Besorgt um Amerika - und um uns

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Es war ein intensives Leben als außenpolitischer Journalist. Und doch hat mich das Urteilsvermögen in zwei Schicksalsstunden völlig verlassen:

am 9. November 1989, als die Berliner Mauer einstürzte;

und am 9. November 2016, als Donald Trump zum 45. US-Präsidenten gewählt wurde.

Zweimal schien mir der totale weltpolitische Wandel unvorstellbar.

Dabei waren mir beide Schauplätze nahe: der Eiserne Vorhang samt den KP-Regimen dahinter. Und das große Amerika mit seinen Wahlkämpfen und Siegern, seinen Träumen und Wirklichkeiten.

Welch unterschiedlichen Klang hatte dieses "Amerika" in meinem Leben: Da waren Zeiten der Nähe und Bewunderung, für diese idealistische Demokratie und ihre Weltverantwortung. Auch für innere Reifung: ein farbiger Präsident im Weißen Haus! Und da war Enttäuschung, Verbitterung: über manch unverantwortlichen Kriegszug. Über politische Einäugigkeit, Selbstgerechtigkeit - und viel falsches Pathos, hinter dem sich oft nur der Zynismus und die Gnadenlosigkeit einer von Einzelinteressen gesteuerten Politik versteckten.

Dennoch: Niemals hätte ich gedacht, dass eine solche Welle der Frustration und Wut, der erlaubten Niedermachung von Frauen und Minderheiten, der Lüge und Rüpelhaftigkeit über dieses große, gesegnete Land hinwegrasen könnte! Wie oft habe ich bewundert, wie kategorisch - bis zur Neubesetzung kleinster Stabsstellen - die Führung in Washington den frischen Wählerwillen jeweils umsetzte: Ein neues Zeitalter mit neuen Ideen und Energien sollte doch beginnen.

Jetzt macht mir dieser Gedanke Angst.

Trump nicht mit Reagan vergleichbar

Wie oft habe ich Amerika am "Inauguration Day" zur Angelobung neu gewählter Präsidenten beneidet; in Stunden eines für uns Europäer nicht mehr vorstellbaren, religiös imprägnierten Patriotismus! Was auch immer bisher schlecht war -jetzt würde alles neu!

Nun aber bange ich vor diesem 20. Jänner 2017; vor dem Verlust einer wunderbaren, auch naiven Gemeinsamkeit. Ich frage mich: Wie werden Zeremoniell und Amtsinhaber dabei zusammenpassen? Mehr noch: Wie viel an Verantwortung, Ethos kann/darf ein Politiker künftig noch mitbringen, um trotzdem Sieger zu bleiben? Nicht nur in den USA!

Donald Trump wird jetzt -um ihn "salonfähiger" zu machen -gerne mit Ronald Reagan verglichen. Aber das ist falsch. Ich habe meine Notizen des Besuchs bei Reagan im Weißen Haus (1983) noch einmal gelesen. Egal ob er sie selbst vorgedacht hatte: Sie waren ein Plädoyer für eine Demokratie, getragen von Respekt und Mitmenschlichkeit. Und ein Riesenlob für Österreichs damalige Rolle als Erstaufnahmeland für Flüchtlinge.

Was davon ist geblieben?

Peinlich, wie sehr Europa jetzt, einer gefährdeten Partnerschaft zuliebe, seine Kanten abschleifen muss, um den atlantischen Graben halbwegs zu überbrücken - ohne dabei selbst der Dunkelheit des Beispiels zu erliegen.

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