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Budgetsanierung mit Pferdefuß

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Als der Notar Dr. Hermann Wit- halm, der in ÖVP-Nationalratsklub, Regierung und Partei gleicherweise fest verankert ist, vor wenigen Wochen in seinem lapidaren Stil dekretierte, daß das Budgetdefizit 1969 nicht die vorausgeschätzte Höhe von mindestens 16 Milliarden Schilling erreichen werde, war klargestellt, daß Entscheidungen unmittelbar bevorstanden. Denn die Notwendigkeit an sich, diese enorme Summe zu verringern, stand wohl allgemein außer Streit.. Kein österreichischer Finanzminister hätte diesen Fehlbetrag aufbringen, geschweige denn verkraften können.

Die Zeit zwischen der Promulgation des vorausgeschätzten Budgetdefizits Anfang Februar am ÖVP- Bundesparteirat durch Prof. Koren und der Bekanntgabe der Sanierungsmaßnahmen in der letzten Märzwoche wurde von der Regierungspartei gut genützt. Im Gegensatz zum Vorjahr vollzog sich der innerparteiliche, sprich: hündische Interessenausgleich nicht in einem öffentlichen Förderuogs-Strdp-tease, sondern in wirklich vertraulichen Beratungen, von denen man in der Öffentlichkeit, wenn überhaupt, nur die Zernierung des Tagungsgebietes durch die Staatspolizei, nicht aber Details der Besprechungen erfuhr. Zugute kam der Geheimhaltung die Tatsache, daß der ÖVP nur die wenigsten wirklich zutrauten, schon im Frühjahr, ohne das Damoklesschwert des ominösen 22. Oktober, eine Einigung zustande zu bringen.

Was wird überwälzt?

Die Maßnahmen zur Budgetgesundung sind aus der Tagespresse bekannt. Fünf Milliarden Schilling werden durch Einsparungen hereingebracht, 3,8 Milliarden durch die Erschließung neuer Einnahmen. Gerade auf letzterem Gebiet hat Prof. Koren eine geschickte Hand bewiesen. Die sozial wesentlich gerechtere, im übrigen geringfügige und noch dazu befristete Erhöhung direkter Steuern wurde wohl von der Grazer „Kleinen Zeitung” am treffendsten kommentiert: „Hier geschwollen von Opfern zu reden, ist Gedankenlosigkeit oder Frivolität.” Tatsächlich ist es gelungen, die Einnahmenerschließungen weitgehend preisneutral zu halten, sieht man von den Spezialfällen Alkohol und Neuwagen ab, was nicht überall als Nachteil empfunden wird. Lediglich die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beförderungssteuer könnten zu partiellen Verteuerungen führen. Nicht schrecken lassen dürfte sich die Regierung von Drohungen aus Wirtschaftskreisen, daß die direkten Steuern als „Element der unternehmerischen Kalkulation” dem Konsumenten doch da und dort in Rechnung gestellt werden könnten. Dieser plumpe Erpressungsversuch, einerseits bei Aufrechterhaltung der sogenannten Wachstumsgesetze, anderseits nach der nicht gerade glücklichen Rolle der meisten österreichischen Unternehmer in der Talsohle der Konjunktur, sollte die Regierung lediglich ermuntern, ihre zaghaften Schritte in, Richtung auf einen verschärften Wettbewerb konsequenter fortzusetzen, als dies mit dem neuen Kartellgesetz und der Novellierung der Gewerbeordnung bisher geschehen ist. (Schließlich kann ja auch der Lohnsteuerzahler seinen Zuschlag nicht abwälzen.)

Was manche Wirtschaftskreise offensichtlich stört, ist eine Tatsache, die der Wiener „Kurier”, der in Budgetfragen der Regierung gegenüber eher eine distanzierte Haltung zeigte, positiv herausstreicht: „Zum erstenmal wurden die wirtschaftlich Stärkeren in augenfälliger Weise auch stärker belastet.” Einen Beweis dafür sieht dieses Blatt nicht zuletzt in der „Tatsache, daß der sonst sehr aufmerksamen Opposition zur Frage der gerechten Verteilung nichts Kritisches eingefallen ist.” Es dauerte tatsächlich einige Tage, bis aus der linken Reichshälfte eine erste Kritik hörbar wurde. Sie kam von der sozialistischen Domäne der Bau- und Holzarbeiter und erweckte mehr den Eindruck eines Alibis als eines echten Protests. Einerseits wurde gegen eine Umwidmung der Mineralölsteuer polemisiert, die gar nicht vorgesehen ist (und auf eine Fehlinformation zurückgehen dürfte) anderseits bezeichnete man die Maßnahmen sehr generell als „preissteigernd und kaufkrafthemmend”, wobei über den inneren Widerspruch dieser Klassifikationen hinweggesehen wurde.

Der familienpolitische Nebeneffekt

Ansatzpunkt zu ernster Kritik dürften nicht die Einnahmenerschließungen sein, sondern müßte jener Teil der Einsparungen sein, der nicht durch Kürzung des Personalaufwands und der Ermessenskredite — und durch das „Staubsaugerkomitee” — hereingebracht werden soll. Es geht dabei um Maßnahmen, die rund 1,8 Milliarden Schilling für den Finanzminister verfügbar machen. Alle vier vorgesehenen Faktoren scheinen bedenklich: Das gilt sowohl für den Umstand, daß die Reserven der Pensionsversicherungsanstalten nicht weiter aufgestockt werden sollen, was sich später einmal bitter rächen könnte, als auch für die Umwidmung des Wohnungsbeihilfenüberschusses gerade jetzt, nach dem Inkrafttreten der Wohnbauförderung 1968. Abzulehnen wäre auch die Überführung des Überschusses der Unfallversicherung in die Pensionsversicherung der Arbeiter, solange es auf dem Gebiet der Unfallversicherung noch echte Härten und Ungerechtigkeiten gibt. Am schlimmsten erscheinen die Verschiebungen bei den Überschüssen des Familienlastenausgleichs: Hier ist die ÖVP dabei, ihr programmatisches Ideengut über Bord zu werfen und auf eine urmarxistische Linie einzuschwenken, die von der SPÖ-Führung spätestens in den letzten fünfziger Jahren verlassen wurde, nämlich die Identifikation der Familienpolitik mit öffentlicher Fürsorge. (Es macht die Sache nicht besser, daß Doktor Karnitz seinerzeit mit schlechtem Beispiel vorangegangen ist.)

Nachdem nun die Entscheidungen über die Verringerung des drohenden Defizits gefallen sind, sehen die ÖVP-Asitrologen wieder etwas freundlicher in die Wahlzukunft 1970. Die jetzige Budgetgesundung wird nämlich auch den Bundeshaushaltsplan 1970 von Komplikationen frei halten, was um so wichtiger ist, als im Herbst 1969, rund um die Einbringung des Voranschlages für 1970, in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg Landtagswahlen stattfinden. Ganz ist die ÖVP allerdings noch nicht über den Berg — über den Butterberg nämlich. Die brisanten Relationen zwischen Budgetpolitik und Agrarpolitik sind noch offen.

Verteilung der anderen 161 beziehungsweise 162 Mandate nur so erfolgen kann, daß nur eine der beiden Großparteien die relative Mehrheit bekommen wird, ist mit einer Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht zu beweisen. Unter der Annahme, daß der Abstand zwischen den beiden Großparteien in der derzeitigen Größenordnung (11) plus den drei freiheitlichen Mandaten schwanken wird, gibt es für die 162 Sitze nämlich noch folgende mögliche Verteilungen :

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