitkräfte" bezeichnet hat.

Im Dezember 2000 wurde ein Mordanschlag auf den Vorsitzenden der Gewerkschaft der staatlichen Angestellten Wilson Borja verübt. Er entging dem Tod nur knapp. Beim Feuergefecht zwischen Leibwächtern und Attentätern wurde ein Paramilitär erschossen. In dessem Mobiltelefon waren die Telefonnummern mehrerer hoher Repräsentanten der Sicherheitskräfte und Armee gespeichert.

Die Furche: Was steckt hinter den Angriffen auf Gewerkschafter?

Goméz: Die einst im kolumbianischen Vergleich guten Arbeitsbedingungen bei Coca-Cola veränderten sich in nur zehn Jahren zum Schlechten. Anfang der Neunziger arbeiteten in den Coca-Cola-Niederlassungen Kolumbiens über 10.000 Arbeiter. Sie verfügten über unbefristete Verträge und ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 600-700 US-Dollar. Heute haben noch 2.500 Arbeiter von Coca-Cola Verträge, 500 davon feste. Weitere 7.500 Beschäftigte sind über Subunternehmen angestellt. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen beträgt nur mehr rund 150 US-Dollar.

Die Furche: Stellte sich die Gewerkschaft diesem Sozialabbau in den Weg?

Goméz: Selbstverständlich, und dem Unternehmen war auch klar, dass es, um diese Umstrukturierung durchführen zu können, die Gewerkschaftsbewegung zerschlagen musste. Im Umfeld zweier Streiks wurden bei Coca-Cola Kolumbien sieben unserer Gewerkschaftsführer ermordet, über 50 mussten ihre Regionen verlassen und über 6.000 der insgesamt 10.000 Beschäftigten wurden während des vergangenen Jahrzehnts ausgetauscht.

Die Furche: Wer wagt es unter solchen Bedingungen noch, Mitglied bei einer Gewerkschaft zu sein.?

Goméz: Die Zahl unsrer Mitglieder bei Coca-Cola sank von ehemals 2.500 auf knappe 500. Auch den mit Hilfe des Unternehmens gegründeten neuen Mini-Gewerkschaften, die im Sinne von Coca-Cola handeln sollen, ergeht es nicht besser, sobald sie zu viel fordern. Im vergangenen Jahr musste die unternehmertreue Kleinstgewerkschaft "Sinaltrainbec" diese Erfahrung machen, als zwei ihrer Vertreter von Paramilitärs ermordet wurden.

Die Furche: 2001 reichte die Gewerkschaft Sinaltrainal eine Zivilklage gegen den Konzern in Florida ein. Wie steht es aktuell darum?

Goméz: Die Klage wurde zugelassen und befindet sich in der Phase der Beweisaufnahme. Wir wollen erreichen, dass die Verantwortung des Konzerns für die Übergriffe und Morde an Gewerkschaftern festgestellt werden, eine moralische und ökonomische Entschädigung für die Opfer erfolgt und auf die Situation der Gewerkschaften in Kolumbien aufmerksam gemacht wird. Unterstützt werden wir von dem 20 Millionen Mitglieder umfassenden US-Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, den Transportarbeitern der Teamsters, der Metallarbeitergewerkschaft und der internationalen Union der Lebensmittelarbeitergewerkschaften.

Die Furche: Wie hat Coca-Cola auf die Klage reagiert?

Goméz: Coca-Cola scheint um das eigene Image sehr besorgt zu sein. Natürlich streitet der Konzern jede Verwicklung in die Geschehnisse ab. Eine Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede wurde gegen uns eingereicht. Auch die US-Regierung hat sich sehr für den Fall interessiert. Jetzt bekommen wir ständig Besuch von Vertretern des US-Außenministeriums und der US-Botschaft in Kolumbien, die uns sagen, die Weltlage sei nicht so wie wir sie sehen und wir sollten noch einmal überlegen, ob es nicht außergerichtliche Alternativen gäbe, um diese Probleme zu lösen.

Die Furche: Und - sehen Sie auch außergerichtliche Alternativen?

Goméz: Unserer Ansicht nach ist der Gang vor Gericht sicher nicht ausreichend. Gemeinsam mit den genannten Gewerkschaften und dem kanadischen Gewerkschaftsdachverband WCA, vielen schwarzen Gemeinden, Kirchen und zahlreichen weiteren Organisationen veranstalten wir öffentliche Tribunale gegen Coca-Cola. Coca-Cola soll mit dieser globalen Kampagne gezwungen werden, einen Verhaltenskodex mit den Gewerkschaften zu unterschreiben, der derartige Menschen- und Arbeitsrechtverletzungen, wie sie in der Vergangenheit passiert sind, für die Zukunft ausschließt.

Der Autor ist Autor, Filmemacher und Sozialforscher mit Schwerpunkt Mittel- und Südamerika.

Kampagne

Kolumbianische Gewerkschaften und die "Kampagne gegen Straflosigkeit - Colombia Clama Justicia" mobilisieren für eine internationale Kampagne gegen Coca-Cola. Parallel dazu weist ein breites Bündnis von Kirchen, Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen in den USA auf die Arbeitsbedingungen beim Getränkekonzern hin. Auch Gewerkschaften in Italien, Deutschland, Belgien und Großbritannien haben Unterstützung zugesagt.

Mit drei Audiencias Publicas (Meinungstribunale) soll eine internationale Öffentlichkeit hergestellt werden: Das erste fand Mitte Juli in Atlanta/USA statt. Das zweite ist am 12. Oktober in Brüssel/Belgien und das dritte am 5. Dezember in Bogotá.

Weitere Informationen im Internet:

http://www.kolumbienkampagne.de

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