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Aus Fußadi nichts gelernt

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Seit zwei Jahrein hat man kaum etwas von ihm gehört: Einer der maßgeblichsten SPÖ-Wahlsünden- böcke enthielt sich wohlweislich jedweder öffentlichen Aktivität. Jetzt macht er wieder Schlagzeilen. Otto Probst, als damaliger Verkehrsminister niur durch Zufall einem unfreiwilligen Bad im Bodensee entgangen, agiert — ohne aus seinen alten Fehlern zu lernen — wieder als Zentralist und Bundesländerfeind Nummer eins. Damals, als es bloß um den Namen eines Vorarlberger Passagierschiffes ging, hatte er die Unterstützung seiner ganzen Partei. Heute, da es um die Erfüllung von Länder- wünschen geht, machte er sich auch gegen seine prominenten Parteifreunde Marek, Sima und Kery stark: Als Obmann des parlamentarischen Verfassungsausschusses teilte Probst vergangene Woche seinen überraschten Abgeordnetenkollegen von ÖVF und FPÖ mit, daß die Sozialisten nicht einmal an den Unterausschußberatungen über die von allen neun Bundesländern einmütig gewünschte Auflösung der Sicherheitsdirektionen teiilnehmen werden.

In der Regierungspartei war man um so mehr überrascht, als Klubobmann Dr. Withalm von Dr. Pittermann schon Wochen vorher die Zusage erhalten hatte, daß die SPÖ-Abgeordmeten zwar sicher an den parlamentarischen Beratifngen teilnehmen werden, ebenso sicher aber auch im Plenum des Nationalrates gegen diese föderalistische Initiative der unifarbenen Bundesregierung auftreten und die entsprechende Regierungsvorlage niederstimmen werden. Soweit SPÖt Altvater Bruno Pittermann.

Paket der Länderwünsche

Was wünschen die Länder, was fordern die sechs schwarzen und drei roten Landesfürsten? Es handelt sich um ein ganzes Paket. Viel® davon erledigte sich von selbst. So zum Beispiel die anfangs vehement geforderte sogenannte „Aufwertung des Bundesrates”. In ihm sollten alle Landeshauptleute vertreten sein, er sollte zu einem echten Gegengewicht zum Nationalrat gemacht werden. Einsprüche des Bundesrates sollten nicht, wie auf Grund der derzeitigen Gesetzeslage noch möglich, durch Beharrunigsbeschlüsse des Nationalrates einfach vom Tisch gefegt werden. Mit den sich nach den Landtagswahlen ändernden Mehrheits- verhältnissen zugunsten der SPÖ verging den ÖVP-Strategen grundsätzlich jede Lust zu derartigen Bundesratsreformen. Hieße das doch, daß dringend notwendige Gesetze unter Umständen nie in Kraft treten könnten.

Zu dieser sachlichen Zurückhaltung hinsichtlich des Bundesrates kam nun auch die persönliche. Steiermarks Landeshauptmann Krainer, zunächst noch als Fackelträger der Reform in den Bundesrat etogezogen und immer beredt, auch die anderen Landeshauptleute für den Bundesrat zu interessieren, resignierte und legte sein Bundesratsmandat zurück. Mit seiner Zeit könnte er etwas Besseres anfangen, meinte er. Wiens Bürgermeister und Landeshauptmann Marek entfernte sich schon Monate früher.

Olahs Präjudiz

Einem anderen, ebenso bedeutenden Wunsch der Bundesländer hingegen zu erfüllen, sind Regierung und Regierungspartei nach wie vor allen Ernstes bereit: die Auflösung der Sichierheitsdirektionen. In der Ver- fassungsnovelle 1929 wurde die Kompetenz: für das Sicberheditswesen den Landeshauptleuten übertragen. Um dem aufkedroenden Nationalsozialismus besser begegnen zu können, wurde die Verfassung 1933 in dem Sinne abgeändert, daß der Innenminister diese Kompetenzen allein übernahm. Sofort nach Ende des zweiten Weltkrieges sollte die ursprüngliche Verfassungslage, die dem bundesstaatlichen Aufbau unseres Landes entspricht, wiedetherge- stellt werden. In einem Behörden- überleitungsgesetz wurde dies allerdings nicht mit der verfassungsmäßigem Zweidrittelmehrheit durchgeführt. Trotz Einmütigkeit aller Parteien kam es damals zu keinem verfassungsändemden Beschluß. Vor nunmehr 16 Jahren hat der damalige Innenminister und ,, Raab-Freund Helmer einen diesbezüglichen Gesetzestext ausarbeiten und dem Parlament zuleiten lassen. Aber das Parlament reagierte nicht.

