"Das waren bisher nur die Anfänge"

Werbung
Werbung
Werbung

Sechs Wochen nach den Attentaten in den USA steht die Terrorbekämpfung weiterhin im Zentrum des Interesses. Wie erfolgreich sind die US-Truppen? Wie soll Österreich auf die neue Lage reagieren? Fragen an den neuen Kommandanten des II. Korps in Salzburg.

die furche: Wie beurteilen Sie die Kriegsführung in Afghanistan?

hubertus trauttenberg: Man muss fragen, ob es sich bei dem Geschehen überhaupt um einen Krieg handelt. Die Aktionen der USA und ihrer Verbündeten sind sowohl von der Definition her als auch im Licht der UN-Resolution im völkerrechtlichen Sinn kein Krieg, sondern eine mit militärischen Mitteln durchgeführte Polizei-Aktion mit zwei Zielen: die Terrororganisation El Kaida und das Taliban-Regime auszuschalten. Gelingt es, in Afghanistan einen Umschwung herbeizuführen, bleiben zwar die weltweit agierenden Arme der Terror-Organisation bestehen. Es wird ihnen aber die Kraft entzogen, da sie die Basis und ihr Hauptquartier verlieren und auch jene Mittel, die aus dem Opiumhandel zufließen.

die furche: Kann man die bisherigen Aktionen der Amerikaner als "erfolgreich" ansehen?

trauttenberg: Wir haben bisher nur die Anfänge erlebt. Was sichtbar ist, wurde mit technischen Mitteln ausgeschaltet: die Camps, die Kommunikationspunkte, die Flugabwehr. Es kommt - wie wir es vergangene Woche schon erlebt haben - auch zum punktuellen Einsatz von Bodentruppen. Angesichts des bevorstehenden Winters muss das relativ schnell passieren. Ansonsten würde sich die Operation in den zu erwartenden Schneemassen totlaufen.

die furche: Welchen Sinn macht der punktuelle Einsatz von Bodentruppen, wie er vorige Woche stattfand?

trauttenberg: Im Gegensatz zum seinerzeitigen Einsatz der Sowjetunion geht es ja heute nicht um die Eroberung des Landes oder um die Stützung eines im Lande unbeliebten Regimes. Es sollen ja "nur" die Terrorzentren ausgeschaltet werden. Was da zum Einsatz kommt, sind Spezialeinheiten, die großteils luftbeweglich ins Land verlegt werden. Daher wurden auch Flugzeugträger mit wenigen Flugzeugen und vielen Hubschraubern in die Region verlegt. Diese werden dann über Landbasen - wo immer diese sein werden - an ausgekundschaftete Orte dirigiert. Dort haben wohl schon Spezialisten der Delta-Force den Einsatz vorbereitet. Im Vorfeld wurde selbstverständlich das Territorium laufend mit Satelliten aufgeklärt. Dadurch lassen sich die Terroristen-Camps sicherlich erkennen. Das Auflösungsvermögen der dabei gemachten Bilder ist enorm: Früher ging die Rede, man könne genau erkennen, wenn jemand am Roten Platz in Moskau die "Prawda" liest.

die furche: Ihrer Meinung nach sind also längst Spezialeinheiten im Einsatz?

trauttenberg: Ich schließe dies aus internationalen Berichten, die bald nach dem Attentat davon sprachen, dass Spezialeinheiten vor Ort seien.

die furche: Kann so etwas unbemerkt über die Bühne gehen?

trauttenberg: In der US-Army gibt es mit speziell leisen Hubschraubern ausgerüstete Verbände. Sie können Kräfte ins Land bringen oder in der Dunkelheit mit Fallschirmen absetzen. Im Golfkrieg agierten Spezialeinheiten weit hinter der Front und gaben die Ziele durch. Ein Großteil solcher Aktionen kommt klarerweise nie an die Öffentlichkeit.

