Bildung und Einbildungen

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Von 3. bis 10. November liegt das "Volksbegehren Bildungsinitiative“ zur Unterschrift auf. Damit rückt eines der zentralen politischen Themen wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Anmerkungen zu einer irritierenden Debatte.

Wer wollte bestreiten, dass Bildung ein Schlüsselthema ist, dass es dabei um die Zukunft einer jeden Gesellschaft geht - hinsichtlich Wettbewerb, gewiss, aber auch im Hinblick auf die geistige und intellektuelle Verfasstheit eines Landes (was man im Übrigen nicht gegen ökonomische Aspekte ausspielen, sondern als zusammenhängend sehen sollte).

Und doch nervt etwas an dieser Bildungsdebatte, zumal in ihrer österreichischen Ausprägung. Es ist die moralische Aufgeladenheit des Themas, das Pathos, mit dem seit Jahren eine Art Bildungsnotstand (wie vor Jahren der Pflegenotstand) beschworen wird. "Bildung“ wird zu einem Zauberwort stilisiert und die simple Vorstellung suggeriert, wenn erst einmal alle Berufe akademisiert wären, für "soziale Durchlässigkeit“ gesorgt und - natürlich - mehr Geld ins System gepumpt würde, seien die Probleme des Landes gelöst. Dazu kommt, ähnlich wie bei der Pflege, die allzu durchsichtige (partei)politische Instrumentalisierung des Themas, der freilich eine weitgehend orientierungslose ÖVP wenig bis nichts entgegenzusetzen hat.

Das Schlechtreden des Status quo

Von Falter bis Österreich werden das diese Woche anlaufende "Volksbegehren Bildungsinitiative“ bzw. dessen Proponenten gefeiert und der Status quo schlecht geredet - da eher rabiat, dort mehr subtil: "So kaputt ist unsere Schule“ knallt uns das Republiksblatt Wolfgang Fellners entgegen, während eine Zeichnung in der fröhlich-bunten Stadtzeitung den Lesern ein umzäuntes "ÖVP-Nachwuchsgymnasium“ als Anstalt für degenerierte Idioten vor Augen führt.

Das Grundproblem der austriakischen Bildungsdebatte ist freilich, dass dieses Land ein gestörtes Verhältnis zu Begriffen wie "Leistung“, "Eliten“, "Wettbewerb“ et cetera hat. Gerechtigkeit wird mit Gleichheit verwechselt, Freiheit als Sicherheit missverstanden. Was fehlt, ist die Überzeugung, dass von den besten Köpfen eine Gesellschaft als ganze profitiert, während die Fokussierung auf potenzielle Verlierer ein gepflegtes Mittelmaß hervorbringt und letztlich noch mehr Verlierer produziert. Aber was soll man von einer Politik erwarten, denen "die Reichen“ nur als Karikatur wie in der Euromillionen-Werbung ("Reicher als reich“) taugen?

Alles ändert sich, nur die Schule bleibt gleich, lautet eine wohlfeile Klage von Bildungsvolksbegehrern aller Art. Das stimmt insofern, als viele Schulen - wie andere öffentliche Gebäude auch - aus früheren Jahrhunderten stammen und ihrer baulichen Umgestaltung Grenzen gesetzt sind. Soweit das möglich ist, wird diese freilich sehr wohl in Angriff genommen; viel wichtiger aber ist, was innerhalb der ehrwürdigen Gemäuer geschieht: Entgegen dem Klischee der antiquierten Schule wird heute schon ganz anders unterrichtet als noch vor wenigen Jahrzehnten: fächerübergreifend, Kreativität und eigenständiges Denken fördernd - ganz so, wie es die selbst ernannten Retter der Schule - zu Recht - fordern.

Sitzenbleiben in der "Mittel-Schule“

Auch mit aller Reformrhetorik nicht wegreden lässt sich indes die Tatsache, dass Schule und Universität keine Sozialeinrichtungen sind, dass sie familiäre und private Beziehungen und Netzwerke nicht ersetzen können und auch nicht sollen; dass man eine Sache verstanden haben muss, bevor man sie "kritisch hinterfragt“, dass man über "Lösungen“ nicht diskutieren kann, bevor man die Fragen begriffen hat.

Generell täte den Bildungseinrichtungen, insbesondere aber der Schule als deren sensibelste, mehr Unaufgeregtheit gut. Zustimmen kann man dem Bildungsvolksbegehren in der dort zum Ausdruck kommenden Wertschätzung des Lehrberufs und der Forderung nach Aufwertung. Wenn sich der Trend nicht umkehrt und wieder vermehrt intellektuell und menschlich helle Köpfe Lehrerinnen und (jawohl, auch) Lehrer werden wollen, sieht es für die Zukunft an den Schulen düster aus. Mittelmaß erzeugt Mittelmaß. Dann bliebe tatsächlich Österreich in der "Neuen Mittel-Schule“ sitzen.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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