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Das Technische Museum Wien zeigt den Wiederaufbau Österreichs in Bild und Text. von claudia feiertag

Erst kamen die care-Pakete und finanzielle Mittel privater Hilfsorganisationen, um der hungernden Bevölkerung das Überleben zu ermöglichen, Kinder wurden auf Erholung in die Schweiz und nach Skandinavien geschickt, Kindergärten und Schulen errichtet. Aber dann musste Wiederaufbau im großen Stil betrieben werden. Mit diesem beschäftigt sich der Beitrag des Technischen Museums Wien zum Gedenkjahr vorrangig: "Österreich baut auf" heißt die Ausstellung, die den Marshall-Plan und die dadurch jedenfalls versuchte, teilweise auch erfolgte Amerikanisierung des Landes in den Mittelpunkt stellt.

Als einziges Land mit us- und Sowjet-Besatzung war es Österreich gelungen, ohne Teilung des Landes am "European Recovery Program" (erp) teilzunehmen, das die usa unter Federführung von Außenminister George C. Marshall 1948 ins Leben rief. Lebensmittel, Rohstoffe und Industriegütern im Wert von einer Milliarde us-Dollar sollte Österreich in den kommenden vier Jahren bekommen, um das zerbombte und wirtschaftlich zerstörte Land wieder aufzubauen. Die Waren wurden verkauft, die Erlöse daraus kamen auf ein Sonder-Konto, aus dem in Abstimmung mit den amerikanischen Partnern niedrig verzinste Kredite für enorme Projekte vergeben wurden. Fotos, Grafiken und Plakate zeigen die Verstaatlichung großer Teile der Industrie, aber auch deren Wiederaufbau, der ohne erp-Mittel erst viele Jahre später möglich gewesen wäre.

Großes Augenmerk legt die Schau aber auch auf die Tatsache, dass das erp nicht nur humanitäre Hilfe und wirtschaftlichen Wiederaufbau bedeutete. Denn nicht zuletzt war auch Propaganda ein Grund für die umfassende Hilfeleistung der usa. Filme, Plakate, Karikaturen und Wandzeitungen belegen, wie sichergestellt werden sollte, dass sich Österreich und die anderen erp-Länder nach Auslaufen des vierjährigen Marshall-Planes politisch wie wirtschaftlich in die richtige - us-amerikanische - Richtung orientieren würden. Private Fotos von Bauern, Technikern und Studenten erinnern an deren Aufenthalte in den USA, durch die der Bevölkerung Lebens- und Arbeitsweise der Amerikaner nahe gebracht wurden. Dem Kommunismus sollte mit allen Mitteln Einhalt geboten werden, durch die Wiederaufbauhilfe der usa wurde Europa gegen die Sowjetunion geeint. Dass deren Sicht auf den Marshall-Plan und seine Rolle bei der Teilung Europas in der Ausstellung zu kurz kommen, ist vielleicht das einzige Manko, das jedoch der Begleitkatalog mit ausführlichen Analysen wettmacht.

Die Ausstellung selbst zeigt auf 500 Quadratmetern eine Vielzahl an Schaustücken über den Weg zum Wirtschaftswunder. Begreifbar wird der Marshall-Plan aber vor allem durch die ausführlichen Begleittexte. Wer - gerade im Technischen Museum - moderne Technik zur interaktiven Vermittlung erwartet, wird enttäuscht, der inhaltlichen Qualität der Schau tut das freilich keinen Abbruch.

Ein wenig versteckt und fast wie ein Fremdkörper findet sich am Ende der Ausstellung ein besonderes Kleinod: alte Fotografien, auf denen sich die Biografie einer unbekannt bleibenden Familie von den 40er- bis in die 70er- Jahre abzeichnet. Ihr Schicksal ist nicht Inhalt der Schau, schließlich zeigen die Bilder nur Ausschnitte des Privatlebens: Weihnachten, Hochzeit, Ausflüge. Und doch erahnt man durch sie und durch den literarischen Begleittext von Adolf Holl vielleicht noch besser als durch alle Industriefotos, Finanzstatistiken und Getreidesäcke mit erp-Logo, denen man auf dem Rundgang vorher begegnet ist, dass Zerstörung, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern letztlich das Leben jedes Einzelnen massiv geprägt haben.

Österreich baut auf

Wiederaufbau & Marshall-Plan

Technisches Museum Wien

Mariahilfer Straße 212, 1120 Wien

www.tmw.at

bis 2. 10. Mo-Fr 9-18, Sa, So 10-18

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