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Ministerrücktritte am Fließband, Wahlversprechen gebrochen: Der Start von US-Präsident Obama ist holprig. Verglüht da ein Shooting-Star?

Der Mann wollte das Amt verändern, einen neuen Politikstil pflegen und endlich mit den parteipolitisch geprägten Gepflogenheiten aufräumen, die so vielen Amerikanern sauer aufgestoßen waren. Das war der Plan noch am 20. Jänner dieses Jahres, dem Tag der Amtseinführung von Barack Obama. Einen Monat später sieht die Welt anders aus: Zwar gelangen ein paar PR-technisch geschickt inszenierte Ankündigungen – etwa jene, das Gefangenenlager Guantánamo binnen Jahresfrist zu schließen. Doch was dominierte, waren die Negativschlagzeilen. Gleich vier Minister aus Obamas Wunschkabinett strichen frühzeitig die Segel.

Ein Rücktritt war dabei peinlicher als der andere. Die als oberste Haushaltswächterin vorgesehene Nancy Killefer musste zugeben, eine Haushaltshilfe nicht angemeldet zu haben. Steuerschulden wurden dem alten politischen Haudegen und Fast-Gesundheitsminister Tom Daschle zum Verhängnis. Der Anfängerfehler des engen politischen Obama-Beraters schmerzte besonders: Als einem der wenigen in Washington wäre ihm tatsächlich eine Reform des desolaten US-Gesundheitssystems zuzutrauen gewesen.

Sehr schnell im System gefangen

Schon Wochen vor Daschles Abgang erwischte es ein anderes demokratisches Schwergewicht. Bill Richardson, der Gouverneur von New Mexico, gab als Handelsminister vorzeitig w. o. Der Grund: Richardson soll als Gouverneur Staatsaufträge ohne korrektes Verfahren abgewickelt haben.

Obamas Beraterteam hatte aber schnell einen spektakulären Nachfolger gefunden: den Erz-Republikaner Judd Gregg. Der Senator aus New Hampshire zog sich aber schon nach wenigen Wochen zerknirscht aus seinem Amt zurück. „Es war mein Fehler, ‚Ja‘ zu sagen“, gestand Gregg zu seinem Abschied. Und: „Ich bin finanzpolitisch sehr konservativ, das weiß jeder. Es wäre schwer für mich gewesen, in diesem Kabinett zu dienen.“ Damit hatte Gregg einerseits das knapp 800 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket des Präsidenten desavouiert. Und, was noch tiefer ging: Er hatte Obamas Strategie, hochrangige Republikaner an Bord zu holen und damit Überparteilichkeit zu demonstrieren, schwer ramponiert. Mit Verteidigungsminister Robert Gates und Verkehrsminister Ray LaHood sind zwar noch zwei Republikaner mit an Bord, im Partei-Establishment sind sie aber weit weniger verankert als Gregg.

So ist Barack Obama schneller als erwartet in jenem System gefangen, gegen das er im Wahlkampf erfolgreich zu kämpfen gelobte. Nicht nur der Schulterschluss mit den Republikanern im Kampf gegen die Wirtschaftskrise misslang – Obama brachte sein Krisenpaket nur unter großen Mühen durch den Kongress (siehe Artikel unten). Dem Demokraten aus Illinois passierten auch, was seine Kernpositionierung angeht, kolossale Eigentore: Hatte sich Obama noch im Wahlkampf den bedingungslosen Einsatz gegen überbordenden Lobbyismus in Washington auf die Fahnen geheftet, musste er bald nach Amtsantritt Washingtons Machtgefüge akzeptieren. An seinem ersten Tag im Weißen Haus initiierte er als eine der ersten Amtshandlungen zwar gleich strengere Auflagen für Lobbyisten. Allerdings nur, um sie tags darauf zu brechen. Für zwei, seiner Administration nahestehende Lobbyisten erwirkte der Präsident Ausnahmeregelungen. So dürfen William Corr, ein früherer Anti-Tabak-Lobbyist, im Gesundheitsministerium und William Lynn, ein Waffenlobbyist, im Pentagon werken. Politischer Wechsel schaut wohl anders aus.

Aber: Ist der schwarze Präsident nach seinem Fehlstart schon gescheitert? Rächt sich Obamas Anpassungsfähigkeit an den althergebrachten Politikstil bereits?

Noch ist der Newcomer ungefährdet. Auch während seines positiv-populistischen Wahlkampfs war klar, dass Obama die eine oder andere seiner Versprechungen recht rasch einholen würde.

Das war bei einigen seiner Vorgänger auch nicht anders. Bill Clinton etwa wurde trotz einer innenpolitisch durchwachsenen ersten Amtszeit 1996 im Amt bestätigt. Obama könnte eine ähnlich wechselhafte Zeit bevorstehen. Seine Strategen zimmern im Hintergrund schon an der Wiederwahl-Strategie für 2012. Auch bei den Kongresswahlen 2010 soll nichts dem Zufall überlassen werden: Die für die unglaublich wichtige Einteilung der US-Wahlsprengel zuständige Zensusbehörde soll vom Handelsressort direkt ins Weiße Haus wandern. Damit hätte Obamas erfolgreiches Wahlkampfteam direkten Zugriff auf dieses zentrale Machtinstrument.

Aktuell kommt Obama ein anderer Umstand zupass: Der kritischen Masse des amerikanischen und internationalen Publikums sind die Querelen seiner ersten Wochen im Amt zu speziell. Was noch mehr wiegt: Viele Medien und breite Schichten der US-Bevölkerung wollen, dass die Regierung Obama erfolgreich ist.

„Verkäufer in eigener Sache“

Der Präsident nutzt sein kommunikatives Talent, um diesen Wunsch immer neu zu befeuern. Der Plan seiner Strategen: Der Präsident soll sich anders inszenieren als seine Vorgänger. Seit Wochen ist Obama in den Bundesstaaten unterwegs, um sein Konjunkturprogramm persönlich zu verkaufen. Der Kongress mag bockig sein, doch Obama ist wichtiger, dass die Bevölkerung seine Maßnahmen nachvollziehen kann. In sogenannten Townhall-Meetings wirbt Obama beim viel zitierten „kleinen Mann“. US-Medien nennen den neuen „commander in chief“ deshalb schon „salesman in chief“.

Auch international wird Obama noch lange nicht ernsthaft ins Trudeln kommen, ist er doch der einzige globale Kommunikator in der Wirtschaftskrise. Konkurrenz ist nicht in Sicht: Europa ist zersplittert. Und andere Player wie die katholische Kirche haben sich zuletzt mit spektakulären Eigentoren selbst aus dem Spiel genommen. Man stelle sich vor, wie Papst Johannes Paul II. im Gegensatz zu seinem Nachfolger die aktuelle Krise für eine „Rückbesinnung auf die wahren Werte“ genutzt hätte. So bleibt ein kommunikatives Vakuum, das trotz der Fehltritte der ersten Wochen allein Obama zu füllen imstande ist.

Der Autor ist Politikberater und geschäftsführender Gesellschafter von H&P Public Affairs in Wien, www.hppa.at

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