Das Resultat roter Politik ist eine Blamage

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Die Fehlentwicklungen, die in eigener Regie erfolgen, untergraben die Glaubwürdigkeit des Rest-Sozialismus, den man noch anzubieten vermag.

Das Ende der sozialdemokratischen Ära, die Ralf Dahrendorf schon für die achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts als beendet erklärte, scheint sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts vollends und in immer mehr europäischen Ländern zu bestätigen. Wo sind die Zeiten, da ein Kreisky, ein Brandt und ein Palme die Geschicke ihrer Länder bestimmen und auf dem internationalen Parkett dominieren konnten?

Wenn man sich nach den länderübergreifenden tieferen Ursachen dieses Rückganges der einstigen Macht und Herrlichkeit fragt, stößt man auf einige gemeinsame Wurzeln der Abwanderungsbewegung der Wähler, die das Pendel der politischen Gunst wieder mehr nach rechts ausschlagen lassen: Zum einen ist es das Gefühl, dass die Sozialdemokratie ihre historische Leistung der Etablierung des Wohlfahrtsstaates längst vollbracht hat, dieser Wohlfahrtsstaat aber an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit angelangt ist und ein Umbau, der auch ein teilweiser Abbau ist, unerlässlich erscheint. Zum anderen hat sich herausgestellt, dass sich die Verstaatlichung der Wirtschaft, die alle ökonomischen und Verteilungsprobleme lösen sollte, nicht bewährt hat. Der Sozialismus als komplettes Gegenkonzept zur kapitalistischen Wirtschaft, als der er ursprünglich gedacht war, hat versagt und steht nicht mehr zur Debatte.

Es geht nur mehr darum, welche politische Kraft und welches politische Konzept mit dem Kapitalismus, der sich als resistent erwiesen hat, besser und sozial verträglicher umgehen kann. Lange Zeit schien die Erfüllung dieser Aufgabe der keynesianisch orientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik der Sozialdemokratie besser zu gelingen, als den wirtschaftsliberalen Kräften und Parteien. Doch eine zu lange Periode sozialdemokratischer Herrschaft zieht die Übel der Bürokratisierung, des Zentralismus und der Verschwendung öffentlicher Gelder nach sich, ähnlich wie eine zu lange konservativ-monetaristische Politik, wie sie in der Ära Thatcher in Großbritannien vorherrschend war, zu sozialer Ungleichheit und Kälte führt, die wieder die linken Gegenkräfte auf den Plan rufen.

Inmitten dieses Auf und Ab politischer Zugänge und Instrumentarien wird die Sozialdemokratie nicht nur durch die Grenzen und Folgen ihrer Einwirkung auf den Staat und die Wirtschaft geschwächt und gehemmt, sondern auch durch Fehlentwicklungen, die in eigener Regie erfolgen und die Glaubwürdigkeit des Rest-Sozialismus, den man noch anzubieten vermag, untergraben. Eines der zentralen politischen Postulate der Sozialdemokratie war der Gedanke der Gleichheit, der Aufhebung oder wenigstens Verringerung des Gegensatzes zwischen Arm und Reich. Doch dreißig Jahre sozialdemokratischer Vorherrschaft zeigen, in Österreich und anderswo, dass die Erreichung dieses Zieles auch nicht nur annähernd gelungen ist, ja sich die Schere der Ungleichmäßigkeit noch vergrößert hat. Diese Tatsache fällt entweder auf die sozialistische Theorie, die ein unerfüllbares Ziel verfolgte, oder auf die sozialdemokratische Praxis, die in der Umsetzung dieses Zieles versagt hat, zurück. In beiden Fällen ist das Resultat eine Blamage für den Sozialismus.

Dazu kommt noch, dass die Sozialdemokratie in ihrem ureigenen Bereich in Punkto Gleichheit abschreckende Beispiele produziert, die zeigen, dass es ihren Führern nicht um die Wahrnehmung sozialer Aufgaben, sondern darum geht, finanziell möglichst viel herauszuschlagen und die Politik nur als Durchhaus für noch lohnendere Gefilde zu verstehen. Der erschreckende Mangel an attraktiven Persönlichkeiten, der sich gerade in der SPÖ zeigt, ist nicht zufällig, sondern strukturell bedingt: Es gibt in dieser Partei zu viele Funktionäre, die keinen Beruf erlernt oder den erlernten nicht oder nur kurz ausgeübt haben und denen die Politik als einziges Aufstiegsfeld bleibt. Solche Funktionäre sind eher mit Heuschrecken als mit der Vermehrung der Fruchtbarkeit des Bodens dienenden Tieren zu vergleichen, da sie keine zusätzliche Substanz in die Politik einbringen, sondern die vorhandene Substanz aufzehren und kahl fressen.

Solange die Sozialdemokratie nicht mit diesen internen Schwächen fertig wird und damit Schluss macht, wird sie bei allen Fehlern, die auch die anderen Parteien begehen, doch den Kürzeren ziehen.

Der Autor ist Ordinarius emerit. für Politikwissenschaft und Gesellschaftsphilosophie.

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