"Das ist ein klarer Rückschritt"

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Streitgespräch zwischen Innenministerin Maria Fekter und Caritas-Präsident Franz Küberl über das humanitäre Bleiberecht, den "Anti-Fekter-Reflex" und die beschleunigte Abschiebung von Dieben und anderen Kleinkriminellen in "sichere" Staaten.

Innenministerin Maria Fekter hat eine Gesetzesnovelle zum Aufenthaltsverfahren vorgestellt. Dabei kommt es, zum Unmut zahlreicher Flüchtlingsorganisationen, zu einem Erlöschen des "humanitären Bleiberechts" in der bestehenden Form. Bereits das herkömmliche Asylverfahren soll in Zukunft die "humanitären" Aspekte prüfen. Allerdings gibt es Ausnahmen: Über das Bleiberecht von Asylwerbern, die vor 2003 ihren Erstantrag gestellt haben, sollen künftig die Landeshauptleute entscheiden. Der Entwurf ermöglicht die Einrichtung von beratenden Beiräten für den Landeshauptmann. Um eine Chance auf einen positiven Bescheid zu erhalten, muss der Asylwerber allerdings eine Beschäftigungsgarantie oder einen "Paten" vorweisen, der für den Asylwerber und alle anfallenden Kosten für fünf Jahre bürgt. Die Caritas protestierte scharf gegen die Novelle. Die FURCHE lud Fekter und Caritas-Präsident Franz Küberl zum Streitgespräch.

Die Furche: Frau Minister, Caritas-Präsident Küberl hat über Ihren Vorschlag zur Änderung des Bleiberechts gesagt, das sei ein weiterer Rückbau des Sozialstaats, ein absurder Vorschlag, der zudem noch verfassungs- und menschenrechtswidrig ist. Kümmert Sie das?

Maria Fekter: Ja, natürlich kümmert mich das. Man spricht mir Rechtsstaatlichkeit ab und unterstellt mir verfassungswidriges Vorgehen. Das trifft mich sehr. Ich habe die Caritas-Stellungnahme geprüft und festgestellt, dass es diese Wortmeldung schon gab, bevor der Entwurf vorlag. Ich bin überzeugt, der Präsident ändert seine Meinung, wenn er den Entwurf genau liest.

Franz Küberl: Ich meine schon, mich genau informiert zu haben. Der Kern meiner Kritik richtet sich gegen die Patenschaft (Privatpersonen sollen eine finanzielle Bürgschaft für Fremde/Asylwerber für die Dauer von fünf Jahren übernehmen, Anm.). Hier werden staatliche Aufgaben durch private Patenschaften ersetzt. Das Bleiberecht wird zu einer Geldfrage Dritter gemacht. Ich bin nicht sicher, ob alles überdacht wurde in diesem Gesetz.

Fekter: Sie sprechen nur einen kleinen Teil des Gesetzesentwurfs an. Der wesentlich größere Aspekt ist aber, wie wir mit den humanitären Kriterien umgehen. Wir haben da sehr umfangreich all das eingebaut, was der Verfassungsgerichtshof moniert hat. Die humanitären Aspekte werden bereits im laufenden Verfahren berücksichtigt. Wir haben eine eigene Definition bezüglich der Opfer. Alle Asyl- und Migrationsfragen wurden aufgenommen. Es gibt eine Heilung von Verfahrensmängeln. Wir haben etwa die Inlandsantragstellung für Minderjährige mitnormiert. Zu sagen, das sei ein Rückbau des Rechtsstaates, ist nicht fair. Über jene Fälle, die seit mehr als fünf Jahren als reine Wirtschaftsmigranten im Land sind, soll künftig der Landeshauptmann entscheiden. Er kann auch ein beratendes Gremium, einen Beirat einsetzen.

Die Furche: Was passiert, wenn ein Landeshauptmann den Beirat nicht einrichtet? Bleibt der Fall dann einfach liegen, wie manche fürchten?

Fekter: Da ist vieles in den Medien falsch dargestellt worden. Viele Kritiker haben einfach einem "Reflex gegen die Fekter" gehorcht und den Entwurf gar nicht gelesen. Wenn es einen Antrag eines Asylwerbers gibt, muss der Landeshauptmann entscheiden.

