Damit es bei der Einstiegsdroge bleibt

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In Österreich geht es darum, ein vollkommen privatisiertes System und damit den Einstieg in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft rechtzeitig zu stoppen.

Jahrelang hat es der Labour Party niemand zugetraut, Großbritannien aus dem Würgegriff der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher zu befreien. Als es dann doch geschah, hatte Tony Blair ein Land zu regieren, in dem so gut wie nichts mehr funktionierte. Das "Familiensilber" war verscherbelt, privatisierte Eisenbahnen sprangen aus den Gleisen, das Gesundheits- und Bildungssystem dümpelte auf Sparflamme vor sich hin. Und in den Gemeinden verkauften privatisierte Dienstleister den Liter Wasser zu horrenden Preisen und schlechterer Qualität als jemals zuvor. Ein Land zu regieren, in dem der neoliberale Zeitgeist so lange gewütet hatte, stellte die Sozialdemokratie vor neue Herausforderungen. Vieles konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden: Ein Mal verkauft, auf ewig verloren.

In Österreich stehen wir erst am Beginn dieses Prozesses. Ambulanzgebühren und Studiengebühren sind nicht das Ende der Wende, sondern "Einstiegsdrogen" in ein vollkommen privatisiertes System bei Gesundheit, Pensionen und Bildung. Wer es sich leisten kann, hat keine Probleme damit. Für die Mehrheit der Bevölkerung gehen jedoch soziale Sicherheit und gerechte Lebenschancen verloren. Noch ist Zeit, diese Entwicklung in Österreich zu stoppen. Noch sind die Bürgerinnen und Bürger nicht angesteckt von blinder Privatisierungswut. Ganz im Gegenteil: Die Mehrheit weiß ein soziales Netz, das öffentlich und solidarisch getragen wird, durchaus zu schätzen.

Daher befindet sich die SPÖ in einer ganz anderen Ausgangslage als New Labour oder die SPD vor einigen Jahren. Die Sozialdemokratie ist keine Kopieranstalt, in der Lösungsansätze, die in einem Land funktionieren mögen, sich so einfach auf andere Länder übertragen lassen. Für eine politische Bewegung, die den Fortschritt aktiv gestalten will, ist es aber selbstverständlich, ihre Positionen ständig neu zu überprüfen und der Realität anzupassen. Globalisierung und rasante Umwälzungen in der Arbeitswelt erfordern eben neue Antworten. Wer dabei mit dem neoliberalen Zeitgeist liebäugelt, ist schlecht beraten. Denn der freie Markt alleine produziert Güter in Hülle und Fülle, aber keine gerechte Verteilung. Dass die asiatische Näherin gerade mal 50 Cent für ein Hemd erhält, wird für eine globalisierte Welt zunehmend zum moralischen Problem. In den Stockwerken der zeitarmen "Leistungsträger" tauscht man Erfahrungen mit Herzinfarkten und New-Age-Wochenenden aus, während draußen auf der Straße die Arbeitslosen sinnieren, warum die Gesellschaft sie nicht braucht. Wer da vom Rückzug der Politik schwärmt, hat nichts verstanden. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr und bessere Politik, die den Markt zügelt und den Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt.

Natürlich hat der "Dritte Weg" von Blair und Schröder auch richtige Fragen gestellt. Gibt es "linke" und "rechte" Themen? Oder einfach nur Probleme, die auf Lösungen warten? Darf sich die Sozialdemokratie mit einer effizienten Kriminalitätsbekämpfung beschäftigen? Oder läuft sie dann Gefahr, ins Law-and-Order-Fahrwasser der Rechtspopulisten zu geraten? Ist das Bedürfnis nach persönlicher Sicherheit nicht genauso legitim wie das nach sozialer Sicherheit? Dass die Antworten darauf in den von Thatcher heruntergewirtschafteten Vororten von London mit extrem hoher Arbeitslosigkeit anders ausfallen als im sicheren und sozialdemokratisch regierten Wien, ist logisch.

Ganz im Einklang mit sozialdemokratischen Grundwerten steht es auch, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben, weil Solidarität und Zusammenhalt sonst zerfallen. Gleichheit soll es bei den Chancen geben, für das Ergebnis ist jeder Einzelne auch selbst verantwortlich. Also weg mit den Studiengebühren, weil sie Bildungschancen wieder von der Herkunft abhängig machen. Von jungen Menschen Leistung zu verlangen, ist weder falsch noch konservativ.

Auf diese Fragen muss jede sozialdemokratische Partei in Europa eigenständige Antworten finden, die mit unseren gemeinsamen Grundwerten übereinstimmen. In Österreich geht es darum, den Einstieg in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft rechtzeitig zu stoppen und eine Politik der gerechten Lebenschancen mehrheitsfähig zu machen. Genau dafür stehen Alfred Gusenbauer und die SPÖ.

Die Autorin ist Landeshauptmann-Stv. in Salzburg, Vorsitzende der SP-Salzburg und Stv. Bundesparteivorsitzende der SPÖ.

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