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So machen es alle (nicht nur) im Wahljahr - oder: Wer gibt den besseren Mozart?

Kaum war die letzte Ausgabe der Furche erschienen, wurde die Fiktion der Glosse "Zugespitzt" schon von der Wirklichkeit des neuen News eingeholt: Anknüpfend an die öffentlichen Inszenierungen von "25 Peaces" (Springer/Lorenz) leisteten wir uns den kleinen Spaß, den Bundeskanzler als Mozart zu imaginieren (Nr. 1, Seite 8). Und prompt kam News mit einem Schüssel im Amadeus-Look auf dem Cover. Drinnen dann die üblichen, als kritischer Journalismus getarnten Festspiele ("Alles Wolfgang oder was?")...

Der wahre Punkt aber an der Sache ist natürlich der Zusammenfall von eu-Präsidentschaft, Wahljahr und Mozart-Jahr. Dass das Wolfgang Schüssel so geplant hat, werden ihm nicht einmal seine kühnsten Exegeten, die - gleich ob Freund oder Feind - in all seinem Tun nur Poker und Taktik sehen, unterstellen. Es ist auch alles andere als ausgemacht, dass diese zeitliche Koinzidenz dem Kanzler und seiner Partei zugute kommt. Klar ist aber ebenso, dass Schüssel nichts unversucht lassen wird, diese Konstellation zu nutzen: dass er also den Staatsmann mit Zielstrebigkeit und Augenmaß geben wird, den Europäer, der über dieser Perspektive gleichwohl die österreichischen Interessen nicht aus den Augen verliert; dass er in diesem Zusammenhang gerne das eine oder andere Mal auf Mozart - den aufgeklärten, polyglotten Geist - zurückgreifen wird; und dass er schließlich hofft, mit einem solchermaßen geschärften Profil die entsprechende Ernte bei den Wahlen im Herbst einzufahren. Wie gesagt, es kann auch ganz anders kommen; die Chance, die sich da bietet, würde sich freilich kein Regierungschef entgehen lassen. Oder, um es mit Mozart zu sagen: Così fan tutti - so machen es alle.

Mozart also für den europäischen "Überbau": Das wird bei der zum Geburtstag des Komponisten am 27. Jänner angesetzten Salzburger Konferenz "Sound of Europe" zum Tragen kommen: Werte und Identität Europas sollen dort hochkarätig debattiert werden. Es ist relativ leicht, solche Unterfangen als abgehoben und realitätsfern zu diskreditieren. Und doch bleibt wahr, dass das "Projekt Europa" nicht gelingen wird, wenn nicht über gemeinsame Ziele und Wertvorstellungen so etwas wie ein europäisches Bewusstsein entsteht - nicht nur bei den Staats- und Regierungschefs, sondern auch bei den knapp 460 Millionen Menschen in den Mitgliedsländern.

Vielen aber gefällt der europäische sound ganz und gar nicht - die eu hat keinen guten Klang, stattdessen werden störende Geräusche wahrgenommen. In Österreich versucht derzeit vor allem sp-Chef Alfred Gusenbauer die herrschende Missstimmung zu seinen Gunsten zu nutzen. Er will - wie denn auch anders - der bessere Amadeus sein, der, so suggeriert er, für mehr (vor allem soziale) Harmonie im europäischen Konzert zu sorgen verstünde.

Die eu habe sich "in den letzten fünf Jahren unter konservativer Hegemonie" "in die falsche Richtung entwickelt", so Gusenbauer zuletzt in einem Standard-Interview. Nun mutet es, gelinde gesagt, etwas kühn an, von einer "konservativen Hegemonie" in Europa während der letzten fünf Jahre zu sprechen, es sei denn, man ortet das heimliche Machtzentrum der Union in Wien, was aber Gusenbauer gewiss als Regierungspropaganda geißeln würde. Richtig ist vielmehr, dass es schon seit geraumer Zeit eine schmerzlich spürbare Ratlosigkeit der politischen Eliten gibt, die mit dem Wort vom "europäischen Modell" nur notdürftig camoufliert wird. Fatal wäre es, sollte die "Sound of Europe"-Konferenz diesen Eindruck weiter verfestigen und damit das an sich wichtige Anliegen (s. o.) konterkarieren.

Notwendig scheint es, das "europäische Modell" inhaltlich, aber auch geistig-ideell schärfer zu konturieren. Hier verlaufen die Grenzen freilich weniger zwischen "links" und "rechts" als zwischen den einzelnen Ländern mit ihren unterschiedlichen Kulturen.

Was man auch hierfür von Mozart zu allererst lernen kann, ist eine durch existenzielle Tiefe abgesicherte heitere Gelassenheit, wie sich etwa in der Schlusssentenz von "Così fan tutte" ausdrückt:

"Fortunato l'uom che prende ogni cosa pel buon verso. Bella calma troverà" ("Glücklich der Mensch, der alles von der richtigen Seite nimmt. Er wird holden Frieden finden").

rudolf.mitloehner@furche.at

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