Küberl: Dass der Landeshauptmann selbst entscheiden kann, nehme ich gerne zur Kenntnis. Aber mir geht es zentral um den Punkt der Haftungsübernahme, der Patenschaft für Fremde. Das sind ein paar hundert Fälle, vielleicht tausend.

Fekter: Es geht um mehrere tausend Fälle.

Küberl: Mein Punkt ist: Die Regelung kommt eigentlich aus dem Visabereich. Die Caritas etwa übernimmt öfter die finanzielle Haftung für Kinder, die zu Besuch nach Österreich kommen. Dabei handelt es sich aber im Normalfall um einen sehr kurzen Zeitraum - höchstens drei Monate. Bei der Patenschaft hingegen weiß man gar nicht, wie lange das Verfahren dauert. Und was ist, wenn der Asylwerber einen Unfall hat, muss dann der Bürge alles zahlen? Das ist ein Rückschritt, weil in Wirklichkeit nur sehr reiche Leute die Haftung übernehmen können.

Fekter: Das sehe ich nicht so. Wenn sich der Antragsteller selbst erhalten kann, gibt es gar kein Problem. Wenn er oder sie also einen Arbeitsplatz hat. Problematisch wird es nur bei jenen, die sich nicht selbst erhalten können, die von Anfang an Sozialfälle waren. Da gibt es auch Probleme bei der sozialen Integration. Wenn in diesem Fall aber jemand die Patenschaft übernimmt, dann gibt es auch Aussichten, dass Integration stattfinden wird. Es geht aber nicht, dass für Wirtschaftsmigranten, die sich nicht erhalten können, der Steuerzahler aufkommen muss, während andere Migranten, die einen Arbeitsplatz gehabt hätten, nach Hause geschickt werden. Ich meine hier Familien, die ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen gekommen sind und bei denen jeder Bescheid negativ war. Ich weiß von Fällen, in denen es bis zu 104 negative Entscheide gibt. Sollen wir diese Behörden-Verfahren jetzt alle ignorieren, nur weil ein paar Leute sagen, die Asylwerber sind so lieb, die sollen bleiben dürfen?

Küberl: Ich weiß schon, dass nicht die ganze Welt in Österreich bleiben kann. Aber es gibt auch Fälle nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach es möglich ist, dass Menschen, die über fünf Jahre im Land sind, aus humanitären Gründen bleiben dürfen. Wir haben in den vergangenen Jahren Fälle gehabt, wo alles zerrissen ist. Etwa im Fall Arigona Zogaj. Da ist alles kaputt. So kann man es auch machen. Unser Ziel sollte aber sein, es besser zu machen.

Fekter: Jetzt kommen wir aber wirklich in ein Streitgespräch. Ihre Ansicht ist: Wenn jemand fünf Jahre da ist, dann soll er automatisch bleiben dürfen. Da bin ich zu hundert Prozent anderer Meinung. Ich bin strikt dagegen, hier eine Automatik einzubauen.

Küberl: Das habe ich nie gefordert.

Fekter: Alle Staaten, die solche gesetzlichen Automatismen eingebaut haben, hatten innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums größere Probleme als vorher. Das ist eine Einladung an Schlepperorganisationen, noch mehr Menschen hereinzubringen. Nach dem Motto: Tauch unter und schau zu, dass du dich durch möglichst viele Anträge über die Zeit rettest, irgendwann kommt ohnehin eine Amnestie mit automatischem Bleiberecht.

Küberl: Nein, nein! Ich habe nie behauptet, dass es ein automatisches Bleiberecht geben soll. Ich habe gesagt, dass nach fünf Jahren eine Prüfung stattfinden sollte.

Fekter: Aber das tun wir ja mit diesem Gesetz. Ich meine nur: Wenn die Aufenthaltsjahre nur dadurch zustande kamen, dass man hunderte Anträge gestellt hat, obwohl man wusste, dass man nicht bleiben darf, dann dürfen sich die Antragsteller nicht darauf berufen, dass das Verfahren schon so lange gedauert hat und sie deshalb bleiben dürfen. Denn sie selbst sind ja die Verursacher dieser langen Dauer.

Die Furche: Präsident Küberl, Ministerin Fekter sagte in einem Interview, bei straffälligen Asylwerbern müsse es eine schnellere Abschiebung in sichere Herkunftsländer oder Drittstaaten geben können, auch ohne rechtskräftiges Urteil. Ist das für Sie akzeptabel?

