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Im April hat die EU grünes Licht für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gegeben. Gentech- und traditioneller Pflanzenbau sollen koexistieren. Ein fragwürdiges Konzept, da die Unbedenklichkeit der "neuen" Pflanzen noch nicht genügend untersucht ist.

Sechs Jahre lang lagen die Gentechnik-Konzerne in Warteposition und grollten darüber, dass die EU keine neuen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) für den Anbau oder den Verkauf zuließ. Doch mit der Zulassung des Bt11-Genmaises für den menschlichen Verzehr im Mai durch die EU-Kommission dürfte sich das Blatt gewendet haben: Mehr als 30 gentechnisch veränderte Produkte warten nun darauf, den Weg in die Regale oder auf die Äcker zu finden. Gentechnik-Kritiker warnen vor einem "Dammbruch".

In den Jahren des Zulassungsstopps ("EU-Moratorium") hatte sich in Brüssel auf Gesetzesebene viel getan. Unter anderem wurden die Freisetzungsrichtlinie und die Kennzeichnungspflicht für GVO - sie traten am 18. April in Kraft - verabschiedet. In der Freisetzungsrichtlinie wurde der Weg mit dem seither heftig diskutierten Begriff "Koexistenz" klar vorgegeben.

Fragwürdige Koexistenz

Koexistenz besagt, dass biologische, konventionelle und Gentechnik-Landwirtschaft nebeneinander bestehen können müssen. Wie, das überließen die EU-Gremien den einzelnen Mitgliedsländern. Und die sind ziemlich ratlos: Nicht nur wie man den Pollen- und Bienenflug von genmanipulierten Pflanzen zu nicht-genmanipulierten Pflanzen verhindern könne bzw. welche Abstände dafür vonnöten sind, beschäftigt die Experten. Völlig ungeklärt ist auch die Haftungsfrage. Schließlich haben die bedeutendsten Versicherungsunternehmen der Welt inzwischen klar zum Ausdruck gebracht, keinerlei Risiken zu übernehmen.

Dementsprechend haben erst drei der EU-15-Mitgliedsstaaten die Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die anderen zwölf, unter ihnen Österreich, erhielten Ende Juni wegen diesbezüglicher Säumigkeit einen Rüffel von der EU-Kommission.

Wohin der Weg führen könnte, zeigt eine kürzlich erfolgte Aussendung der EU-Kommission: Unter dem Titel "Pflanzen für die Zukunft" präsentierten "führende Vertreter aus der Forschung, der Lebensmittel- und BiotechIndustrie, der Landwirtschaft und von Verbraucherorganisationen" dem Forschungskommissar Philippe Busquin eine "Vision für die Pflanzenbiotechnologie bis 2025". Europa könne sich "mit Hilfe der Biotechnologie und der Genomik zu einer wissensgestützten Bio-Wirtschaft' entwickeln, die erneuerbare Pflanzenressourcen einsetzt", heißt es weiter - das Wort "Gentechnik" wird hier, wie in der gesamten Presseaussendung, umgangen. Busquin beklagt, dass Europa in den vergangenen Jahren in den Pflanzenwissenschaften und der Biotechnologie seine führende Rolle an die USA eingebüßt habe - nicht zuletzt aufgrund der Vorbehalte der Öffentlichkeit. Dies sei angesichts eines steigenden Nahrungsmittelbedarfes einer anwachsenden Weltbevölkerung und des notwendigen langfristigen Ersatzes fossiler Brennstoffe durch "neue, umweltfreundliche Biomaterialien aus erneuerbaren Pflanzenressourcen alarmierend".

Ein Gentech-Fan denkt um

Doch nicht nur die Art und Weise, wie die Gentechnik forciert wird, erregt die Gemüter, auch der Vorwurf wird immer lauter, dass hier eine viel zu unkritische Betrachtungsweise vorherrsche. "Die Gentechnik ist nicht sicher. Solange Risiken da sind und so lasch damit umgegangen wird, hat Gentechnik in unserer Landwirtschaft nichts verloren", sagt einer, der es wissen muss: Gottfried Glöckner ist wohl der Gentechnik-erfahrenste Bauer im gesamten deutschsprachigen Raum. Bereits 1995 begann er, genmanipulierte Pflanzen auf seinen Feldern anzubauen, 1997 pflanzte er erstmals Bt176 Genmais der Firma "Syngenta" an und bis zum Jahr 2000 weitete er das Anbaugebiet für Genmais auf rund zehn Hektar aus. Während er mit dem Ertrag sehr zufrieden war, beobachtete er bei seinen Kühen, denen er den Mais verfütterte, dass sie das hierin enthaltene Eiweiß nicht vollständig verwerteten.

