Chance zur Offensive

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Im Prater blühen wieder die Bäume. In der Hofburg sitzt wieder Klestil. Alles wie gehabt", resümierte Kurt Falks Postille "täglich alles" in unnachahmlicher Weise die Bundespräsidentenwahl. Die Bestätigung Thomas Klestils im Amt wurde damit quasi in den Status der Naturgesetzlichkeit erhoben.

Tatsächlich war das Ergebnis (siehe auch nebenstehende Analyse) nicht überraschend, höchstens das für Klestil erfreuliche Ausmaß an Zustimmung. Indes, "alles wie gehabt" stimmt nur auf den ersten Blick. Denn eigentlich ist schon seit Kurt Waldheims Zeiten in der Hofburg nichts mehr wie gehabt. Die Vorstellung, mit dem völlig unbelasteten und aus ganz anderem Holz als Waldheim geschnitzten Thomas Klestil würde sich die Lage wieder normalisieren, erwies sich nur teilweise als berechtigt: im Bereich der Außenpolitik, der internationalen Kontakte.

Doch was das Amtsverständnis selbst betrifft, so konnte auch Klestil nicht hinter die Zäsur von 1986 zurück. Das Amt kam nicht aus der Diskussion - im Gegenteil: die hinlänglich bekannten persönlichen und privaten Krisen Klestils und die damit verbundene Veränderung seines Stils führten dazu, daß der Bundespräsident sich mehr in den Niederungen der Tagespolitik und -chronik wiederfand, als ihm lieb gewesen sein sollte.

Die Entzauberung der Hofburg war - wie jede Entzauberung - ein Stück Aufklärung. Die paradiesische Unschuld läßt sich nicht wieder herstellen, sie ist weder erzwingbar, noch ersitzbar. Die einzige Chance die Klestil II hat, ist die Offensive. Künftig wird das höchste Amt im Staat so geachtet sein, für so relevant gehalten werden, wie es dessen Inhaber selbst ist.

Weitere vermeintliche oder wirkliche Skandälchen, Soft-Stories aller Art, allzu offensichtliches parteipolitisches Taktieren und Lavieren werden die Diskussion um die Entbehrlichkeit des Amtes nur weiter anheizen. Ein Präsident hingegen mit Ecken und Kanten, mit dem Mut und der Fähigkeit zur klaren Sprache, könnte sich auch hinkünftig als sinnvolle Institution im machtpolitischen Gefüge der Republik erweisen. Das Präsidentenamt bezieht seinen Reiz gerade daraus, daß es dem täglichen politischen Kleinkampf enthoben ist. Das bedeutet ein Stück Freiheit, die es zu nutzen gilt: für unmißverständliche, auch für bestimmte Gruppen unangenehme Worte zu den sogenannten "Megathemen" - Bildung, Erweiterung und Umgestaltung der Europäischen Union, Sicherheitspolitik, Strukturwandel der Wirtschafts- und Arbeitswelt.

Hier könnte, hier müßte Thomas Klestil punkten - für sich, für das Amt und für das Land. Er hat dafür immerhin sechs Jahre Zeit.

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