Küberl: Grundsätzlich bin ich damit einverstanden, dass jemand, der Straftaten begeht, auch dafür zur Verantwortung gezogen wird. Aber wir kommen in des Teufels Küche, wenn damit Recht abgeschnitten wird.

Fekter: Geltendes Recht ist, dass man bei schweren Straftaten bereits abschieben kann, bevor das Asylverfahren fertig ist. Diese Regelung ist sehr eingeschränkt, das betrifft nur Morde und andere Schwerverbrechen. Unser viel größeres Problem ist aber die organisierte Kriminalität, Diebstahl, Einbruchsdiebstahl, Raub. Da gibt es Fälle, in denen Täter bereits mehrmals rechtskräftig verurteilt sind, und die lachen sich ins Fäustchen und sind immer noch da, weil das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ich muss ehrlich sagen: Dass ich kriminelle Moldawier oder kriminelle Tschetschenen, die zu Hause überhaupt nicht verfolgt sind, nicht nach Hause schicken darf, dafür fehlt mir das Verständnis. Wer in Österreich Verbrechen begeht, kann sich nicht auf Asyl berufen. Daher soll es beschleunigte Verfahren bereits ab Anklageerhebung geben, nicht erst bei Verurteilung, und eine Möglichst rasche Rückkehr ins Herkunftsland.

Küberl: Wenn jemand eine Straftat begeht, wird das Asylverfahren ohnehin schon beschleunigt. Normalerweise ist es ja auch so, dass das Verfahren fertig ist, wenn einer seine Strafe abgesessen hat. Das ist dann eine Frage der Verfahren. Ich bin nur sehr skeptisch, ob Verfahrensabkürzungen auf Dauer sehr vernünftig sind.

Fekter: Wir leiden ja darunter, dass die Asyldebatte immer unter dem Blickwinkel der Sicherheit gesehen wird. Wenn aber die Menschen nicht kommen, weil sie Asyl suchen, sondern als Räuber und Diebe oder Einbrecher, und nur weil sie geschnappt werden, Asyl beantragen, dann muss ich sie relativ rasch außer Landes bringen. Damit alle wissen, dass sich das Asylargument nicht lohnt, wenn man kriminell ist.

Küberl: In großen Teilen bin ich einverstanden, aber wenn jemand eine Straftat begeht und im Gefängnis sitzt ...

Fekter: Aber nein! Von den Kriminellen, die sogenannte Massendelikte begehen, haben doch die meisten nur bedingte Haftstrafen oder Geldstrafen, die sitzen gar nicht in Haft. Unser System setzt ja auf Reintegration. Diese Leute sind aber nicht zu integrieren.

Küberl: Ich würde hier wirklich empfehlen, dass die Asylverfahren mindestens so schnell abgeschlossen werden wie die Strafverfahren. Ich glaube nur, dass es nicht gescheit ist, das Rechtsverfahren auf halber Strecke zu beenden.

Fekter: Wir sind hier auf einem guten Weg, die Asylverfahren tatsächlich zu beschleunigen, so dass wir in drei Jahren Asyl und Strafverfahren gleich schnell abwickeln können.

Küberl: Ihr Wort in des Asylgerichtshofs Ohr. Ich bin im Jahr 2000 bei einem Ihrer Amtsvorgänger gesessen. Erster Punkt meines Gesprächs damals: Beschleunigung der Asylverfahren. Wenn ich noch erleben darf, dass die Verfahren wirklich beschleunigt werden, wäre das in Ordnung.

Fekter: Da treffen wir uns ja punktgenau.

Die Furche: Noch eine Nachfrage an Sie, Frau Minister. Kärnten steckt Asylwerber in ein Quartier auf die Saualm. Was halten Sie davon?

Fekter: Prinzipiell ist die Grundversorgung der Asylwerber Landessache. Kärnten hat hier ein Quartier zur Verfügung gestellt, das ziemlich abgelegen ist. Landeshauptmann Dörfler sagte mir, er bringe nur jene dorthin, gegen die ein erhärteter Verdacht auf kriminelle Handlungen bestünde. Außerdem hat er angefragt, ob Kärnten Informationen über eventuelle Straftaten von Asylwerbern erhalten kann. Wir haben größte Bedenken, polizeiliches Datenmaterial weiterzugeben. Legistisch ist das nicht möglich. Außerdem: Straffällig ist jemand erst dann, wenn er verurteilt ist.

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