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Wer hierzulande "katholischer Publizist“ sagt, denkt sofort an Hubert Feichtlbauer. Der Homo politicus nimmt die großen Schwierigkeiten in Österreich und Europa wahr und ernst.Er lebt dennoch in der Gewissheit: Das Pendel wird sich wieder in die andere Richtung bewegen. Das Gleiche prognostiziert der Reformfreudige seiner katholischen Kirche.

Er ist katholisches wie journalistisches Urgestein. Von 1978 bis 1984 war er auch FURCHE-Chefredakteur. Am 7. Februar feiert er - unglaublich! - seinen 80. Geburtstag. Ein FUCRHE-Gespräch über die Welt und Gott.

Die Furche: Wenn Sie sich aussuchen könnten, in einer bestimmten Epoche zu leben: Welche würden Sie wählen?

Hubert Feichtlbauer: Ganz sicher die, die für mich jetzt zu Ende geht.

Die Furche: Was war daran so spannend?

Feichtlbauer: Da ist das Ende der Diktatur des Massenmörders Hitler und dann 1989 das Ende einer zweiten Diktatur des Stalin und seiner Epigonen: Allein dies erlebt zu haben, war gewaltig. Dazu das Hineinwachsen Österreichs in eine Demokratie, die viele Fehler und Mängel hat, aber der Menschenwürde ungleich mehr entspricht als jedes andere System. Dazu kam auch der Aufbruch in der katholischen Kirche. Das war ein so erfülltes Leben, dass ich mir schwerlich etwas Besseres hätte wünschen können.

Die Furche: Sie sind ein typischer Vertreter der Aufbaugeneration. Doch zurzeit ist von Aufbau keine Spur. Im Gegenteil …

Feichtlbauer: Es sind zweifellos Schwierigkeiten da. Aber die beweisen nur, dass sich die Geschichte in Pendelschlägen weiterentwickelt, dialektisch. Das Pendel wird sich wieder in eine andere Richtung bewegen. Ich bin weit davon entfernt, die Mängel der heutigen Situation zu verniedlichen. Aber ich glaube trotzdem an die Tatsache, die von Stammtischen bis zu Literaten mit großen Namen bestritten wird, nämlich: Dass wir aus der Geschichte lernen. Meine ganze Lebenserfahrung sagt mir, dass die Menschheit in dem mehr als halben Jahrhundert, das ich miterlebt habe, ein bisschen gerechter und menschlicher geworden ist. Ich bestreite entschieden, dass wir zwar einen Wissenszuwachs haben, aber keinen Zuwachs an ethischem Empfinden.

Die Furche: Katastrophenmeldungen kommen zurzeit von der Ökonomie: Ist das nicht die eigentliche Gefahr für die Demokratie?

Feichtlbauer: Sicher. Die jetzige Situation ist höchst unbefriedigend. Die Lösung wäre relativ leicht: Genauso wie 1989 nicht der Kapitalismus gesiegt hat, sondern der auf nationaler Ebene sozial und ökologisch gezügelte, müsste es möglich sein, im internationalen Bereich die Marktwirtschaft sozial und ökologisch mit einem Rahmen zu versehen, um zu verhindern, dass die Spekulanten kassieren. Das zu einer Eindämmung der Exzesse, die wir erleben, führen könnte.

Die Furche: Daran knüpft sich die Frage nach Europa: Auch diese Idee Ihrer Generation ist in der Krise. Wird sie überleben?

Feichtlbauer: Davon bin ich überzeugt. Wir werden nicht zu den Nationalismen zurückkehren. Die Idee der Integration der europäischen Staaten zu einem größeren Ganzen ist unzerstörbar. Ich sage nicht, dass die heutigen Institutionen unzerstörbar sind und auch nicht, dass diese Idee nicht mit Um-, Irr- und Abwegen konfrontiert ist. Aber es wird weitergehen. Auch die europäische Einigung vollzieht sich dialektisch: Auf der einen Seite nehmen die gemeinsam zu regelnden Agenden zu und auf der anderen gibt es einen Hang zur Regionalisierung, zu einer grenzüberschreitenden Erledigung von Dingen, die nicht zentral geregelt werden müssen. Ich habe auch als Junger erlebt, wie nach 1945 junge Menschen Grenzpfähle zwischen Deutschland und Frankreich angezündet haben. Seither hat sich der Gedanke immer mehr durchgesetzt hat, dass diese Integration notwendig ist. Es geht nicht alles über Nacht und auch nicht ohne Irrtümer. Aber es wird gehen!