Die Frage der Sicherheitsdirektio- men blieb trotzdem so lange außer Streit, solange sich die jeweiligen Minister des Innern bei der Besetzung der Sicherheitsdirektorenposten in den einzelnen Bundesländern mit dien Landeshauptleuten ins Einvernehmen setzen. Erst der später dem Parteiausschluß verfallene Innenminister Olah ernannte mit Unterstützung der SPÖ einen Direktor ohne Zustimmung eines Landeshauptmannes.

Seit diesem Zeitpunkt steht die Frage nicht nur auf der Wunschkarte der Landeshauptleutekonfeirenz, sondern auch auf jener der Regierungspartei. Eine Zusammenarbeit mit den am 6. März 1966 so schwer geschlagenen Sozialisten machte die ÖVP unter anderem auch von der Erfüllung dieses Wunsches abhängig. Die SPÖ ging freiwillig in die Opposition. Damit war zugleich der Traum von der Verwirklichung dieser Lärnderforderuinig ausgeträumt — braucht man doch für verfassumgs- ändemde Gesetze eine Zweidrittelmehrheit im Nationalität.

Die ÖVP gab aber noch immer nicht auf. Zumindest eine propagandistische Niederlage sollten die Sozialisten erleiden. Immerhin müßten sie ja im Plenum des Nationalrates öffentlich Farbe bekennen. Immerhin müßten sie ja — so freute man sich in der ÖVP weiter — erklären, warum die 74 sozialistischen Abgeordneten aus allen neun Bundesländern gegen diesen berechtigten Wunsch aller neun Bundesländer stimmen. Immerhin müßten sich die Sozialisten auch sagen lassen, daß sie mit ihrer Ablehnung zugleich auch den mehrmals geäußerten Wunsch ihrer Landeshauptleute Marek, Sima und Kery einfach negieren. Zumindest dazu wollte der Vizekanzler die SPÖ zwingen.

In einer der letzten Präsddialkon- ferenzen wurde einvernehmlich vereinbart, diese Materie auf die Tagesordnung des Verfassungsausschlusses zu setzen. Dr. Pittermann stimmte auch zu, daß sich zunächst ein Unterausschuß mit der „Zerschlagung der Siicherheitsdiirektionen”, wie er es jetzt nennt, beschäftigt. Doch dann kam Probst…

Es langte nur zur Konstituierung des Unterausschusses unter Vorsitz von ÖVP-Abgeordneten Staatssekretär außer Dienst Dr. Kranzlmayr. Beratungen wurden keine abgehalten. Probst gab seine aufsehenerregende Erklärung ab, FPÖ-KLub- obmann Dr. van Tongel versicherte die Regierungspartei ungeachtet der oppositionellen Stellung der FPÖ zur Regierung der Bereitschaft, diesem wichtigen Gesetz zuzustimmen. Doch wer glaubte, die Abgeordneten der ÖVP und der FPÖ würden sofort beraten und dem Verfassungsaus- schuß die rasche Erledigung dieser Angelegenheit empfehlen, der irrte.

Einzelne Vertreter der Volkspartei plädierten für ein Abweichen von der harten Tour, die außer einem propagandistischen Erfolg nichts bringe. Man müsse Kompromißformeln ausarbeiten, denen die Sozialisten auch zustimmen könnten, um so den Landeshauptleuten „wenigstens etwas” heimzubrinigen. Dieser Optimismus wird sich, sollte Probst keine echte Kehrtwendung machen, als Fehlspekulation entpuppen, sagen Vertreter der SPÖ. Die Sozialisten hätten sich schon lange vorher, angeblich gegen den Willen ihres Parteivorsitzenden Dr. Kreisky und vor allem ihrer Landeshauptleute Marek, Sima und Kery, gegen jedwede diesbezügliche Verfassungsänderung durch einen Parteivorstandsbeschluß festgelegt. Dieser Beschluß soll nunmehr nur noch durch den Slogan „Die ÖVP versucht damit nur von ihren Wiirtschaftspoli- tischen Schwierigkeiten abzulenken” verteidigt werden.

Mitte Mai soll jedenfalls nach dem Willen des ÖVP-Abgeordneten Dr. Kranzlmayr der Unterausschuß auch ohne Sozialisten die Sicherheitsdirektionenvorlage ausschußreif machen. Wenige Tage später könnte es zum zweiten Exodus der Sozialisten, diesmal in dem von Otto Probst geleiteten Verfassungsausschuß, kommen. So oder so wird jedenfalls diese Regierungsvorlage das Plenum das Nationalrates erreichen, da im Ausschuß keine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.

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