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Bitterer Zucker

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Womit sie hinter den Kulissen schon seit Monaten herumgezogen haben, mit dem sind sie nun an die Öffentlichkeit getreten: mit dem Plan einer Zuckerpreiserhöhung, den die Zuckerfabriken in Forderungsform in der bitteren Höhe von 27 Prozent präsentierten. Ob dieses Verlangen, welches den Zuckerpreis je Kilogramm für sieben Millionen Konsumenten um zwei Schilling nach oben rücken würde, gerechtfertigt ist oder nicht, darüber wird offiziell die Preisbehörde zu entscheiden haben.

Die Zuckerpreisfrage aber wirft auch andere schwerwiegende Fragen auf, deren gewichtigste vor allem auf dem Gebiet der Agrarpolitik liegen dürfte. Entstanden schon anläßlich der Befristung der Alkoholsonderabgabe ernste Spannungen in der Bauernschaft, so könnte eine Zuk- kerpreiserhöhung die rund 300.000 österreichischen Milchbauern noch mehr verbittern als die eher optische Ausnahmestellung, welche man den Weinbauern eingeräumt hatte. Denn: Während die Milchbauein durch die von der Präsidentenkonferenz beschlossenen Maßnahmen eine Verringerung ihres Produzentenpreises hinnehmen müssen, steigt das Einkommen der Rübenbauern; der Rübenpreis, den die Zuckerfabriken bezahlen, ist nämlich mit dem Fabrikabgabepreis für Zucker gekoppelt. Darüber hinaus ist von den Milchbauern das Argument zu hören, sie seien ja selbst Konsumenten, so daß sie auch direkt vom höheren Zuckerpreis betroffen würden.

Verschiedentlich ist die Idee aufgetaucht, die Zuckerindustrie zur Zurücknahme oder zumindest zur Reduzierung ihrer hohen Preisforderung durch einen gewissen Druck zu veranlassen. Es ist die Rede davon, daß man ja den Zucker aus der amtlichen Preisregelung herausnehmen könnte. Das aber hätte schwerwiegende Folgen: Dem Zuk- kerkartell wäre die Grundlage entzogen und es würde nicht mehr lange dauern, dann würde der Inlandzuk- ker durch billige Importe von ausländischem Überschußzucker konkurrenziert.

Hier aber haben die Agrarpolitiker Bedenken. Man würde nämlich nicht nur den 30.000 österreichischen 'Rübenbauern ihre Existenzsicherheit nehmen, sondern bei einem daraus resultierenden Rückgang der inländischen Rübenproduktion in immer stärkerem Maße auf den Zucker vom Weltmarkt angewiesen sein. Dies sei aber nicht erstrebenswert, bemerken die Agrarpolitiker, da es sich bei dem Weltmarktzucker um Überschußzuk- ker handelt, der oft unter den Gestehungskosten an den Mann gebracht werden muß. Aus der Vergangenheit ist aber klar erkennbar, daß dies nicht immer so sein muß; so schnellte der Weltzuckerpreis anläßlich der Kubakrise auf das mehr als Fünffache empor und lag über zehn Schilling je Kilogramm. Ein, wie erklärt wird, auch für den österreichischen Konsumenten kaum erstrebenswerter Zustand.

Egal, wie der Zuckerpreis nun festgesetzt wird oder ob er gleichbleibt, so hat er doch wieder Diskussionen über die Preispolitik im allgemeinen ausgelöst. Hier geht es im wesentlichen um zwei verschiedene Dinge: um die amtlich geregelten und die nicht amtlich geregelten Preis«.

Die Situation bei den amtlich geregelten Preisen erscheint verfahren. Stellen sie in bezug auf die rein preispolitische Komponente einen Anachronismus dar, so erscheint ihre Aufrechterhaltung vor allem bei jenen Grundnahrungsmitteln, die staatlich subventioniert sind und daher im Übermaß produziert werden, so lange notwendig, als man hier keine grundsätzliche Strukturbereinigung in der Produktion durchgeführt hat.

Rein preispolitisch liegt die Crux bei jener verhängnisvollen Politik der Koalition, der es aus gefälligkeitspolitischem Opportunismus vor allem der SPÖ um eine Gleichhaltung des jeweiligen Preises mit allen Mitteln ging: Es wurde das Produkt subventioniert, ohhe Bedacht auf die produktionspolitischen Folgen, an statt bei den Preisen flexibler zu bleiben und die Unterstützungsbedürftigen durch höhere Beihilfen und Ausgleichszulagen zu subventionieren. Diesen in 20 Jahren behutsam gezüchteten Dschungel über Nacht zu roden, erscheint eine unmögliche Aufgabe.

Konsequenz des Keren-Plans

Bei den nicht amtlich geregelten Preisen ergibt sich die Frage nach der Funktionsfähigkeit der Paritätischen Kommission, vor allem aber ihres Preisuhterausschusses. Nicht zu Unrecht kursiert das etwas bittere Scherzwort von der „Preiserhöhungsverlautbarungskommission“, gelang es der Paritätischen bisher doch kaum, Preiserhöhungen längere Zeit zu verzögern oder wesentlich zu reduzieren. Um des lieben Friedens in der Sozialpartnerschaft willen war man allzuoft zu Kompromissen bereit. Es ist klar, daß die lohnpolitische Komponente vor allem bei den lohnintensiven Produkten eine wesentliche Rolle spielt, doch auch hier verhält es sich bei der Paritätischen ähnlich wie bei den Preisen.

Experten sind vielfach der Ansicht, daß sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten ih den letzten Jahren so geändert haben, daß der preispolitische Hebel eben nicht mehr da anzusetzen ist, wo dies die Paritätische infolge ihrer Konstruktion tun muß. Sie ist in gewissem Sinne zu sehr ein Kind der Glassturzpolitik der vergangenen Zeiten: sie sollte heute ganz andere Aufgaben erfüllen, so etwa wie die der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ansatzweise zeigt. In der sich stürmisch entwickelnden Industriegesellschaft scheint es wesentlich erfolgversprechender, den Preishebel indirekt und damit wirksamer bei einer Verschärfung der Konkurrenz anzusetzen.

Hier sind erste Ansätze im Koren- Plan und dem darin vorgeschlagenen Nettopreissystem, das sich für einen Teilbereich im Verwirklichungsstadium befindet. Der scharfe Wind der Konkurrenz, der in gewissen Bereichen durch gezielte Importerleichterungen ergänzt werden müßte, zeigt mehr als jede noch so genaue Kalkulation, wie es um die einzelnen Preise tatsächlich steht.

Die künftigen preispolitischen Maßnahmen der Bundesregierung werden zeigen, ob man sich mit dem Koren-Plan auf dem richtigen Weg befindet. Derzeit stellt sich die Situation — bedingt durch Regierungsmaßnahmen — aber auch durch die hinter uns liegende Konjunkturflaute recht günstig dar. Die nächsten Monate werden zeigen, ob der äußerst geringe Zweiprozentanstand zum Preisniveau des Vorjahres zu halten ist.

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