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Dass die FPÖ rechtzeitig vor Beginn der ÖGB-Urabstimmung ihre Postgewerkschaftsbombe gezündet hat, war zu erwarten. Zu gut passen die dortigen Missstände ins FPÖ-Feindbild "Gewerkschaft". Ein schlimmerer Feind der Gewerkschaft als die FPÖ ist nur der ÖGB selbst. Bis heute hat er nichts von den Dimensionen der Krise verstanden, in die er seit den Achtzigern geschlittert ist. Eine Krise, die nicht mit der jetzigen Regierung zusammenhängt, sondern mit den wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen in Europa und weltweit.

"New Economy" und neue Arbeitswelt, Neoliberalismus, Globalisierung und Diktat der Finanzmärkte - zu all dem schweigt der ÖGB, oder spielt Bremser und Verhinderer. Vom ÖGB gibt es weder Konzepte zur Reform des Gesundheitssystems, der Altersvorsorge oder der Bildung, geschweige denn solche zur eigenen Strukturreform. Ohne solche Reformvorschläge wird der ÖGB aber seine notwendige Funktion als Interessenvertretung in einer gewandelten Wirtschaft nicht ausüben können.

Ganz andere Fragen wären also bei der Urabstimmung zu stellen:

1. Sollen leitende ÖGB-Funktionäre in direkter Wahl oder weiterhin über Delegierte gewählt werden?

2. Soll deren Mandat zeitlich befristet oder weiterhin lebenslang ausgeübt werden?

3. Soll die Gewerkschaftsfunktion vom Parteimandat im Parlament getrennt oder die Doppelfunktion beibehalten werden?

4. Soll der ÖGB auch die vertreten, die keine Arbeit haben, oder nur die regulär Beschäftigten?

5. Soll der ÖGB für die Integration ausländischer Arbeitskräfte eintreten oder weiterhin Migranten als Drohbild behandeln? Unterfrage 5a: Soll der ÖGB weiterhin gegen die EU-Osterweiterung auftreten oder einen internationalen Hilfsplan für Osteuropa entwickeln?

6. Soll der ÖGB Solidarität auf Österreich beschränken oder mitarbeiten am Aufbau einer globalen Gewerkschaft, die gegen Kinderarbeit und für internationale Mindestlöhne und soziale Standards kämpft?

Fragen, die über die Zukunft der Gewerkschaft mehr entscheiden als die vorgelegten Forderungen, die letztlich auf eine einzige Frage hinauslaufen: "Wollt ihr, dass alles so bleibt, wie es ist, oder sollen wir gegen jede Veränderung streiken?"

Trautl Brandstaller war lange ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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