Das Hochamt der Zivilreligion

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Wie Amerika Politik mit religiösen Versatzstücken vereint.

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Wie Amerika Politik mit religiösen Versatzstücken vereint.

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"Renewing America's Promise" - "Das amerikanische Versprechen erneuern": So lautet das Motto der Inauguration von Barack Obama und Vize Joe Biden, die am 20. Jänner, 12 Uhr Ortszeit, vor dem Kapitol in Washington D.C. den Amtseid leisten. Der Slogan hat wie vieles in der öffentlichen Sprache der USA eine religiöse Konnotation. Christen mögen sich da etwa an die Tauferneuerung erinnern. Kein Wunder also, wenn der APA-Korrespondent davon spricht, "die nach wie vor mächtigste Nation der Erde" feiere ihre "Krönungsmesse".

Die Zahlen, die rund um die Feiern herumgeistern, sprengen alle Rekorde: Zwischen zwei und fünf Millionen Menschen, die nach Washington kommen werden, liegen die Schätzungen der Medien. Während solche Superlative vorab kaum zu verifizieren sind, stimmt die Zahl der 240.000, die eine der begehrten Freikarten für Plätze in Kapitolnähe erhalten haben und vielleicht einen direkten Blick auf Obama erhaschen können.

Auf eine Bibel Abraham Lincolns

Das eigentliche Zeremoniell ist schlicht - und dennoch voll religiöser Symbolik: Ein Gebet wird gesprochen, den Amtseid legen zuerst Joe Biden und dann Barack Obama auf eine Bibel Abraham Lincolns ab. Lincoln deswegen, weil heuer sein 200. Geburtstag begangen wird - und weil der 16. Präsident der USA auch derjenige war, der das Ende der Sklaverei verkündete: 146 Jahre dauerte es dann noch, bis nun der erste Farbige als Präsident ins Weiße Haus einziehen kann.

Die religiösen Komponenten auch dieses 20. Jänners sind ein eindrucksvolles Zeugnis der Zivilreligion in den USA. Unter Zivilreligion werden (quasi)religiöse Elemente subsumiert, die auch ein im Prinzip säkulares Gemeinwesen zusammenhalten und zu dessen Identitätsstiftung beitragen können.

Nation, durch "Gott" verbunden

Die Vereinigten Staaten haben ein ganzes zivilreligiöses Repertoire entwickelt, das für Europäer oft befremdlich wirkt, für die Amerikaner aber als Selbstverständlichkeit gilt. Geldscheine mit der Aufschrift "In God We Trust" gehören ebenso zum Alltag wie das Schlagwort "God Bless America", das landauf, landab zu finden ist, auch in Schulen und öffentlichen Gebäuden. Jeden Morgen sprechen Amerikas Schüler die "Pledge of Allegiance", die auch bei zahlreichen öffentlichen Anlässen wiederholt wird. Männer nehmen dabei alle nichtreligiösen Kopfbedeckungen ab und legen die rechte Hand aufs Herz - und alle versprechen "der Fahne der USA" und dabei auch der "Republik, für die diese steht - eine Nation unter Gott" die Treue.

Es gab und gibt Versuche von Nichtgläubigen, diesen Gottesbezug - der nicht näher spezifiziert ist - über Gerichtsverfahren in Frage zu stellen. Letztlich ohne Erfolg. Denn - so analysiert etwa der deutsche Politikwissenschafter und USA-Kenner Rainer Prätorius: "Wer nicht an Gott glaubt, begibt sich in der US-Gesellschaft ins Abseits, weil er offenbar etwas aufkündigt, das zum Wir-Gefühl eines verbindenden, Nationalcharakters' gehört."

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