Billiger Frontwechsel

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Soldat auf dem Balkan zu sein, heißt vor allem flexibel zu sein. Mein heutiger Feind ist morgen vielleicht mein strategischer Partner; aus Opfern werden von einem Tag auf den anderen Täter und eins-tige Täter können unversehens wieder in den Genuss eines Schutzprogramms kommen. Ob Nato- oder Kfor-Militär, ob mazedonischer Grenzpolizist, serbische Sicherheitskraft oder albanischer Freischärler - die Freund-Feind-Grenze zwischen diesen Gruppen ist ähnlich unsicher und von kurzer Dauer wie die kartographische Grenze zwischen Südserbien, dem Kosovo und Mazedonien.

Jüngstes Beispiel ist die am Wochenende vollzogene Öffnung der bislang entmilitarisierten Pufferzone im Grenzgebiet dieser drei Länder für eine begrenzte Zahl jugoslawischer Militärs. Damit wechselt die Nato die Fronten. Seit Juni 1999 wurden die Serben aus dieser Region fern gehalten, um die Albaner vor Überraschungsangriffen zu schützen. Das militärische Niemandsland missbrauchten albanische Freischärler jedoch sehr bald als sichere Basis für Guerillaaktionen im angrenzenden Südserbien und im Norden Mazedoniens. Die Situation spitzte sich zu, zumal sich im nach wie vor alles andere als gefestigten Mazedonien die albanische Bevölkerungsgruppe zunehmend mit den Extremisten solidarisierte und mittlerweile auch politisch organisiert.

Die Nato war gefordert, eindeutig Stellung zu beziehen. Stattdessen wählte die Allianz jedoch den billigeren Frontwechsel, und aus dem ehemaligen Kriegsgegner wurde ein neuer Partner. Der Frontwechsel lässt sich zudem auch gut verkaufen. Belgrad, so wird vielerorts gelobt, erhält damit eine Chance, Reife zu demonstrieren, und ein erster Schritt in Richtung Selbstverantwortung in der Region und eigenem Krisenmanagement werde wieder gesetzt.

Klingt gut! Nur, wohin soll die Reise gehen? Auf welchen Status steuert das Kosovo zu? Wie steht der Westen zur Unabhängigkeit Montenegros? Wie reagiert man auf albanische Forderungen - auch aus Mazedonien - nach einem Großalbanien? Noch ist nichts geklärt, trotzdem wird schon wieder groß von Selbstverantwortung gesprochen. Wohl weil die Allianz beim Krisenma-nagement gerne die billigere Variante wählt. Bei den Bombardierungen war man nicht so knausrig.

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