Aus der Paläosphäre

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Obwohl die Wahlen den Nationalrat - erfreulicherweise - bunter gemacht haben, dürfte sich an den realpolitischen österreichischen Verhältnissen nichts ändern.

Die soziale Heimatpartei FPÖ wird wohl keine Regierung mit der heimatlichen Sozialpartei SPÖ bilden. Letztere will das nicht - zumindest die Parteispitze, in den Tiefenstrukturen sieht es zum Teil anders aus -, da kann Heinz-Christian Strache noch so betteln. Eine national-Bindestrich-sozialistische Regierung hätte natürlich eine gewisse innere Logik - und überdies eine, wenngleich nur hauchdünne, Mandatsmehrheit. Aber was wir informell Anfang der Siebzigerjahre und explizit von 1983 bis 1986 im Bund sowie unter dem klingenden Namen "Chianti-Koalition“ in Kärnten von 2004 bis 2006 erlebt haben, wird es bis auf weiteres nicht geben.

Doch möglicherweise ist Straches Anbiedern an die SPÖ ohnedies nicht ernst gemeint, bloß Taktik. Er legt einfach die Ausgrenzungsplatte auf - das kommt immer gut bei den eigenen Leuten an, mobilisiert potenzielle Wähler - und wartet im übrigen noch einmal fünf Jahre, bis dann die Leichen im Fluss vorbeischwimmen. Das hieße, er hätte aus dem "Fehler“ Jörg Haiders gelernt, zu früh in eine Regierung zu gehen: Von 27 Prozent (Wahlen 1999) auf 10 (2002) - das hat sich tief ins kollektive Parteigedächtnis eingegraben, davon darf man ausgehen.

Wie 1999 - und doch in vielem anders

Ins Parteigedächtnis der ÖVP hat sich indes Wolfgang Schüssels Coup anno 1999/2000 eingegraben. Vieles, was damals galt, stimmt auch heute: Bei einer Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ kann die ÖVP nur verlieren. Die inhaltlich-programmatischen Ausrichtungen der beiden Parteien sind - wie sollte es auch anders sein - diametral (jedenfalls grundsätzlich-ideengeschichtlich, auch wenn das natürlich durch den - im Regierungsalltag zwangsläufigen - Pragmatismus immer wieder überdeckt wird). Eine prolongierte SPÖ-ÖVP-Koalition ist das sicherste Mittel, um die FPÖ wieder zu einstigen lichten Höhen zu führen (siehe oben).

Aber es gibt auch gravierende Unterschiede zur damaligen Situation. Der wichtigste: Michael Spindelegger ist nicht Wolfgang Schüssel, und Heinz-Christian Strache ist nicht Jörg Haider (und es gibt in Straches Team auch keine Susanne Riess-Passer). Dazu kommt, dass die ÖVP zwar, anders als 1999, zweitstärkste Partei ist, aber trotzdem weit von einer Mehrheit mit der FPÖ entfernt, weswegen ein dritter Partner notwendig wäre. Kann sich aber jemand vorstellen, wie Michael Spindelegger Strache und Stronach - also zwei auf ihre je eigene Art irrlichternde Gestalten - domestiziert? Eben.

Positionierung der Neos ist offen

Und die Leute aus der Neosphäre? Die wollen zunächst einmal nicht mit der FPÖ. Und dann darf man schon auch Zweifel haben, ob eine Partei, die es gerade einmal ins Parlament geschafft hat - was schön und erfreulich ist! - schon für die Regierungsarbeit taugt. Vermutlich täten sie sich selbst nichts Gutes damit, die Gefahr des vorschnellen Verglühens wäre groß. Dieses Projekt muss von unten wachsen, Strukuren (auch auf Länder- und Gemeindeebene) ausbilden und sich in der Parlamentsarbeit einmal bewähren. Vor allem aber gilt es, sich klar zu werden, wer oder was man sein will: Ergänzung zu Rot-Grün - oder eine bürgerlich-liberale Kraft als Stachel im Fleisch der ÖVP (den diese dringend brauchen könnte)? Die Geschichte des Liberalen Forums sollte die Entscheidung eigentlich nicht so schwer machen, aber entschieden ist das wohl noch nicht.

So nimmt sich - abgesehen von dieser kleinen "Neosphäre“ - die innenpolitische Landschaft auch nach diesen Wahlen als "Paläosphäre“ aus: das Alte und Überkommene hat Bestand, was in dem Fall keine gute Nachricht ist. Bildungsbeflissene mögen sich mit Hölderlin trösten: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“ Prosaischer und ein bisschen anders gesagt: Es muss wohl noch weiter bergab gehen, bis sich das österreichische Politsystem regeneriert.

rudolf.mitloehner@furche.at

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