"Das Motiv ist fördern, nicht gettoisieren“

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Jahrelang unterrichtete Mechtild Lang an einer Handelsakademie. Heute ist die pensionierte Lehrerin Vorsitzende des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien und bringt sich in die bildungspolitische Debatten ein.

Die Furche: Sie befürworten spezielle Vorschulklassen für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können. Warum?

Mechtild Lang: Wenn Kinder nicht gut genug Deutsch können, ist jedes Lernproblem um Ecken größer. Es ist wichtig, dass alle Kinder die Sprache können, die ihre Eltern sprechen, und auch darin alphabetisiert werden. Wenn aber in der Schule die Disharmonie mit Kindern, die perfekt Deutsch können, zu groß ist, muss man den anderen eine Förderung geben, bevor sie lesen und schreiben lernen. Und die erste Klasse beginnt eben mit Buchstaben. Da hat es keinen Sinn, Kinder mit Sprachdefiziten diese Klasse wiederholen zu lassen. In der Vorschule sind die Lehrinhalte anders. Man lernt spielerisch. So können Kinder die Sprachstruktur erlernen, bevor sie Buchstaben schreiben.

Die Furche: Sollte es solche Vorschulklassen in ganz Österreich geben, oder nur in urbanen Ballungsräumen?

Lang: Es hängt nicht von der Wohngegend ab, sonden von den Bedürfnissen der Kinder. Ob es spezielle Vorschulklassen gibt, muss davon abhängen, wie viele Kinder es brauchen. In Wien könnte man auch Kinder aus mehreren Schulen in einer gemeinsamen Vorschulklasse zusammenfassen.

Die Furche: Kritiker halten Spezialklassen für Ausländer-Kinder für diskriminierend. Verstehen Sie den Einwand?

Lang: Nein. Denn das Motiv ist nicht, die Kinder zu gettoisieren, sondern zu fördern. Wenn man individuell auf jedes Kind eingehen will, hat ein Kind mit nicht-deutscher Mutterprache eben andere Bedürfnisse, als eines, in dessen Familie ihm schon jahrelang auf Deutsch vorgelesen wurde.

Die Furche: Sie schlagen auch vor, den Deutschunterricht zu teilen, wenn in einer Klasse mehr als die Hälfte der Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch hat. Was versprechen Sie sich davon?

Lang: Englisch als Fremdsprache wird jetzt in kleinen Gruppen unterrichtet, wo jedes Kind möglichst viel zum Sprechen kommt. Nach dem selben pädagogischen Prinzip muss in Volksschulen auch Deutsch unterrichtet werden, wenn es für viele eine Fremdsprache ist. Es soll keine Leistungsgruppen geben, sondern Kleingruppen, in denen Kinder aller Sprachniveaus gemeinsam lernen. So werden die Kinder mit Sprachdefizit besser gefördert. Wer schon sehr gut Deutsch kann, wird in seinem Wissen gefestigt. (dol)

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