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Die Gemeinden sind durch das Militärbefugnisgesetz verpflichtet, den Geheimdiensten des Bundesheers Auskünfte zu erteilen. Bürgermeister wehren sich.

In den Gemeindestuben wächst der Unmut über das Militärbefugnisgesetz. Immer mehr österreichische Kommunen beschließen, beim Bespitzeln ihrer Bürger nicht mitzumachen

"Angesichts dessen, dass sich eine bemerkenswerte Achse Bärental - Berlin - Brüssel herausgebildet hat, die unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung im Eilzugstempo in Richtung eines Europäischen Spitzel- und Polizeistaates marschiert, ist der Widerstand gegen das Militärbefugnisgesetz wichtiger denn je", so Gerald Oberansmayr von der Linzer Friedenswerkstatt, die gegen dieses Gesetz ankämpft.

Der Widerstand gegen das Militärbefugnisgesetz (MBG) lässt sich auch in Zeiten der Terrorangst nicht stoppen. Dieses Gesetz verpflichtet alle Gemeinden, den Geheimdiensten des Bundesheeres auf Verlangen Auskunft über ihre Gemeindebürger zu erteilen. Nun wird befürchtet, dass damit der Bespitzelung der Bürger Tür und Tor geöffnet wird. Das Gesetz verpflichtet die zuständigen Bürgermeister sogar, auf Verlangen des Verteidigungsministers falsche Urkunden "zum Zwecke verdeckter Ermittlungen" herzustellen.

Obwohl es nicht Sache der Gemeinden ist, sich für oder gegen die Exekution von Bundesgesetzen auszusprechen, kündigen immer mehr Gemeinden ihren Widerstand gegen dieses Gesetz an. Begonnen hat alles im Frühjahr dieses Jahres, als auf Antrag der "Liste Baum" der Purkersdorfer Gemeinderat einen Beschluss gegen das MBG fasste. Der dortige Bürgermeister und frühere SPÖ-Innenminister Karl Schlögl begab sich damit als erstes Gemeindeoberhaupt auf rechtlich dünnes Eis, riskieren verweigernde Bürgermeister letztendlich doch ein Amtsmissbrauchsverfahren.

Der Ablehnungsfront gegen das MBG haben sich inzwischen 28 weitere Gemeinden angeschlossen: Darunter finden sich die Gemeinden Achau (Bezirk Mödling, einstimmig), Ansfelden, Braunau, Ebergassing, Fohnsdorf, Gloggnitz, Groß-Enzersdorf, Krenglbach, Leoben, Lieboch, Linz, Neunkirchen, Schwertberg, Traun, Trofaiach, Thal bei Graz, Ternitz, Tullnerbach, Wolfsgraben (einstimmig) Würmla und Wien. Im Gemeinderat der Bundeshauptstadt wurde bereits am 26. Juni dieses Jahres von SP und Grünen eine Resolution verabschiedet, Auskünfte zu verweigern oder zumindest die vorhandenen Verweigerungsgründe "umfangreich zu prüfen".

Während in den Gemeinderäten die Ablehnung des Gesetzes in der Regel von Grünen und Sozialdemokraten getragen wird (VP-Mandatare enthalten sich teilweise der Stimme), findet sich im Oberösterreichischen Schwertberg eine bemerkenswerte Ausnahme. Hier stimmte im Gemeinderat die freiheitliche Fraktion gemeinsam mit Sozialdemokraten für den Boykott des Gesetzes. Eine Haltung, von der der freiheitliche Gemeindevorstand Alfred Schimböck heute nichts mehr wissen will: "Nach den Vorfällen in Genua und Salzburg würde ich diesem Schutz der Chaoten nicht mehr zustimmen. Wir hatten vor der Abstimmung einfach zu wenig Informationen, worum es in diesem Gesetz geht. Die SP hat uns mit ihrem Gerede von der Einhaltung der Menschenrechte verführt. Man darf der SP hier nicht trauen, denn die schützen nur ihre eigenen Chaoten".

Der Schwertberger Bürgermeister und Nationalratsabgeordnete Kurt Gaßner dementiert den freiheitlichen Vorwurf. Es habe vor der Abstimmung keinerlei Absprachen gegeben, die FPÖ sei nicht überredet worden und es seien ihr keine Informationen vorenthalten worden. "Wenn ein Heeresnachrichtendienst von mir persönliche Daten eines Gemeindebürgers haben will, werde ich die Auskunft verweigern. Natürlich stelle ich auch keine falschen Urkunden aus", so Gaßner.

