Ausländer - Gefahr oder Chance? Eine Frage des Zugangs!

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Die Fremdenpolitik der Regierung hat Österreich auseinanderdividiert, klagt die Grüne-Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits. Vom Gegenteil spricht VP-Generalsekretär Reinhold Lopatka: Die Integrationsleistung war enorm, der soziale Friede blieb gewahrt.

Die Furche: Angesichts der Flüchtlingstragödien im Mittelmeer, heißt es, dieses Problem müsse gesamteuropäisch gelöst werden - was sollte Österreich dazu beitragen?

Reinhold Lopatka: Der Bereich Flüchtlingswesen ist kein Ruhmesblatt für die EU. Was wir innerstaatlich erlebten, als es um die Aufteilung von Flüchtlingskontingenten auf die Bundesländer gegangen ist, erleben wir jetzt - ungleich schwieriger - auf europäischer Ebene. Ein sehr wichtiger Schritt wäre ein eigener EU-Kommissar für diesen Bereich.

Stoisits: Das Stichwort lautet "responsibility sharing" - die Verantwortung für diese Menschen muss aufgeteilt werden. Die österreichische EU-Präsidentschaft hat bedauerlicherweise keine Initiative in diese Richtung gesetzt - jetzt kann man nur auf die Finnen hoffen, dass die was weiterbringen. Doch diese Flüchtlingstragödien stehen ja auch in einem Kontext, wo es entscheidend sein wird, wie sich die EU im Rahmen des Nord-Süd-Konflikts verhält.

Die Furche: Also eine Frage von fairen Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungszusammenarbeit?

Lopatka: Stimmt schon, Afrika ist nach dem Kalten Krieg zum vergessenen Kontinent verkommen - und das rächt sich jetzt. Aber die Entwicklungszusammenarbeit war nie ein Ruhmesblatt für Österreich, und das Interesse für dieses Thema ist in der Gesellschaft auch endenwollend.

Stoisits: Für mehr gesellschaftspolitische Akzeptanz brauche ich eine Kraftanstrengung der Politik. Wenn die Politik sagt, das ist uns wichtig, dann fördere ich damit Bewusstsein. Aber meine Anträge im Parlament zu den Flüchtlingen bei Ceuta und Melilla sind nicht einmal behandelt worden - bei uns gibt es die Tendenz, Tragödien, die weit genug weg sind, einfach zu ignorieren.

Lopatka: Damit es nicht zu negativ wird: Es war schon überdurchschnittlich, was Österreich in Bezug auf Flüchtlinge geleistet hat. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass die Österreicher kaltherzig sind. Wir haben sieben-, achthunderttausend Ausländer im Land und seit 1980 hat es 460.000 Einbürgerungen gegeben. Das zu tragen, ist politisch gelungen - abgesehen von den schrecklichen Nebentönen der Strache-FPÖ und nicht viel besser des Westenthaler-BZÖ. Auch wenn das den Grünen immer noch viel zuwenig ist, wir haben hier wirklich eine großartige Integrationsleistung erbracht.

Stoisits: Da trenne ich strikt: Es gibt keine Kaltherzigkeit der Österreicher; wenn es die gäbe, könnte Österreich nicht das Einwanderungsland sein, das es in Wirklichkeit ist. Im krassen Gegensatz dazu steht jedoch die Regierungspolitik der letzten Jahre und deren Gesetze und deren Signale. Diese Politik hat die Menschen in Österreich auseinanderdividiert...

Lopatka: ...aber woher, es sind noch nie soviele integriert worden. Doch wir müssen aufpassen, der soziale Frieden muss oberste Priorität haben; es geht um die Balance, und die gilt es zu halten.

Stoisits: Bei den Signalen, und das ist das Fatalste, hat man sich an keine Balance gehalten - die Botschaft des Fremdenrechtspakets 2005 an die Österreicher lautet: Es ist genug mit den Ausländern - auf jedem Gebiet!

Lopatka: Bis zum Jahr 1990 hat es maximal 10.000 Einbürgerungen pro Jahr gegeben; bis 1998 zwischen 10.000 und 16.000; und bis 2003 sind die Einbürgerungen auf 45.000 gestiegen; wenn ich diese Kurve fortzeichne, komme ich zu einem Punkt, an dem nicht mehr möglich ist, was uns bisher gelungen ist: diese Gruppen ohne Unruhen zu integrieren.

Die Furche: Wäre diese Kurve nicht sowieso abgeflacht - es waren doch die Jugoslawien-Flüchtlinge, die 1993 nach Österreich gekommen sind und zehn Jahre später die Staatsbürgerschaft erhielten, die den Anstieg 2003 verursacht haben?

