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Facebook ist längst fester Bestandteil der Politik geworden - Österreichs Politiker suchen über die sozialen Netzwerke Kontakt zu ihren Wählern. Doch nicht jede Meinung ist immer politisch erwünscht. Unter den Postings von heimischen Politikern werden manche der Kommentare gelöscht oder ausgeblendet. Einige User werden von den Politikern sogar blockiert und können nicht mehr auf der Seite des jeweiligen Amtsträgers kommentieren. Wie geht Österreichs Politik im Netz also vor? Wann wird ein Kommentar gelöscht? Welche User werden geblockt?

293.000 Personen folgen Alexander Van der Bellen auf Facebook. Von Johanna Stögmüller, der Koordinatorin des Social-Media-Teams des Bundespräsidenten, ist zu erfahren, dass "seit dem Amtsantritt davon abgesehen wird, Userinnen und User für die Seite zu sperren, da es sich um eine öffentliche Plattform des Bundespräsidenten handelt. Nichtsdestotrotz sind wir als Seiteninhaber für alle Inhalte auf dieser Facebook-Seite verantwortlich und deshalb auch verpflichtet, inadäquate Inhalte zu entfernen." Dennoch, es kommt auch auf der Facebook-Seite des Staatsoberhauptes zu verbalen Entgleisungen. Als Grenze werden auf der Seite Van der Bellens Beleidigungen, rassistische und frauenfeindliche Anspielungen angesehen. Überspannt ein User den Bogen und verletzt geltendes Recht, werden der Staatsanwaltschaft Screenshots übermittelt und zur Anzeige gebracht.

Strache und Kurz als FB-Spitzenreiter

Mit 793.000 Likes ist Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) der reichweitenstärkste heimische Politiker auf Facebook. Auf die Fragen nach konkreten Zahlen über die Löschung von Kommentaren und das Blocken von Usern erhält die FURCHE auch nach mehrmaliger Anfrage keine Antwort. Jedoch zählt die geschlossene Facebook-Gruppe "I was blocked by HC Strache" -"Ich wurde blockiert von HC Strache" - über 3800 Mitglieder. Nicht wenige unter ihnen geben an, den Vizekanzler sachlich kritisiert zu haben. Ein User schildert den Hintergrund seiner Blockierung: "Auf einen Post hin, in dem Strache beklagte, dass man die FPÖ und ihn ständig ins rechtsextreme Eck stellt, habe ich ihm geschrieben, dass er sich einfach öffentlich vom Rechtsextremismus distanzieren soll. Dann wird es auch keine Diffamierung in diese Richtung mehr geben. Ich habe damals sehr darauf geachtet, höflich, aber auch sachlich zu bleiben. Keine fünf Minuten später war der Post weg und ich seitdem gesperrt." Genauere Richtlinien, was Strache im sozialen Netzwerk akzeptiert, sind unter dem Punkt "persönliche Angaben" auf seiner Facebook-Seite zu finden. Darin steht, dass sich der Vizekanzler vorbehält, "gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende oder dem Ansehen von mir zuwiderlaufende Beiträge zu löschen." Auch rechtliche Schritte werden bei Zuwiderhandeln angekündigt. So ist weiters zu lesen, dass Strache "Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend macht" und Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung verwendet.

Hinter Strache auf Rang zwei im Social-Media-Ranking befindet sich die Seite von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). 783.000 Gefällt-mir-Angaben gibt es auf Facebook für den Regierungschef. Das verantwortliche Team von Sebastian Kurz zieht Grenzen bei "ehrverletzenden Beiträgen oder solchen mit rassistischen, diskriminierenden, sexistischen, pornografischen, gewaltverherrlichenden, irreführenden oder gesetzeswidrigen Inhalten." Genauere Angaben über Löschungen von Kommentaren oder Blockierungen von Usern nennt die zuständige Abteilung des Bundeskanzlers nicht. Auch Oppositionschefin Pamela Rendi-Wagner hat eine offizielle Facebook-Seite. Mit 40.000 Likes hat die SPÖ-Politikerin im Vergleich zu den Regierungsspitzen im Social-Media-Bereich noch Aufholbedarf. Als Seitenregeln gibt ihr Team einige Grenzen an. So sind "Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft und sexueller Orientierung -oder auch nur aufgrund von Rechtschreibfehlern" für Rendi-Wagner ein No-Go auf ihrer Seite. Neben "Werbung für politische Mitbewerber" sind "Aufbringen oder die Bestärkung von Verschwörungstheorien und Panikmache" unerwünscht. Verstoßen User gegen diese Punkte oder kommt es zu aggressivem "Trolling","Spaming" oder "Hating", ist das Löschen des Kommentars sowie das Blockieren des entsprechenden Users die Folge. Niklas Welzel, Vorsitzender des Community-Managements, gibt an, dass "derzeit 123 Profile auf der Facebook-Seite von Rendi-Wagner gesperrt sind -wobei es sich hierbei hauptsächlich um Fake-Profile handelt, also virtuelle Profile, hinter denen keine reale Persönlichkeit steht."

Gesprächsverweigerung?

Knapp 40.000 User folgen Beate Meinl-Reisinger (NEOS) auf Facebook. Ihr Ziel auf der Social-Media-Plattform laut eigenen Angaben: "Eine konstruktive und respektvolle Diskussionskultur schaffen". Kommentare werden laut Angaben der zehnköpfigen Social-Media-Abteilung nicht gelöscht: "Unsachliche Kritik, rassistische/grenzwertige Äußerungen und Gewaltaufrufe werden normalerweise verborgen. Das heißt, die Kommentare bleiben zwar auf der Seite, werden aber nur von Menschen, die damit interagiert haben, gesehen." Um das Profil zu schützen und eine "sachliche Diskussionsbasis" zu wahren, werden auch User geblockt. In den meisten Fällen geht es dabei um Fake-Profile, die oft angelegt werden, um andere Seiten zu schädigen.

