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Mit einem Bischof im Hungerstreik eskaliert der Streit um Indianerland in Brasilien.

Fasten und beten" nennt der brasilianische Bischof Dom Luiz Flávio Cappio aus der Stadt Barra seinen Ende November begonnenen Hungerstreik. Wie schon 2005 will der Bischof mit dieser spektakulären Aktion erneut die brasilianische Regierung vom umstrittenen Megaprojekt der Umleitung des Rio São Francisco abbringen und dafür "notfalls bis zum Tod hungern" (einen Link zur Unterstützung des Bischofs finden Sie unter: www.furche.at/system/showthread.php?t=144).

Anders aber als vor zwei Jahren, als Dom Luiz mit einem elftägigen Hungerstreik den brasilianischen Staatspräsidenten Inácio "Lula" da Silva zum Einlenken bewegen konnte, zeigt sich Lula dieses Mal überzeugt, an dem Projekt festhalten zu wollen, und sagte vor Journalisten: "Ich bin eher auf der Seite von zwölf Millionen Menschen als auf der von Luiz Cappio." Zwölf Millionen, das ist die Zahl der Menschen, die laut Regierung von der Umleitung des zweitgrößten Flusses des Landes profitieren, weil damit angeblich die verarmten Regionen in den Dürrezonen Nordostbrasiliens bewässert werden. Die Gegner des Projekts warnen, dass die Umleitung mit unumkehrbaren Umweltschäden verbunden sei und nur vier Prozent des Wassers der Bevölkerung zugute kämen. Der Großeil des Wassers ist für die Bewässerung von agro-industriellen Großbetrieben vorgesehen. Mit einer einstweiligen Verfügung hat nun ein Bundesgericht in Brasilia die Bauarbeiten gestoppt, die Regierung hält aber am Projekt fest, die Gefahr einer Eskalation des Konflikts und des Hungertodes des Bischofs ist nicht gebannt.

Der Streit um die Umleitung des Rio São Francisco ist aber nur ein Teilabschnitt jener Front, an der die brasilianische Kirche Seite an Seite mit der indigenen Bevölkerung des Landes kämpft. Der vom österreichisch-brasilianischen Bischof Erwin Kräutler geleitete Indianermissionsrat (CIMI) der Brasilianischen Bischofskonferenz wirft der Regierung Brasiliens insgesamt eine indigenenfeindliche Politik vor. Laut CIMI werden weiterhin Indio-Führer ermordet - in diesem Jahr 58. Und im Auftrag von Holzfirmen überfallen bewaffnete Banden Indio-Dörfer und zerstören die Häuser. Auch die Gesundheitsbetreuung der Stämme ist chaotisch, wodurch Malaria, Gelbfieber und Tuberkulose zunehmen.

"Wir Indigenen Brasiliens haben zu Amtsantritt von Präsident Lula große Hoffnungen in ihn und seine Versprechungen gesetzt - doch diese Hoffnung ist zum Alptraum geworden", sagt Ana do Socorro da Costa Theisen, eine CIMI-Koordinatorin im Gespräch mit der Furche. Die "Dreikönigsaktion" der Katholischen Jungschar Österreich hat dieses Interview organisiert, denn die Sternsingeraktion 2008 unterstützt Projekte, die indigenen Stämmen in Brasilien bei der rechtlichen Absicherung ihres Lebensraums helfen.

Mehr Bio, mehr Konflikte

Wachstumsbeschleunigung ist das zentrale Vorhaben der zweiten Regierungsperiode von Präsident Lula. Die dafür nötigen Infrastruktur- und Staudammprojekte haben für hunderte Indianergebiete negative Folgen. Und die staatliche Förderung von Biotreibstoffen, besonders Ethanol aus Zuckerrohr, hat die Landkonflikte noch verstärkt und den Wettlauf um Produktionsflächen weiter angetrieben. Ana do Socorro: "Es wird mehr gerodet, der Druck auf indigenes Land wächst." Nach Schätzungen des UN-Forums für indigene Völker sind weltweit bis zu 60 Millionen Menschen bedroht, wegen der Ausbreitung großer Energiepflanzen-Farmen ihr Land zu verlieren.

Ana do Socorro erzählt, dass der Biotreibstoff-Boom in Brasilien anfangs eine "große Euphorie" ausgelöst hat. Mittlerweile ist jedoch Ernüchterung eingekehrt: "Die Biotreibstoff-Industrie berücksichtigt die Bedürfnisse der kleinen Produzenten nicht, sondern nützt ausschließlich den großen Unternehmen", sagt do Socorro. Und die Agro-Industrie fördert die Ausbreitung von Monokulturen, klagt die CIMI-Vertreterin, wobei sie statt Monokultur lieber "Monokultivierung" sagt: "Denn Monokulturen bedeuten nicht ein Mehr an Kultur, sondern ausschließlich mehr Chemie!"

Als Zeichen der Hoffnung sieht do Socorro, dass sich die mehr als eine halbe Million Indianer Brasiliens zunehmend besser organisieren und intensiver für ihre Rechte kämpfen. So gelingt es auch immer wieder, einige Indianer- Territorien zurückzubekommen. Nächstes Jahr finden in Brasilien Gemeinderatswahlen statt, und Ana do Socorro ist zuversichtlich, dass die Indigenen dabei gestärkt werden: "Nach der Enttäuschung mit Präsident Lula ist wieder klar geworden, wirkliche Veränderungen können nur von unten kommen, aus dem Volk."

Spenden für die Dreikönigsaktion an Kath. Jungschar Österreich,

SBTV (Bank für Tirol und Vorarlberg)

BLZ 16300, KtoNr: 130.210.201

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