Czernin und Ecclestone finden Ötzi

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Britische Kommentatoren und Karikaturisten konnten sich so richtig austoben. Sobald die usa nach dem 11. September den Kampf gegen den internationalen Terrorismus ausgerufen hatten, stellte sich Tony Blair mit Enthusiasmus an die Seite von George Bush, jettete als dessen inoffizieller Gesandter um die Welt und lieferte damit den bösen Zungen und Zeichnern eine gewaltige Fülle an Material. Sich diesen schwelgenden Kritikern anzuschließen, war natürlich nicht Aufgabe der Österreichischen Botschaft in London. Sie musste im Rahmen ihrer politischen Berichterstattung nüchtern die Rolle des britischen Premiers in der Anti-Terror-Koalition beobachten und analysieren, verfolgen, wohin und in welcher Mission britische Regierungsmitglieder reisten und welche Gäste in der Downing Street No 10 empfangen wurden. Auch die Tätigkeit und Publikationen der Think Tanks galt es nach dem 11. September noch genauer zu verfolgen, um darüber dann nach Wien zu berichten.

Weiteres wichtiges Thema, über das die Botschaft das Außenamt uuf dem Laufenden zu halten hat, sind selbstverständlich die Tendenzen in der britischen eu- und Währungspolitik. Als so "unspektakulär" wie "arbeitsintensiv" bezeichnet eine Diplomatin diese Tätigkeit.

Eher von geringerer Bedeutung für die Alpenrepublik sind die Intrigen und Kabalen der Royals, es sei denn, ein Mitglied des Königshauses kommt in Kontakt mit österreichischen Politikern und die britische Presse greift ein solches Treffen in fragwürdiger Art und Weise auf. "Edward meets Nazi", titelten The Sun und The Daily Mail groß, nachdem Prinz Edward in St. Anton Vizekanzlerin Susanne Rieß-Passer begegnet war, und spielten unmissverständlich an Edward VIII. und dessen Treffen mit Hitler an. In einem derartigen Fall muss die Botschaft eingreifen - wie stets, wenn britische Darstellungen Österreichs problematisch sind oder ganz an den Tatsachen vorbeigehen - und Klarstellungen treffen.

Gefragte Mumie Ötzi

Im Allgemeinen betrifft die Informationstätigkeit der Botschaft freilich Dinge von weitaus geringerer politischer Tragweite. Anfragen von Briten, ob Schulen oder Einzelpersonen, kommen in großer Zahl zu - wie könnte es schon anders sein - den Sängerknaben und den Lippizanern, aber auch zu Rezepten für Apfelstrudel. Ötzi erfreut sich eines derart regen Interesses, dass die Webseite der Botschaft (www.austria.org.uk) der Mumie nun gebührend Platz einräumt. Zu den ungewöhnlichen Anfragen der letzten Jahre gehörte die eines ehemaligen Offiziers, der in der Spätphase des Krieges Seite an Seite mit einem britischen Armeeangehörigen österreichischer Herkunft kämpfte, der Czernin hieß. Kann es sein, dass Hubertus Czernin (damals noch bei Profil) einen solchen Verwandten hat? Die Botschaft vermittelte den Kontakt, Hubertus Czernin recherchierte und es handelte sich tatsächlich um ein entferntes Mitglied seiner Familie.

Engen Kontakt hält die Botschaft mit der recht großen Gruppe von Holocaust-Überlebenden und einstigen Kindertransportkindern, die heute in und um London ansässig sind. Als man davon erfuhr, dass einer der Guides bei der jüngsten Holocaust-Ausstellung gebürtiger Österreicher war, stellte man ebenfalls sofort den Kontakt her, auch wenn es einige Hürden zu überwinden gab: Der Mann hatte bei seinem einzigen Besuch in Österreich seit dem Krieg negative Erfahrungen gemacht und wollte zunächst nichts mehr mit seiner einstigen Heimat zu tun haben. Aus anderen Gründen schwierig war es, an Bernie Ecclestone heranzukommen. Dafür, dass er die Formel Eins nach Zeltweg zurückbrachte und für sein Lebenswerk sollte er mit einem Orden ausgezeichnet werden. Solch einer Ehrung muss jeder Erkorene aber zuerst zustimmen, und Ecclestone, der natürlich eine Geheimnummer und -adresse hat, war einfach nicht zu erreichen. Sein Büro antwortete nicht. Der große Tag rückte näher, und schließlich wurde eine Diplomatin zu jenem Pub ausgesandt, in dem, wie es hieß, Ecclestone mittags zu essen pflegte. "Zufällig sah ich ihn auf der Straße drei Häuserblöcke weiter, lief ihm nach, hielt ihm keuchend den Wisch hin und erklärte: Ich komme von der Österreichischen Botschaft. Wollen Sie den Orden?", schildert die Diplomatin ihre Mission. "Er sagte, ja, passt schon und unterschrieb mir meinen Wisch."

Die Autorin ist Korrespondentin in London.

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