Doch als er im Dezember 2000 begann, neben dem genmanipulierten Silo- auch Körnermais zu verfüttern, ahnte er nicht, dass bald neue Probleme auf ihn zukommen sollten: "2001 haben die Tiere einen weiß-grau-klebrigen Durchfall bekommen. Bei einigen sind Blutgefäße geplatzt. So etwas habe ich noch nie erlebt", schildert er, was geschah. Die Tiere seien anfälliger gegen Krankheiten geworden. Es sei zu Missbildungen bei Kälbern gekommen. "Wir haben den Stall in einen Klinikbetrieb umgewandelt und die Kühe an Infusionen angehängt, um den Betrieb aufrecht zu erhalten." Die ersten fünf Tiere starben.

Erstmals fragte sich Glöckner, ob der Körnermais bzw. das in die Pflanze eingebrachte Gift des Bacillus thuringiensis, das gegen den Maiszünsler, einen Schädling, wirkt, schuld sein könnte. Offiziell hätte dieses Bt-Toxin nicht in den Maiskörnern vorkommen dürfen.

Syngenta führte Untersuchungen durch und teilte Glöckner mit, dass kein Bt-Toxin im Mais gefunden worden sei. Das war dem Landwirt zu wenig und er ließ den Mais selbst an einer staatlichen Untersuchungsanstalt testen. Das Ergebnis: "Nach eineinhalb Jahren Lagerung wurden pro Kilogramm Frischmais 8,3 Milligramm Toxin nachgewiesen." Nach dem Körnermais entschloss sich Glöckner im Februar 2002 auch den Silomais abzusetzen, woraufhin "es den Kühen besser ging".

Glöckner machte sich bei den Zulassungskriterien für GVO fachkundig und stellte fest, dass die EU-Behörden keinerlei Langzeit-Fütterungsversuche verlangen. Das Beispiel des Bt176-Maises zeige, wie "lasch" die Genehmigungspraxis sei, ist der Landwirt empört. Er wurde mit der niedrigsten Sicherheitsstufe genehmigt, die von der "substanziellen Äquivalenz" ausgeht. Sie besagt, dass im Bt176 Mais dieselben Inhaltsstoffe zu finden sind wie beim herkömmlichen Mais. Und diese Aussage sei schlichtweg "falsch".

Aus Fehlern endlich lernen

Seine Erfahrungen und viele Ungereimtheiten rund um die Gentechnik in der Landwirtschaft bewegten Glöckner dazu, an die Öffentlichkeit zu gehen: "Man muss Konsequenzen ziehen und aus Fehlern lernen, denn Sicherheit ist unbezahlbar. Vor allem aber müssen Landwirte und Bevölkerung über alles informiert werden."

Nicht an Kühen, sondern an Ratten testeten Forscher der französischen Gentechnik-Kommission CGB die Auswirkungen einer gentechnisch veränderten Maissorte (MON 863) des Chemie- und Gentechnikriesen "Monsanto". Die Ergebnisse stimmten die Forscher nachdenklich: Die mit dem Monsanto-Mais gefütterten Ratten wiesen im Vergleich zu Ratten, die mit normalen Mais gefüttert wurden, zahlreiche abnormale Werte auf. Bei Männchen wurde eine signifikante Erhöhung der weißen Blutkörperchen sowie Verkleinerungen und Entzündungen der Nieren festgestellt, während es bei den Rattenweibchen zu einer Abnahme der roten Blutkörperchen und einer Zunahme des Blutzuckerspiegels kam. Die Ergebnisse gelangten erst Monate nach Fertigstellung des Berichtes an die Öffentlichkeit.

Belastete Milchproben

Alarm schlug auch "Greenpeace" im Juni: Das erste Mal in der Geschichte seien in der Milch Konstrukte der genmanipulierten Futtermittel festgestellt worden. Das sei dramatisch, weil die bereits im Dezember 2000 erzielten Ergebnisse der Probe - sie wurde von einer staatlichen Untersuchungsanstalt direkt aus dem Milchtank eines Bauern gezogenen - nicht veröffentlicht wurden.

Um die Gentechnik von der Landwirtschaft fernzuhalten, wird neuerdings der Klageweg gegen Organe der EU beschritten, zum Beispiel vom Land Oberösterreich: Schon vor zwei Jahren waren sich alle Parteien einig, das gesamte Bundesland "gentechnikfrei" zu halten. Die EU untersagte dies, was die zuständigen Politiker erst recht kampfeslustig machte: "Wir lassen uns das Diktat Brüssels nicht gefallen, wir kämpfen für unsere Selbstbestimmung. Solange in der Gentechnik mehr Risiken als Chancen bestehen, wollen wir nichts damit zu tun haben", erklärte etwa Agrarlandesrat Josef Stockinger. Gemeinsam mit der Toskana rief Oberösterreich eine Anti-Gentechnik-Allianz ins Leben. Ihr haben sich inzwischen schon neun weitere EU-Regionen (mit dem Burgenland, Salzburg, Baskenland, Wales und Schleswig-Holstein) angeschlossen. Stockinger: "Es ist ein Kampf David gegen Goliath, aber es macht riesigen Spaß, die EU herauszufordern."

Der Autor ist freier Journalist.

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