"Das Volk lässt sich nicht mehr beruhigen“

Werbung
Werbung
Werbung

Der Architekt Mamdou Habashi ist einer der führenden Oppositionellen Ägyptens. Er ist Mitglied zahlreicher zivilgesellschaftlicher Gruppen und Mitgründer der Ägyptischen Sozialistischen Partei.

Die Furche: Vor zwei Jahren begann die Arabellion in Ägypten. Wie haben Sie das damals erlebt?

Mamdou Habashi: Wir waren von Anfang an dabei und haben von Anfang an mobilisiert. Diese Revolution, das war keine Überraschung, sonderrn eine natürliche Entladung einer Akkumulation von Spannung in einer Gesellschaft. Dieser Aufstand kam nur überraschend für die, die wenig von Ägypten wissen.

Die Furche: Die Muslimbrüder haben sich zunächst sehr zurückgehalten. Nun sind sie die großen Gewinner der Revolte. Haben Sie sich da überraschen lassen?

Habashi: Sie haben sich nicht nur zurückgehalten, sondern dagegen argumentiert und mehrfach erklärt, dass sie nichts davon halten, hinter ein paar jungen Leuten herzulaufen. Das war in der Zeit der Mobilisierung und während der ersten drei Tage. Erst dann haben sie eine Kehrtwende vollzogen, als sie gesehen haben, dass die Bewegung gewinnen könnte.

Die Furche: Das Bündnis hat dann auch nicht lange gehalten und jetzt stehen in Kairo demokratische Jugendliche gegen die Muslimbrüder auf dem Tahrirplatz.

Habashi:Das war schon in den ersten Tagen zu spüren. Die Muslimbrüder haben ihr eigenes Spiel gespielt und sofort mit den Kräften des Regimes verhandelt und paktiert - gegen die Hauptströmung. Da war Mubarak noch im Amt. Sämtliche politische Kräfte dieses Aufstandes waren gegen diesen Dialog.

Die Furche: Das hat ihnen danach aber einen enormen taktischen Vorteil gebracht.

Habashi: Der entscheidende Vorteil lag darin, dass sie die einzige Kraft waren, die über eine schlagkräftige Organisation verfügten. Die Linken und Liberalen konnten da nicht mithalten, weil das Regime sie immer verfolgte, mehr als die Muslimbrüder. Ich habe immer wieder proklamiert, dass die Muslimbrüder nie eine echte Opposition zum Regime waren. Sie waren ein Teil des Regimes.

Die Furche: Und die Kämpfe zwischen dem Regime und der Muslimbruderschaft?

Habashi: Die wurden ausgelöst durch die Flügelkämpfe innerhalb der Muslimbruderschaft. Diese Allianz zwischen den Muslimbrüdern und dem Regime erkennen nun auch alle anderen Kräfte in der Gesellschaft. Deshalb gibt es jetzt die Bildung einer gemeinsamen Rettungsfront. Es gab dann immer wieder Leute, die den Weg des kleinsten Widerstands gegangen sind und lieber nicht gegen das Regime arbeiten, um die Geschäfte ruhig laufen zu lassen.

Die Furche: Die Hoffnungen waren ja auch wirtschaftlicher Natur. Nichts davon hat sich erfüllt.

Habashi: Ja, aber Ägypten ist kein armes Land. Wir haben alle Rohstoffe und das Know-how, die Ökonomie wieder auferstehen zu lassen. Allerdings nicht unter diesen Bedingungen - unter der Politik der Abhängigkeit vom Westen. So werden wir nur die Gräben zwischen Arm und Reich weiter öffnen. Aber eine solche Reform ist nicht in Sicht. Die Muslimbrüder, sagen Ägyptens einizger wirtschaftlicher Fehler sei die Korruption. Aber die Korruption ist die Folge der Politik. Mit der Hilfe Saudi Arabiens verfügen die Muslimbrüder heute über ein Milliardenvermögen. Das ist eine neue Konstellation des Vermögens: Es gibt nun auch Großkapitalisten mit Bart. Aber das Volk lässt sich nicht mehr beruhigen mit Versprechungen, sondern nur noch mit handfesten Tatsachen. Das ist es, was die Revolution an Positivem gebracht hat. Ab Freitag wird es wieder zu flächendeckenden Demonstrationen kommen in ganz Ägypten.

Die Furche: Wie hat sich das Verhältnis zu Israel seit der Revolution verändert?

Habashi: Gar nicht. Es wird sich auch nichts ändern. Die Politik der Abhängigkeit wird weiter bestehen und die Außenpolitik Ägyptens weiter in Washington gemacht werden.

Die Furche: Wenn Mursi Israelis als Schweine und Affen bezeichnet, dann ist das auch eine Form der Gemeinsamkeit?

Habashi: Das hat er gesagt als es darum ging, Wähler zu erreichen. Seither ist er untertänig geworden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung