Bei uns in Voesterreich

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Nachbetrachtungen zur heimischen Privatisierungs-Erregung.

Die Art und Weise, wie der VOEST-Verkauf über die Bühne gegangen ist, hat der Idee der Privatisierung einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Eine groß und publikumswirksam angelegte Aktion, die exemplarisch den Satz "Mehr privat, weniger Staat" hätte verifizieren sollen, hat dazu beigetragen, ebendiesen Gedanken zu diskreditieren.

Denn angesichts der Farce der letzten Wochen haben jene gute Karten in der Öffentlichkeit, denen jedweder Rückzug des Staates generell suspekt ist, für die sich "privat" nur auf "Pirat" (A. Thurnher im Falter) reimt, kurz: die gerne das Kind mit dem Bade ausschütten. Skurrilitäten sonder Zahl waren von allen Seiten zu vernehmen, der oberösterreichische Wahlkampf trug dazu jenes Scherflein bei, das die Vorstellung vollends kippen ließ. Aber es war ja angeblich der günstigste Zeitpunkt für den VOEST-Verkauf...

Lassen wir das. Dass nicht einigermaßen sachlich über die Causa VOEST diskutiert werden konnte, hat - jenseits obderennsischer Befindlichkeiten - damit zu tun, dass es in diesem Land offenbar keine hinreichende Vorstellung davon gibt, in welchen Bereichen es wie viel Staat braucht. Es könnte ja durchaus sein, dass wir teils noch immer zu viel, teils aber auch zu wenig Staat haben.

"Als Paul VI. Österreich als Insel der Seligen' bezeichnet hat, da hat er auch die VOEST gemeint" - meint seinerseits Peter Huemer in der Kleinen Zeitung. Gut möglich - und pointiert formuliert; aber nicht minder möglich, dass man heute als Staat nicht mehr auf die Weise "selig" werden kann, wie vor 30 Jahren (und sicher nicht als "Insel"). Es ist wohl richtig, dass, wie Huemer schreibt, "ohne Verstaatlichung der Grundindustrie" der "friedliche Aufstieg eines bitterarmen Landes aus Bürgerkrieg und Nationalsozialismus" nicht geglückt wäre. - Aber heute? Wem hilft eine Rhetorik, wie sie von Teilen der Opposition gepflegt wird, die das Horrorszenario einer Verelendung der werktätigen Massen entwirft, die suggeriert, nun werde den Österreichern das letzte Hemd ausgezogen?

Nach dem finanziellen Verstaatlichten-Debakel - heute fast schon vergessen - sollte es nicht so schwierig sein, sich darauf zu verständigen, dass das Betreiben von Stahlwerken nicht zu den unaufgebbaren Kernkompetenzen des Staates gehört; wie er ja auch nicht unbedingt Autos, Schreibblöcke, TV-Geräte oder Büromöbel produzieren muss.

Das sollten wir festhalten - um der wirtschaftlichen Vernunft willen, vor allem aber auch um des Staates willen, um ihn glaubwürdig gegen jene verteidigen zu können, die ihn nur noch als eine Art Holding und Politik als bloßes Management begreifen wollen. Denn es sind nicht nur Justiz und Verteidigung - jene Bereiche, die als ureigenste Aufgaben des Staates unstrittig sind - öffentliche Angelegenheiten, man sollte den Staat auch bei den Themen soziale Sicherheit und Infrastruktur nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Das bedeutet freilich nicht, dass sich hier nichts ändern dürfte, dass also etwa die diversen Sonderregelungen bei den ÖBB als "wohlerworbene Rechte" für die Ewigkeit festgeschrieben sind; dass jede Maßnahme in Richtung mehr Kostenbewusstsein, jeder Schritt, der demographischen Entwicklungen Rechnung trägt, gleich als Eiseshauch des Neoliberalismus angeprangert werden müsste. Im Gegenteil: Wer so argumentiert, macht es den Gegnern, denen, die mit Öffentlichkeit nichts am Hut haben, allzu leicht.

Aber der Ökonomisierung der Politik, der Bildung, der Kultur, der zunehmenden Dominanz der Kategorien Effizienz und Kostensenkung sollte man wehren. Sie äußert sich mindestens so sehr im Stil wie in konkreten Maßnahmen. Nicht jedes Festhalten-Wollen an Überkommenem ist provinziell, nicht jede Verteidigung des Bestehenden bedeutet Reformverweigerung. Ein Staatsgebilde, ein soziales Gefüge lässt sich nicht einfach am Reißbrett entwerfen. Dort wo Änderungen notwendig sind, wollen die Menschen überzeugt werden, entschlossen aber mit Sensibilität - ohne dass sie sich mit ihren Sorgen gleich im Eck der Reformverweigerer, Blockierer, Betonköpfe finden. Die VOEST-Privatisierung hätte hier ein Exempel statuieren können. Aber offenkundig sind wir hier, in Voesterreich, noch nicht so weit.

rudolf.mitloehner@furche.at

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