Die Furche: Die politischen Krisensymptome gelten auch für die katholische Kirche.

Feichtlbauer: Leider ja. Einschließlich der Tatsache, dass für die sinnvolle Weiterentwicklung der Gesellschaft hier wie dort die Leitpersonen fehlen: Mittelmäßige Protagonisten haben mehr Mühe als Charismatiker, die Dinge weiterzubringen. Bei der Kirche gibt es da verschiedene Erklärungen: Es heißt etwa, die da oben wissen nicht, wovon sie reden, weil sie keine Ahnung haben von der Wirklichkeit. Ich meine: Ein bisserl Ahnung haben sie schon, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist. Aber sie trauen sich nicht. Es fehlt der Mut und die Vision: Ja, wir nehmen wieder einige Risiken auf uns und drehen die Dinge weiter. Da steht ein hochgebildeter Theologe wie der jetzige Papst einem Papst im Wege, der diese Änderungen befördern sollte. Den Theologen fällt ununterbrochen ein, warum das und jenes nicht geht. Und warum man lieber zurück- als vorwärtsdrehen sollte. Aber ich bin sicher, einer wird damit Schluss machen und überhaupt mit der Idee, dass eine Person - und sei sie noch so gebildet und mit Amtsgnade ausgestattet - über eine Milliarde Mitglieder zentral leiten kann. Das haben sogar die Chinesen erkannt - die haben den Tibetern mehr Autonomie eingeräumt als der Vatikan den einzelnen Diözesen. Dezentralisierung, Kollegialisierung, Synodalisierung werden kommen. Es kann nicht so weitergehen wie jetzt, wo manche Themen sogar der Diskussion entzogen werden.

Die Furche: Erst dieser Tage hat sich Benedikt XVI. bremsend zur Ökumene geäußert.

Feichtlbauer: Was mich in der ökumenischen Diktion der katholischen Kirche aufregt, ist der ständige Hinweis: Die Einheit kann nur durch Gott kommen. Das heißt, man muss sich nicht anstrengen, und wenn sie nicht kommt, dann will Gott sie nicht. Es ist natürlich eine Pflicht der handelnden Führungspersonen, die Dinge weiterzubringen. Bei allem betrübliche Stocken wird etwa die gemeinsame Feier des Herrenmahls nicht aufzuhalten sein.

Die Furche: Viele gehen weg aus dieser Kirche. Vielleicht gibt es da diejenigen, die etwas verändern können, bald gar nicht mehr.

Feichtlbauer: Genauso wie ich mich heute wundere, wie viele stockkonservative junge Katholiken da sind, weil die anderen offenbar schon weg sind, genauso wird es einmal wieder in die andere Richtung gehen. Die derzeitige Situation haben diejenigen zu verantworten, die die Besorgten vertrieben oder zum Resignieren gebracht haben.

Die Furche: Sie haben nach dem Konzil zum katholischen Mainstream gehört. Sie sind dann aber - vom Blickwinkel der offiziellen Kirche aus - an den "Rand“ gewandert …

Feichtlbauer: … und wurde mit der Frage konfrontiert: Warum gehst du nicht zu den Evangelischen - da sind deine Forderungen ja erfüllt und du kannst eine Ruh geben? Ich lasse mich aber nicht aus einer Institution hinausdrängen, die mich ein ganzes Leben lang geprägt hat und zum Dach über der Seele wurde. Man lässt sich das Dach, das einen bisher geborgen hat, nicht wegnehmen.

Die Furche: Schmerzt es Sie aber nicht, dass eine Institution, die dem Nationalsozialismus und auch dem Kommunismus widerstanden hat, sich bis heute von den eigenen totalitären Elementen nicht lösen kann?

Feichtlbauer: Dies ist sehr betrüblich und belastend. Nur der Versuch, über den Augenblick, sprich: eine Periode der päpstlichen Leitung oder eine kulturgeschichtliche Periode hinaus zu denken, kann die Zuversicht aufrechterhalten. Ich denke da an Charles Péguy, der gesagt hat: Die Hoffnung, die kleine Schwester von Glaube und Liebe, sollte man nicht gering schätzen. Und schon bei Paulus kann man lesen: Wir sind nicht wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Das ist unauslöschlich und unzerstörbar. Auch einen Satz von Václav Havel vergesse ich nie: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat. Egal wie es ausgeht.

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