Billige Grün-Polemik

Die Vertreter der Volkspartei haben sich bei der Abstimmung im Schwertberger Gemeinderat der Stimme enthalten. Laut VP könne es nicht Sache der Gemeinde sein, über die Durchführung eines Bundesgesetzes zu befinden. "Die Mandatare in der Gemeinde wissen ja hier gar nicht, worum es eigentlich geht", bringt Thomas Kapplmüller die Problematik vieler Gemeinderäte auf den Punkt.

Dieses Gesetz verpflichtet aber nicht nur Gemeinden Informationen weiterzugeben, sondern alle Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) sowie alle Körperschaften öffentlichen Rechts (Kammern, Sozialversicherung, Hochschülerschaft, Krankenhäuser, Finanz- und Jugendämter) haben den Heeresgeheimdiensten Auskunft über ihre Mitglieder zu geben.

"Demokratiepolitisch auch skandalös und verfassungwidrig" hält der Präsident der Arbeiterkammer OÖ, Hubert Wipplinger, dieses Gesetz und will es in seinem Einflussbereich ebenfalls boykottieren. Auch die Österreichische Hochschülerschaft (einstimmiger Beschluss) und die Arbeiterkammer OÖ werden dieses Gesetz ignorieren. "Der Widerstand geht weiter, immer mehr Organisationen und Gemeinden schließen sich unserer Kampagne gegen dieses Gesetz an", berichtet Gerald Oberansmayr von der Linzer Friedenswerkstatt.

ÖVP-Sicherheitssprecher Anton Hüttmayr kontert und spricht von "billiger Grün-Polemik auf Kosten der Bevölkerung". Bürgermeister zum Rechtsbruch zu animieren sei alles andere als eine verantwortungsvolle Politik und zeige einmal mehr, dass die Grünen keine Regierungsverantwortung tragen könnten, poltert Hüttmayr. Den Streit, ob und inwieweit Gemeinden und andere Körperschaften den Geheimdiensten gegenüber Auskünfte verweigern dürfen, wird letztendlich der Verfassungsgerichtshof klären müssen. Denn: Der SPÖ-Parlamentsklub hat bereits eine verfassungsrechtliche Anfechtung des umstrittenen Gesetzes angekündigt.

Der Autor ist freier Publizist mit Themenschwerpunkt Menschenrechte.

Zum Thema: Militärbefugnisgesetz

Auf Wunschzettel des Ministers und Abschussliste der Opposition

In den letzten beiden Sitzungen des Nationalrates im heurigen Jahr beschäftigten sich die Abgeordneten mit teilweise heftig umstrittenen Materien: Die neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin (siehe Seite 15) sowie das Informationssicherheitsgesetz standen auf dem Programm. Letzteres wird gemeinsam mit dem neuen Militärbefugnisgesetz (MBG), dass im Sommer dieses Jahres in Kraft getreten ist, von den Kritikern als "Spitzelgesetz" bezeichnet.

Ziel des MBG soll es sein, erstmals die für die militärische Landesverteidigung grundlegenden Aufgaben und Befugnisse in einem Gesetz zusammen zu führen. Die Gegner kritisieren, das Heer bekomme damit sicherheitspolitische Befugnisse, die Trennung zwischen zivilem und militärischem Bereich falle. Das MBG war bereits in der früheren rot-schwarzen Koalition auf dem Wunschzettel des damaligen Verteidigungsministers gestanden. Er war damit aber am Widerstand der Sozialdemokraten gescheitert, erst der Wechsel zu Schwarz-Blau hat dann den Weg zu einer parlamentarischen Mehrheit frei gemacht.

Geregelt werden im Gesetz unter anderem die Tätigkeiten und Befugnisse der militärischen Nachrichtendienste - genau daran stoßen sich SPÖ und Grüne. Das Bundesheer bekomme ein "dichtes, flächendeckendes Netz von Überwachungsermächtigungen", wird beanstandet. Im Gegensatz zum Lauschangriff sei aber keine ausgewogene richterliche Kontrolle vorgesehen. Auf heftige Kritik stößt auch die Möglichkeit zur verdeckten Ermittlung durch Heeres-Angehörige.

Laut Paragraf 20, Ziffer 2, des MBG dient diese nachrichtendienstliche Abwehr dem "militärischen Eigenschutz durch die Beschaffung, Bearbeitung, Auswertung und Darstellung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten, die vorsätzliche Angriffe gegen militärische Rechtsgüter zur Beeinträchtigung der militärischen Sicherheit erwarten lassen".

Befürworter des Gesetzes halten ihren Kritikern entgegen, dass ein weisungsfreier Rechtsschutzbeauftragter die "Prüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr" überwacht. Dafür sind ihm "Einsicht in alle erforderlichen Unterlagen zu gewähren und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen" - außer, wenn dadurch die nationale Sicherheit gefährdet wäre.

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