"Bin schon wieder da"

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Nein, es war keine normale Woche - aber jetzt geht alles wieder ganz normal weiter in der ganz normalen größeren Regierungspartei eines ganz normalen Landes.

Susanne Riess-Passer hat zu ihrer gewohnten Sprechgeschwindigkeit zurückgefunden. Ihre deutlich verlangsamten Sätze von jenseits des Atlantik mussten ja bei den Zuschauern vor den Bildschirmen Beunruhigung auslösen. Die Parteikrise, die während ihrer Abwesenheit ausgebrochen war, hatte ihr sichtbar zugesetzt. So gesehen könnte Riess-Passers Auftritt in der ZIB2 vom Montag auch als Zeichen einer Rückkehr zur Normalität gesehen werden: "Zunächsteinmalistzusagen ... Krise ... ausgeredet ... dashättenwirnichtgebraucht ... mehristdazunichtzusagenpunkt".

Punkt. Punkt? Es sieht nun leider gar nicht danach aus. Es sieht nicht danach aus, dass der Kanzler Recht hatte, als er, staatstragend vor seinem Max Weiler sitzend, dem ORF-Redakteur Hanno Settele (Sie erinnern sich, der mit dem seltsamen Kommentar) die Koalitionswelt zu erklären suchte. Settele fragte, ruhig und präzis - und Wolfgang Schüssel antwortete, ruhig und so präzis, wie er es für opportun hält. Die Botschaft: Die politische Sacharbeit muss und wird weitergehen.

Eben das kann man sich schwer vorstellen. Jörg "Ich bin schon weg" Haider hat sich aus dem Koalitionsausschuss zurückgezogen, er ist somit aller auch formalen bundespolitischen Verpflichtungen ledig, buchstäblich entfesselt. Dementsprechend wird er vermutlich künftig agieren und da sein wie eh und je.

Was die Generalvollmacht der Parteivorsitzenden wert ist, zeigt die Entsendung von Mathias Reichhold ins Infrastrukturministerium. Haider hat schon immer taschenspielergleich Leute aus dem Hut gezaubert oder verschwinden lassen. Mit der Nominierung Peter Sichrovskys für das EU-Parlament gelang ihm seinerzeit der erwünschte politmediale Coup, Grasser ging und kam wieder, desgleichen Prinzhorn. Nun wurde also ein Kärntner Getreuer aus der Versenkung geholt.

Nach der Kompetenz fragt bei FP-Personalentscheidungen ohnedies schon lange niemand mehr. Wen wundert es noch, dass da ein Schlüsselressort mit einem Leichtgewicht besetzt wurde. Reichhold kann immerhin darauf verweisen, dass er auf Landesebene bereits einmal ein Mammutressort zu verantworten hatte: Familie, Wohnbau, Verkehr, Sport... Die Vorgänger der schwarz-blauen Koalition haben überdies beste Vorarbeiten geleistet, als sie Ministerien im Zuge von Regierungsverhandlungen stets nach strategischen Überlegungen, oft bar jeglicher Vernunft, zusammenschusterten. Dem entspricht, dass sich der öffentliche Diskurs kaum um Sachfragen dreht, dafür umso lustvoller an Personalien weidet. Auch hier ist Haider deutlichstes Symptom einer Krise, nicht die Wurzel des Übels.

Die Regierung hat einige Schritte in die richtige Richtung gesetzt (Budget, Pensionen, ORF, Universitäten) - aber es waren eben bloß Schritte, noch dazu oft begleitet von Chaos oder sonstwie äußerst unerfreulichen Umständen, für das in hohem Maß die - nobel formuliert - labile Verfasstheit des größeren Regierungspartners verantwortlich war. Es scheint, dass das Wenige (das noch immer mehr war, als der Output des letzten rot-schwarzen Kabinetts) schon das Maximum dessen darstellte, wozu diese Koalition fähig ist. Mit anderen Worten - und entgegen der Zuversicht des Bundeskanzlers: Es ist für diese Legislaturperiode nichts mehr zu erwarten.

Das weiß natürlich auch Wolfgang Schüssel. Dennoch kann er kein Interesse an einer Verkürzung dieser Periode haben. Selbst wenn er und seine Partei bei einem allfälligen Koalitionsbruch als seriöse, verantwortungsvolle Regierungspartei, also gewissermaßen das Gegenprogramm zur FP, dastünden, selbst wenn die dann vorzeitig zu den Urnen gerufenen Wähler dies entsprechend honorierten - selbst dann stellte sich für ihn die Frage, was er mit einem solcherart eingefahrenen Wahlerfolg denn nun anfangen solle.

Er wird also seine Rolle ebenso weiterspielen wie Riess-Passer die ihre. Die moralische Empörung der Opposition darüber - "Der Kanzler schweigt" - ist politisch verständlich und hat vermutlich den erwünschten Effekt einer Stärkung der Solidarisierung unter den bekennenden Regierungsgegnern. Sie ist aber insofern unredlich, als es in keiner Koalition der Welt anders zuginge: Niemand greift den Regierungspartner, an den er gebunden ist, frontal an - es sei denn, er hat alternative Optionen strategisch vorbereitet und entwickelt.

Hier könnte man freilich ansetzen und fragen, ob die ÖVP nicht gut beraten gewesen wäre, lange vor Schüssel tragfähige Achsen auch mit Grünen und Liberalen zu schmieden, als dies rechnerisch vielleicht noch irgendwie Sinn gehabt hätte. Doch das ist vergossene Milch. Heute ist das obsolet, die Parteienlandschaft so beschaffen, dass sie für koalitionäre Phantasien nicht viel Spielraum lässt. Die plausiblen Alternativen sind wenig berauschend: Wo lassen sich die oft beschworenen neuen, jungen, unverbrauchten Kräfte ausmachen, die eine Wiederauflage von Rot-Schwarz bzw. Schwarz-Rot denkbar scheinen ließen. Wo sind Konturen eines rot-grünen Reformprojekts erkennbar? Was sollte bei Rot-Blau besser funktionieren als bei Schwarz-Blau? - Und darum muss Wolfgang Schüssel weiter schweigen.

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