"Das war bisher nicht üblich"

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Rot-Grüne Mehrheit im Bundesrat - zunächst ändern die neuen Verhältnisse an der Arbeit der Bundesräte nicht viel, erst wenn es ans Abstimmen geht, wird alles anders.

Einen "lebendigeren Parlamentarismus" hatte der geschäftsführende spö-Klubobmann Josef Cap am Tag vor der 727. Sitzung des Bundesrates versprochen. Jetzt sei Schluss mit der "speed kills"-Politik der Regierung: Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat bieten nun endlich die Chance, dass Gesetze nicht einfach durchgezogen werden, sondern dass man innehalten und noch etwas ändern könne. Und, so Cap zuversichtlich, der "in der Vergangengenheit oft kritisierte Bundesrat" werde jetzt beweisen, was für eine "wichtige Rolle" er eigentlich spielt.

Maturafragen für Ministerin

Soweit die Vorgabe: Am Tag der 727. Sitzung des Bundesrates, Freitag letzter Woche, schaut die Bundesrat-Welt zuerst einmal anders, nämlich so wie gehabt, aus. Um neun Uhr beginnt die Fragestunde an Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat. Eine Art mündliche Matura für die Ministerin mit dem Unterschied, dass die Gefragte die Fragen im vorhinein kennt und die Fragesteller - bis auf wenige Ausnahmen - sichtlich nervöser als die Geprüfte sind: "Für welche Personengruppe empfehlen Sie die Grippe-Schutzimpfung?" wird unter anderem die Frau Gesundheitsministerin gefragt, oder "Was tun mit der Milch von der Salzburger bse-Kuh? oder "Wie steht es um das Herzinfarktrisiko bei Frauen?" oder "Wie funktioniert das System der e-Card?" - da macht es einen Kracher im Bundesrat-Sitzungssaal und ein Bundesrat kann nicht mehr zurückhalten und ruft: "Bei der Frage fallt sogar der Sessel um." Frau Ministerin lässt sich trotzdem nicht drausbringen, stellt den Sessel wieder auf und beantwortet pflichtschuldig die Fragen. Die Frauen und Herren Bundesräte erledigen währenddessen ihre Post, einer arbeitet intensiv - und lässt sich dabei von den hinter ihm sitzenden Journalisten in den Computerbildschirm schauen - an einer Strategie für den Auftritt der Jungen övp, eine andere blättert gut 20 Ordner Unterschriftenmappen durch und der nächste gustiert, welchen Erlagschein er ausfüllen oder wegschmeißen soll. Und da Frau Ministerin immer noch Fragen beantwortet, wird eine Zeitung von Kollege zu Kollegin und wieder zum Kollegen weitergereicht. Zu guter letzt bekommt die Frau Gesundheitsministerin dann noch ein dickes Lob vom Grünen Bundesrat Stefan Schennach: "Kompliment, das war eine informative Fragestunde." Kein Vergleich mit dem "inkompetenten Staatsekretär" vom letzten Mal - aha, es gibt also auch Prüflinge, die trotz vorher schriftlich bekannt gemachter Fragen immer noch durchfallen.

Nach zwei Stunden Fragestunde - die Post ist erledigt, die Zeitung gelesen, Erlagscheine sortiert und die neue Strategie für dieJunge övp immer noch nicht gefunden - kommt es im Bundesrat zum historischen Showdown: Der övp-Bundesrat und Fraktionschef der schwarzen Riege, Ludwig Bieringer, tritt ans Rednerpult, pocht auf eine Parteien-Vereinbarung aus 1984 und beklagt die "Verzögerungstaktik" der neuen rot-grünen Mehrheit: "Das ist bisher nicht üblich gewesen."

spö-Fraktionschef Albrecht Konecny kontert, dass es "keine Vereinbarung gibt, die unabhängig von den Rahmenbedingungen gilt" - und die schwarz-orangen Gesetzesvorlagen seien schlecht und werden deswegen von der rot-grünen Mehrheit entweder vertagt - unter anderem das Postgesetz - oder beeinsprucht - das Zukunftsfondgesetz. Schennach ist zufrieden: "Rucki-Zucki-Gesetze gibt es jetzt keine mehr."

Am Nachmittag des selben Tages, der Bundesrat tagt noch, hat die Furche Gelegenheit Bundespräsident Heinz Fischer, der erst vor kurzem Reformvorschläge für die Länderkammer vorgelegt hat, nach seiner Meinung zur neuen Mehrheit zu befragen. Heinz Fischer: "Wenn die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat anders sind als im Nationalrat, heißt das, dass schon bei den Verhandlungen im Nationalrat, zumindest in Grenzbereichen, größere Kompromissbereitschaft gegenüber der Opposition besteht - in der Hoffnung, durch Konsens im Nationalrat einen Einspruch im Bundesrat zu vermeiden. Die grundlegenden Probleme des Bundesrates wird man aber nur lösen können, wenn man auch institutionelle Reformen vornimmt. Was umso wichtiger ist, als es ja sein kann, dass in absehbarer Zeit, aus dem einen oder anderen Grund, die Mehrheit im Bundesrat wieder mit der Mehrheit im Nationalrat identisch ist und dann soll doch die Debatte nicht wieder bei Adam und Eva beginnen."

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