Das Recht sich einzumischen

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Die NATO-Militäraktion läßt sich durchaus auch völkerrechtlich legitimieren.

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Die NATO-Militäraktion läßt sich durchaus auch völkerrechtlich legitimieren.

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Was den Kosovo-Konflikt anlangt, so hat sich große Verwirrung breitgemacht. Vor allem über den rechtlichen Hintergrund kommt in den Medien wenig Klares und viel Falsches herüber. Auslöser war der ORF. Dort hat eine Stimme aus der Wissenschaft den Eindruck zu erwecken vermocht, als spreche sie für das Völkerrecht schlechthin. Deren - unkritisch übernommene - Auffassung, die NATO-Aktion sei eine schwere Verletzung der UNO-Satzung und damit des Völkerrechts, ist schon fast zum Axiom geworden.

Wie aber konnte sich der Standpunkt, eine Minderheit müsse solange der Willkür und dem Terror des Mehrheitsvolkes eines Staates hilflos ausgeliefert bleiben, bis sich alle Großmächte im Sicherheitsrat über ein Eingreifen einigen, selbst wenn dies bis zum St. Nimmerleinstag dauert (ein Standpunkt also, der ethnische Säuberungen, ja, den Genozid in Kauf nimmt), eine solche Breitenwirkung verschaffen? Warum klammern sich so viele an das angebliche Gewaltmonopol der UNO und ignorieren das ja auch in der Satzung verankerte Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung, obwohl dasselbe dort als "naturgegeben" bezeichnet wird und es nicht einmal großen Einfallsreichtums bedarf, in Analogie dazu auch ein naturgegebenes Recht anzunehmen, den Kosovaren gegen die Unterdrückung durch die serbische Regierung beizustehen? Daß die Aggression hier nicht zwischenstaatlich, sondern innerstaatlich erfolgt, macht sie ja deshalb noch nicht zu einer inneren Angelegenheit Jugoslawiens, in die niemand eingreifen dürfte. Dies zeigt auch eine Sicherheitsratsresolution aus dem vergangenen Jahr, wo der Konflikt im Kosovo als Bedrohung des Friedens für die ganze Region qualifiziert wird. Auch auf die Anti-Völkermord-Konvention von 1948 kann verwiesen werden, nach welcher die Vertragsparteien bestätigen, "daß Völkermord, ob im Frieden oder Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist, zu dessen Verhütung und Bestrafung sie sich verpflichten".

Glaubwürdigkeit In der Diskussion wird vielfach die mangelnde Glaubwürdigkeit der NATO-Staaten ins Treffen geführt. Man messe dort mit zweierlei Maß, wenn man gegen Serbien wegen der Unterdrückung der albanischen Minderheit im Kosovo vorgehe, der Türkei aber gleichzeitig gegen die Kurden freie Hand lasse. Dieser beklagenswerte Doppelstandard macht aber die Greuel gegen die Kosovaren nicht weniger rechtswidrig, weil niemand seine Übeltat mit dem Argument rechtfertigen kann, es gebe noch andere Übeltäter. Richtig ist, daß es auf der Welt noch viele Eiterbeulen gibt; aber soll man sich darüber beklagen, daß eine aufgestochen wird, nur weil die anderen fürs erste unbehandelt bleiben? Im übrigen wird eine gerechte Lösung im Kosovo langfristig auch Signalwirkung für die Kurden und andere ähnlich gelagerte Fälle haben; ein Scheitern im Kosovo würde umgekehrt das Los von Minderheiten weltweit auf lange Zeit verschlechtern.

Der Autor ist Professor an der Johannes Kepler Universität Linz und Dekan deren Rechtswissenschaftlicher Fakultät.

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