Lopatka: Durch den Familiennachzug wäre diese Kurve nicht zurückgegangen. Und hätte es eine Alternative gegeben? Ja, die wäre nur keine sehr menschliche gewesen: Bevor diese Flüchtlinge zehn Jahre bei uns sind, hätte man ihnen massenhaft den Aufenthaltstitel nehmen und sie zurückschicken können...

Stoisits: Das wäre doch gar nicht gegangen, es gibt doch die EU-Richtlinie des "verfestigten Aufenthalts"...

Lopatka: Blödsinn!

Stoisits: Blödsinn!

Lopatka: Wir hätten ja auch die Anreize zur Rückkehr enorm verstärken können...

Stoisits: ...aber es sind ja ganz viele Leute zurückgegangen...

Die Furche: Bevor wir da nicht mehr rauskommen: Herr Lopatka, Frau Stoisits hat vorhin gesagt, Österreich ist ein Einwanderungsland; im VP-Wahlprogramm lese ich von "zweckgerichteter Steuerung beim Zuzug von Ausländern" - sieht die ÖVP Österreich als Einwanderungsland?

Lopatka: Österreich hat sich nie als ein klassisches Einwanderungsland gesehen, sondern als Land, das Gastarbeiter braucht und aufnimmt.

Die Furche: Und heute?

Lopatka: Und jetzt ist das nie ausdiskutiert worden.

Stoisits: Blöderweise sind Gastarbeiter auch Menschen, und blöderweise haben Menschen Menschenrechte und eines davon ist das Recht auf Familieneinheit - und das wird mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht verweigert. Doch dieses Gesetz wird nicht lange halten, das ist das Erste was repariert wird, denn das ist eine Gemeinheit.

Lopatka: Ich rede davon, dass Österreich kein klassisches Einwanderungsland ist, so wie die USA, wie Kanada, Australien...

Stoisits: Erklär mir mal: Was ist eine klassische und eine nicht-klassische Einwanderung? Ich kenn' klassische Musik und Unterhaltungsmusik; ich heiße Stoisits und ich bin eine klassische Einwanderin, nämlich so wie alle Stinatzer vor 500 Jahr'. Und Lopatka klingt auch irgendwie...

Lopatka: ...polnisch...

Stoisits: ... ja, klassisch zuwanderungsmäßig. Wer sagt, Österreich ist kein Einwanderungsland, redet einen Blödsinn - das sind wir immer schon gewesen. Das beziehe ich nicht auf die letzten Jahrzehnte, sondern auf die Geschichte dieses geographischen Raums.

Lopatka: Bisher ist Zuwanderung passiert, da war wenig Planung dahinter - das müssen wir ändern und dafür steht unsere "zweckgerichtete Steuerung".

Stoisits: Politik hat auch die Aufgabe aufzuklären - doch das hat es unter Schwarz-Blau-Orange nicht gegeben.

Lopatka: Bei uns wurden die Gefahren gesehen, bevor es zu Unruhen gekommen ist.

Stoisits: Welche Gefahr geht von Menschen aus, die acht Jahre und länger hier friedlich leben?

Lopatka: Das irregeleitete Arbeitslose auf die Straße gehen, dass es Morde gibt, Krawalle, Auseinandersetzungen...

Stoisits: Wovon sprichst Du?

Lopatka: Ich spreche von dem, was Österreich Gottseidank erspart geblieben ist: Dass das Klima derartig vergiftet ist, dass es zu sozialen Unruhen kommt, und die Politik dann noch viel restriktivere Maßnahmen setzen muss.

Stoisits: Meine Vorstellung von Politik ist ja nicht, dass ich Ressentiments verstärke, sondern versuche diese abzubauen. Integrationsleistungen sind doch keine Geschenke für Ausländer, so wie die österreichische Politik immer tut; Integrationspolitik ist eine Aufgabe für die Gesellschaft insgesamt. Ich kann ein Kind, das nicht Deutsch kann, als Gefahr ansehen, oder ich kann sagen, es spricht eine andere Sprache und wenn es Deutsch kann, spricht es zwei Sprachen - das ist eine Frage des Zugangs.

Lopatka: Ein Kind das nicht Deutsch kann, ist gefährdet, später keinen Arbeitsplatz zu finden und ein Leben lang ein Staatsbürger zweiter Klasse zu bleiben.

Stoisits: Die Politik muss Maßnahmen ergreifen, um diese Chancengleichheit zu garantieren. Aber das ist generell eine Frage des Zugangs zu Ausländern: Sehe ich sie als Chance für unser Land oder sehe ich sie nur als Gefahr...

Lopatka: Nicht nur, aber bitte auch die Gefahren sehen!

Das Gespräch moderierte Wolfgang Machreich.

Nächste Woche steht die Bildungspolitik im Zentrum einer Debatte.

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