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„Das bringt nur Probleme”
Michael Graff, langjähriger OVP-Justizsprecher und Scheidungsanwalt, sieht keine Bedarf für ein „Pensions-splitting”.
DIeFüRCHE: Zeigt sich in Ihrer Anwaltspraxis der Bedarf nach einem Pensionssplitting? graff: Nein. Und mit plakativen Hinweisen auf Frauenrechte allein ist es auch nicht getan. Es müßten konkrete Vorschläge gemacht werden. Ich bin jedenfalls skeptisch. i
DIEFURCHE: Die Befiirworter eines Pensionssplittings verweisen gerne auf das deutsche Modell...
Michael Graff: So ein System gibt es dort seit Jahrzehnten. Es hat sich aber gezeigt, daß die Scheidungsverfahren länger dauern und mit noch mehr Sorgen und Kränkungen einhergehen.
DIE FURCHE: Kann man jemanden seine erworbenen Pensionsansprüche einfach wegzunehmen^ ■ graff: Im Gegenteil, das birgt eine Reihe von Schwierigkeiten. Das Gespräch führte Elfi Thiemer.
M. Graff
Reuter
sondern auch die erworbenen Pensionsanwartschaften zur Hälfte abgeben müßte. Der kinderlose Kollege, der gleich viel verdient, hat nicht nur das gesamte Geld zu seiner alleinigen Verfügung, sondern kann auch auf die volle Pension vertrauen. Ist er verheiratet, wird die Ehefrau im Zweifel ohne Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit nachgehen; ein etwaiger Versorgungsausgleich würde ihn daher nur minimal belasten.
■ Der Versorgungsausgleich läuft im Falle eines Alleinverdieners mit Familie letztlich darauf hinaus, daß zur (angeblichen) Besserstellung der kindererziehenden Frau, die wegen dieser Tätigkeit keine Beitragszeiten erworben hat, der genannte Allein-Verdiener, welcher ohnehin schon in der Zeit der aufrechten Ehe kräftig zugunsten der anderen Familienmitglieder umverteilen mußte, noch zusätzlich zur Kasse gebeten wird. Ihm werden erworbene Anwartschaften genommen, er kann sie ja „nachkaufen”. Das heißt, es kommt lediglich zu einer Lastenverschiebung innerhalb der bereits durch Familienlasten Belasteten: Die wirklich Privilegierten, das heißt, die Kinderlosen und Kinderarmen, werden hingegen weiterhin vor jeder Umverteilung geschützt. Sozialpolitisch ist das ein untragbares Ergebnis.
■ Sozialpolitisch ist zur Entschärfung des Versorgungsproblems geschiedener Frauen vielmehr ein anderer Weg zu beschreiten. Es ist der schon im Rahmen der 51. ASVG-Novelle im,Jahre 1993 eingeschlagene Weg (Einführung von Versicherungszeiten für die Zeiten der Kindererziehung) konsequent fortzusetzen, indem der kindererziehenden Frau (oder Mann) für jedes Kind zumindest sechs Versicherungsjahre anzurechnen und die hiefür vorgesehene besondere Bemessungsgrundlage von derzeit etwa 6.000 Schilling auf den Durchschnitt der jeweiligen ASVG-Beitragsgrundlagen anzuheben wären.
Pensionsabschläge bei Kinderlosen
Im Beispielfall von Prinz wären zwölf Jahre gutzuschreiben, wobei pro Jahr ein Steigerungsbetrag von 1,9 Prozent der erhöhten besonderen Bemessungsgrundlage an Pension für diese Zeit zustünden. Zusammen mit den 20 erdienten Beitragsjahren wäre die Gesamtpension schon wesentlich höher als jene aufgrund des von Prinz vorgeschlagenen Splittings. Im Gegenzug könnte man die Witwenbeziehungsweise Witwerpensionen abschaffen. Ob freilich die dadurch freigewordenen Summen ausreichen, um die Kindererziehungszeiten abzudecken, ist fraglich. Man wird daher nicht umhin können, ernsthaft über Abschläge bei der Pension der Kinderlosen nachzudenken. Einen Versorgungsausgleich für kinderlose Ehefrauen halte ich ohnehin für nicht erforderlich, da diesen eine Jobsuche zumutbar ist. Nur dann, wenn sie allein den Haushalt versorgen, wäre ein Versorgungsausgleich gerechtfertigt. Solche Fälle wären aber die ganz große Ausnahme.
Fazit ist, daß der Versorgungsausgleich nicht der beste Weg ist, mehr geschlechtsspezifische Verteilungs -gerechtigkeit herzustellen. Es handelt sich um ein rechtstechnisch, rechtspolitisch und (vor allem) sozialpolitisch problematisches, ja bedenkliches Bechtsinstrument. Es pönalisiert die Familien mit Kindern und privilegiert die Kinderlosen beziehungsweise Kinderarmen.
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