die furche: Wie holt man diese Leute wieder aus dem Land?

trauttenberg: Mit Hubschraubern, aber auch mit Flächenflugzeugen. Ich habe in den USA miterlebt, wie das vor sich geht: Da wird ein dünnes Drahtseil mit einem Ballon in die Höhe geschickt. Eine C-130 mit einer Fangvorrichtung saugt den Mann, der unten am Seil hängt, in das Flugzeug. Eine abenteuerliche Sache - ich möchte nicht da dran hängen.

die furche: Kann Amerika bei dem zunehmenden Druck der öffentlichen Meinung einen länger dauernden Einsatz durchhalten?

trauttenberg: Innenpolitisch ja. Die Zustimmung lag ja ursprünglich bei 91 Prozent. Und es war von Anfang an klar, dass es nicht zu einer Schwertstreich-Aktion kommen würde. Unter den gegebenen Bedingungen war in Afghanistan nicht mit einem raschen Erfolg zu rechnen. Ein relevantes Urteil über das bisherige Vorgehen ist schwierig, weil die Informationen über Militär-Aktionen, die wir bekommen, sicher sehr gefiltert sind. Wir kennen das aus dem Golfkrieg. Dort hat man mit den Journalisten in der Berichterstattung Katz und Maus gespielt. Berücksichtigt man das, so ist zu sagen: Die Zahl der fahnenflüchtigen Taliban-Leute nimmt zu. Andererseits ist es mit wenigen Ausnahmen gut gelungen, die Zerstörungen auf Taliban- und El-Kaida-Einrichtungen zu konzentrieren. Damit wird dokumentiert, dass es nicht ein Kampf gegen Afghanistan ist.

die furche: Immerhin wurden ein UNO-Quartier, ein Rotes-Kreuz-Lager und Wohnhäuser zerstört ...

trauttenberg: Dennoch ist die Treffsicherheit erstaunlich groß, wie etwa der Vergeltungsschlag vor Jahren auf eine chemische Fabrik im Sudan gezeigt hat. Sie wurde über tausende Kilometer mit Cruise Missiles punktgenau getroffen.

die furche: Nun zu Österreich: Welche Konsequenzen sind Ihrer Meinung nach aus den Attentaten am 11. September zu ziehen?

trauttenberg: Die Bundesregierung hat sich massiv mit der Frage der Schutzvorkehrungen für Österreich befasst. Die Ergebnisse stehen noch aus. Ein Effekt ist für uns schlagartig eingetreten: Die Vorstellung, wir seien eine friedliche Insel, die von NATO-Staaten umgeben und daher nicht bedroht sei, ist nicht mehr leicht aufrecht zu erhalten. Weiters: Die EU hat die Aktion gegen El Kaida mit einer eindeutigen Erklärung unterstützt. Somit ist Österreich eines der unterstützenden Länder. Es wäre also theoretisch eines der möglichen Angriffsziele - auch wenn die zuständigen Minister zur Zeit sagen, es sei keine unmittelbare Gefährdung zu sehen.

die furche: Innere Sicherheit betrifft aber primär nicht das Bundesheer, sondern Gendarmerie und Polizei ...

trauttenberg: Zunächst ist das eine sicherheitspolizeiliche Aufgabe. Allerdings ist das Bundesheer über Anforderung zur Assistenzleistung verpflichtet, wenn es um die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Inneren geht, die Kräfte der Exekutive aber der Herausforderung allein nicht gewachsen sind. Wir haben in Österreich viele schutzwürdige Objekte, die notwendig sind, um die öffentlichen Funktionen wahr zu nehmen. In diesen Fällen ist es denkbar, dass das Bundsheer unterstützend zum Einsatz kommt. Details dazu will ich nicht ausführen.

die furche: Wird diese Zusammenarbeit also zu intensivieren sein?

