DAS GEFLÜSTER DER SCHLANGEN

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Füreinander Einstehen war hierzulande doch ein anerkanntes Ideal. Nicht, dass es stets gelungen wäre, aber als Prinzip schien es nicht in Frage gestellt. Dem Wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind, entsprach das System Umverteilung. Es galt nicht zu zählen, wieviel man hineingibt und wieviel man herausbekommt, sondern dafür zu sorgen, dass es möglichst allen hilft, möglichst gut zu leben. Das ist nicht unbedingt sozialistisch, das kann man auch christlich nennen oder konservativ oder sinnvoll. Denn eine Gesellschaft, die nicht danach lebt, wird über kurz oder lang Probleme bekommen.

Aber andere Narrationen nehmen zu. Beispiel Steuer: Statt Beitrag fürs Gemeinwesen ist sie nun Wegnahme von etwas, was einem zusteht. Was aber passiert mit einem Staat, der seine Bürger nicht erinnert, dass sie füreinander da sind, sondern der sie gegeneinander ausspielt? Was werden wir mit jenen tun, die durch größer gemachte Löcher des sozialen Netzes fallen? In der Sprache gefragt, die der Neoliberalismus versteht: Kostet uns das (die Folgen) dann nicht viel mehr?

Der Narzissmus blüht, Ergebnis von jahrelangem Schlangengeflüster: Wieso sollen wir teilen mit jenen, die weniger leisten als wir? Oder mit den Anderen von anderswo? Als würde Herkunft Würde und Menschenrecht bestimmen. Als würde Heimat sicher werden, wenn man andere dem Krieg, dem Hunger, dem Chaos überlässt. "Früher oder später wird man in der Heimat ernten, was man in der Ferne gesät hat", schreibt Achille Mbembe in "Politik der Feindschaft". Seine Fragen begleiten ins neue Jahr: "Gibt es irgendetwas, das uns mit Anderen verbände, sodass wir gemeinsam sagen könnten, dass wir sind? Welche Formen könnte diese Fürsorge annehmen? Ist eine andere Weltpolitik möglich, die nicht notwendig auf Unterschied oder Andersheit basierte, sondern auf einer sicheren Idee des Mitmenschlichen und Gemeinsamen?"

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