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Das Weltwirtschaftsforum in Salzburg lockt Tausende Globalisierungsgegner an. Ein Test auch für das Vermummungsverbot: Hilft es, Eskalationen zu vermeiden, oder fördert es vielmehr diese?

Kessel - welche Assoziationen dieser Begriff auch sonst weckt, Österreichs demonstrierende Globalisierungsgegner verbinden ihn mit Salzburg. Anfang Juli letzten Jahres, Tausende machten in der Mozartstadt gegen das "World Economic Forum" (WEF) mobil, wurden rund 900 Aktivisten während des Demonstrationszuges von der Exekutive eingekesselt, ehe es nach längeren Verhandlungen zu einem friedlichen Abzug der Globalisierungsgegner kam. Gewaltbereite Demonstranten hatten zudem für Ausschreitungen gesorgt, bei denen unter anderem ein Polizist schwer verletzt worden war.

Anfang kommender Woche, aus Sicherheitsgründen auf den Wochenbeginn verlegt, treffen sich die "global leader" aus Wirtschaft und Politik erneut in Salzburg. Das Wochenende davor gehört die Stadt aber den Kritikern der Weltwirtschaftspolitik. Vom 13. bis 15. September wollen Globalisierungsgegner Kunst-, Kultur- und Diskussionsveranstaltungen durchführen und mit einem "Global Village Projekt" auf ihre Positionen aufmerksam machen. Für Samstag und Sonntag sind Demonstrationen geplant, bei denen nach Schätzungen der Veranstalter 2.000 Teilnehmer erwartet werden. Die genaue Zahl der Polizisten wurde nicht genannt, von 3.000 Beamten, so wie im Vorjahr, kann aber ausgegangen werden. Damit es heuer nicht zum berüchtigten "Kessel" kommt, wurden die Demonstrationsrouten genau festgelegt. "Wenn es zu keinen Ausschreitungen kommt", sagt Rudolf Feichtinger, Stellvertretender Polizeidirektor von Salzburg, "wird die Polizei in den Fluss der Demonstrationen nicht eingreifen". Auch die letztjährige Einkesselung sei nicht geplant gewesen, sondern aus der Situation entstanden, stellt Feichtinger anderslautende Meinungen in Abrede. Mit dem neuen "Vermummungsverbot" kommt aber in diesem Jahr ein neuer Risiko- bzw. Eskalationsfaktor hinzu. Die Demonstrationen beim WEF-Gipfel gelten als der erste große Test für die Umsetzung des Verbots.

"Geschenk für Exekutive"

Unmittelbarer Anlass für das Gesetz, das die Verhüllung der Identität verbietet, war die Demonstration am Wiener Heldenplatz vom 13. April dieses Jahres, bei der es zu Konfrontationen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen ist. Für Michael Bonvalot, Sprecher der Antifaschistischen Linken (AL) und damit einer der Organisatoren der "Anti-Nazi"-Demonstrationen im Frühjahr, stehen aber andere Gründe zum Erlass dieses Gesetzes im Vordergrund: "Es ist ein Geschenk für die Exekutive", so Bonvalot, "denn es gibt jetzt einen weiteren Vorwand, eine Demonstration eskalieren zu lassen und ihre Teilnehmer zu kriminalisieren." Mit der Verhaftung oder Wegweisung von Vermummten, ist der Demo-Organisator überzeugt, könne jederzeit eine Eskalation künstlich erzeugt werden. Das Verbot sei für die Polizeikräfte vor Ort ein starkes Machtinstrument, denn der Ermessensspielraum liege bei ihnen. Sie würden entscheiden, so Bonvalot, wann jemand vermummt sei und wann nicht. "Aus Deutschland hört man, dass oft bereits Brille und Kappe als Vermummung gelten." Den Zweck von Vermummung sieht Bonvalot in der Angst vieler Demonstranten vor Nachteilen im privaten oder beruflichen Leben.

Die Problematik des Vermummungsverbots ist Salzburgs Stellvertretendem Polizeichef bewusst. Das neue Gesetz sei "nicht einfach zu handhaben", gibt Feichtinger gegenüber der Furche zu. "Hier muss von Fall zu Fall entschieden werden", sagt er, um gleichzeitig zu betonen: "Es liegt ein eindeutiger Fingerzeig des Gesetzgebers vor, und den werden wir nach besten Kräften zu erfüllen trachten." Anfang August gab es in Salzburg eine Demonstration mit ungefähr hundert Teilnehmern, bei der Vermummte anwesend waren. Sie wurden von den Beamten ignoriert. Für Rudolf Feichtinger liegt der Sinn des Gesetzes darin, zu verhindern, dass jemand im Schutz der Vermummung Straftaten begeht. "Von Aktionismus", mit dem Feichtinger auch bei den Demos in Salzburg rechnet, "werden wir uns aber sicher nicht provozieren lassen."

Das Stichwort ist gefallen! Gibt es Polizisten, die sich als "agents provocateur" (Lockspitzel) unter die Demonstranten mischen und diese zu Ausschreitungen aufhetzen? Feichtinger widerspricht diesem immer wieder auftauchendem Gerücht vehement und legt "dafür seine Hand ins Feuer", denn die Polizei habe mit Sicherheit kein Interesse daran, dass eine Demonstration eskaliert. Natürlich, so der Polizeidirektor, mischten sich aber Kriminalbeamte in Zivil unter die Demonstranten.

Polizei im "Schwarzen Block"

Sonja Grusch, Bundessprecherin der Sozialistischen Links Partei (SLP), erinnert zum gleichen Thema befragt an die Unruhen in Genua, wo auf Video festgehalten wurde, wie sich vermummte (verkleidete) Polizisten aus einem Polizeirevier kommend in den "Schwarzen Block" mischten. Über ähnliche Vorfälle in Österreich gebe es keine Beweise, sie selbst habe aber erlebt, dass Polizeibeamte in Zivil Demonstranten zu Provokationen aufforderten. Augenzeugen, so Bonvalot, gebe es genügend, denn es sei "mehr als auffällig, wenn Provokationen von Leuten verursacht werden, die einen Stöpsel im Ohr haben". Und er fügt hinzu: "Gewalt nützt immer nur der Polizei, es gibt kein Interesse an Gewalt bei den Demonstranten."

Bei der Polizei gebe es ebenfalls kein Interesse an Gewalt, hält da Polizeidirektor Feichtinger entgegen. Außerdem werde mit den Organisatoren der Demos in Salzburg "sehr konstruktiv" zusammengearbeitet und "auch wir nehmen ihre Anliegen sehr ernst". Beste Voraussetzungen also, dass es in diesem Jahr zu keiner Fortsetzung des "Hexenkessels" von Salzburg kommt.

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