trauttenberg: Es gibt sie ja schon. Jedenfalls wird die Sicherung von Schlüsseleinrichtungen zusammen mit der Exekutive vermehrt zum Tragen kommen müssen. Ich verweise übrigens auf den Analyseteil der Sicherheitsdoktrin, der innenpolitisch ja heftig kritisiert worden ist. Dort werden als die zwei wahrscheinlichsten Bedrohungsformen die grenzüberschreitende Kriminalität und der internationale Terrorismus genannt.

die furche: Welche konkrete Folgen sollte das für das Heer haben?

trauttenberg: Wir werden Vorbereitungen zu treffen haben für den Fall, dass die Exekutive Kräfte anfordert.

die furche: Ist die Miliz für solche Einsätze überhaupt ausgebildet?

trauttenberg: In der jetzigen Ausbildung wird jedenfalls der Wach- und Sicherungsdienst, auch an Objekten, geübt. Vermutlich wird das vermehrt in die Ausbildungs- und Übungstätigkeit eingebaut werden.

die furche: Betreffen die Ereignisse in den USA die Frage der Neutralität?

trauttenberg: Die Kooperationen, die aus den Terroranschlägen abgeleitet worden sind, beziehen sich zunächst auf eine Zusammenarbeit im nachrichtendienstlichen Bereich, auf Kooperationen im Ausland: Innenminister Strasser hat kürzlich erklärt, er würde mehr Verbindungsorgane in Botschaften platzieren, die relevante Informationen nach Österreich melden. In diesen Bereichen wird es mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit geben müssen. Zum Thema Neutralität ist zu sagen: Wir sind der EU als einem Sicherheitsverbund beigetreten. Da geht es auch um Maßnahmen, die bis zur gewaltsamen Durchsetzung friedensherstellender Maßnahmen gehen. All das erfordert Kooperation in der Vorbereitung solcher Aktionen.

die furche: Reichen die Mittel für die neuen Aufgaben?

trauttenberg: Schon jetzt ist das Budget zu knapp. Wir brauchen aber bessere Kommunikationsmittel, müssen unsere Mobilität erhöhen ...

die furche: Stichwort Spezialeinheiten: Wie sieht da die Lage in Österreich aus?

trauttenberg: Wir verfügen über diverse Spezialeinheiten. Ich verweise auf die derzeit stark in Anspruch genommenen ABC-Abwehrkräfte, deren Kapazitäten in Österreich einmalig sind, oder auf die "Austrian Forces Desaster Relief Unit", die bei etlichen Katastrophen zwischen Taiwan und Somalia im Einsatz waren. Zu erwähnen sind auch die Jagdkommandos, die in jeder erdenklichen Form im Rahmen von Assistenz die Exekutive bei einer Terroristenjagd unterstützen könnten.

Das Gespräch führte Christof Gaspari

Zur Person: Offizier mit Erfahrung in der Wirtschaft

Hubertus Trauttenberg ist am 23. September 1941 in Salzburg geboren. Nach der Militärakademie wurde er zum Leutnant der Panzertruppe ausgemustert und 1972 in den Generalstabsdienst übernommen. Als Generalstabsoffizier war er zunächst in der Ausbildungsabteilung im Landesverteidigungsminsterium tätig. Von 1978 bis 1981 übernahm er die Stelle des Chefs des Stabes beim Militärkommando Oberösterreich. Dann folgten sieben Jahre Tätigkeit in der Wirtschaft als militärischer Berater in der Rüstungsproduktion der Voest-Alpine.

1987 kehrte er in den aktiven Militärdienst zurück und zwar zunächst als Chef des Stabes an der Landesverteidigungsakademie, um 1988 den Posten des Kommandanten der 4. Panzergrenadierbrigade zu übernehmen. 1996 wurde er zum Adjutanten von Bundespräsident Thomas Klestil bestellt. Im September 2001 übernahm er schließlich das Kommando des II. Korps in Salzburg.

Trauttenberg ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung