Briefe aus Washington von Peter Millonig

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Wertedebatte

In den Parteiprogrammen sind Werte nicht zu finden, obwohl sie jeder erwähnt. Und während sich Republikaner und Demokraten befehden, gibt es zwischen beiden Parteien einen hohen Grad an Übereinstimmung, wenn die Wertedebatte vom Zaun gebrochen wird. Dabei sind die "values" der Republikaner religiös determiniert, die Demokraten aber leiten sie aus dem Humanismus der Aufklärung und aus dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts ab. Für die Republikaner war die Formel "In God we trust" stets als Grundpfeiler der ethischen Identität des Volkes zu verstehen. Für die Demokraten hingegen stellen den Grundkatalog an Werten verfassungsrechtlich geschützte Freiheiten dar.

Howard Dean, Shooting-Star der Demokraten, hält den praktischen Wertekatalog der Republikaner dennoch für verlogen. Als ob es außer "guns, gays and god" nichts anderes gäbe. Das Recht auf Waffenbesitz, die Verachtung der Homosexuellen und unkritische Gottesfurcht seien wenig geeignet, brennende soziale Probleme zu lösen. Die von George Bush geforderte Eigentümergesellschaft sei der logische theoretische Überbau, der den Starken hilft, noch stärker zu werden, jedoch den Unterbemittelten ein humanes Leben versagt. Wann gibt es eine neue Beschäftigungspolitik, universalen Krankenschutz und ein Bildungssystem nach dem Maße des Menschen, fragen sich Demokraten entrüstet.

Bill O'Reilly, der in seiner Fox Fernsehsendung keinen "spin" zulässt, ist entrüstet, dass Linke aller Couleur gegen den Hinweis auf Gott im Verfassungseid stürmen. Mindestens genauso schlimm findet O'Reilly, dass der Präsident des Obersten Gerichtshofes von Alabama, Roy Moore, abgesetzt wurde, weil er sich weigerte, ein Denkmal mit den zehn Geboten aus der Aula des Gerichtshofes entfernen zu lassen. Anlass für die Demontage der Gesetzestafel war eine erfolgreiche Klage, die Ausstellung religiöser Symbole an öffentlichen Orten verstoße gegen das Verfassungsprinzip der Trennung von Kirche und Staat. Trotz säkularen Strömungen bleibt Amerika ein Land mit konservativ-religiösem Zeitgeist, auch wenn moderate Republikaner in der eigenen Partei von messianisch-radikalen Politikern überrollt wurden, die vorwiegend die Interessen der "Corporate America" vertreten. Bei den Demokraten bestimmen die Progressiven die Wertediskussion, was die Parteibosse oft in wilde Schweißausbrüche treibt.

Der Autor lebt als Industriekonsulent in Washington D.C.

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