Mit knapp 35.000 Likes hat der Gründer der Liste Jetzt, Peter Pilz, die kleinste Seite der Spitzenpolitiker der Parlamentsparteien. Mit einem Fliegenpilz auf grünem Grund als Profilbild kümmert sich Pilz, als einziger der hier genannten, allein um seine Facebook-Seite. "Die Einträge stammen zu 100 Prozent von mir", sagt Pilz. "Die schreibt kein Partei-Ghostwriter oder sonst wer." Seine Regeln fast er knapp zusammen: "Alles ist o.k., mit den üblichen Ausnahmen: frauenfeindlich, rassistisch, gegenseitige Beschimpfungen und Ähnliches." Hier zieht Pilz die Grenze und kündigt bei Überschreiten derselben Konsequenzen an: "Das werde ich löschen, weil niemand das Recht hat, andere mies zu machen", sagt der Nationalratsabgeordnete.

Der Politologe Klaus Poier sieht soziale Netzwerke als "Must-Have" für Politiker: "Durch Facebook kann man schnell ungefilterte Informationen einer breiten Masse zugänglich machen", sagt der Professor der Karl-Franzens-Universität Graz. Van der Bellens Absicht, keine User zu blockieren, hält Poier im Hinblick auf dessen Amt für naheliegend: "Natürlich ist er als Bundespräsident für alle Österreicherinnen und Österreicher zuständig und kann demnach nicht mehr nur seine urgrüne politische Meinung auf seiner Seite akzeptieren." Bei anderen Politikern hält Poier Eingriffe in die Postings auf deren Facebook-Seiten dagegen durchaus für legitim. Es sei jedem Politiker selbst überlassen, welche Inhalte er auf seiner Seite kommentiert haben will, sagt Poier: "Man kann hier keine allgemein gültige Grenze ziehen." Für die Zukunft traut Poier den sozialen Medien noch weiter steigende Relevanz für den politischen Sektor zu.

Heinz Peter Wassermann, Dozent am Institut für Journalismus und Public Relations an der FH Joanneum in Graz, sieht das ähnlich. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht sei das Löschen von Kommentaren zwar "Gesprächsverweigerung", dennoch hält der Medien-Experte dieses Vorgehen zum Teil für nachvollziehbar. Denn nicht alle Unterhaltungen in den sozialen Medien seien danach ausgerichtet, die Gesprächsbasis zu fördern: "Bei Social-Media-Kommunikation geht es mitunter nicht um den Dialog an sich, sondern darum, wer am Ende Sieger ist." Der Tipp, den Wassermann den Politikern gibt, gilt deshalb wohl auch für einige User: "Vor dem Tastenklopfen Hirn einschalten."

Der Autor ist Student an der Katholischen Medien-Akademie

KLARTEXT

Von Manfred Prisching

Drohender Systemkollaps

Wir haben uns, trotz Beispielen aus der Geschichte, an die Idee gewöhnt, dass es nicht mehr (oder erst in ferner Zukunft) geschehen kann: dass große Systeme zusammenbrechen. Interessanter-und fatalerweise können wir nun die Hintergründe und Abläufe von drei Krisen zu gleicher Zeit beobachten - fast eine Anregung für eine Typologie des Institutionenzerfalls.

Da ist der Zusammenbruch der katholischen Kirche, jedenfalls in Europa. Der langfristige Trend der Säkularisierung. Verknappung der Ressourcen. Aber dann eine Serie von Skandalen, die man, bis in die jüngsten Tage, nicht adäquat zu beantworten in der Lage ist. Versteckte Polarisierung in der Anhängerschaft: Wieviel Reform ist ohne Spaltung möglich? Das blinde Vertrauen, dass die Kirche in Gottes Hand ruht, reicht ebenso wenig zum Überleben wie der alte Hinweis, dass die Kirche in Jahrhunderten denkt: So viel Zeit ist nicht mehr.

Dann beobachten wir den Zusammenbruch Europas. Mit der Europäischen Union schien ein institutionelles Gebilde geschaffen, welches zugleich Grundlage für jenes gemeinsame politisch-kulturelle Verständnis sein sollte, das Europa eint und als transregionalen Akteur aufrechterhält. Nun aber Brexit. Verrückte Regierungen an der Südküste. Hinausgleiten von Ostländern. Turbulenzen auf dem Balkan. Rückfall wäre Zerfall. Aber das könnte eintreten.

Schließlich der Zusammenbruch des Westens. Seit vielen Jahren schon gibt es Bestseller über den Niedergang der amerikanischen Vorherrschaft in der Welt, aber niemand hätte sich vorstellen können, dass eine pathologische Gestalt im Weißen Haus einen derart raschen Verfall des Landes bewirken könnte -und, noch kurioser, dass die Hälfte der Bevölkerung den Niedergang nicht wahrnimmt. Preisgabe des Nahen Ostens. Rückzug aus Asien. Desinteresse an Europa. Russen und Chinesen können gar nicht so viel Champagner bestellen, um die geschenkte Macht zu feiern.

Der Autor ist Soziologe an der Universität Graz

Die geschlossene Facebook-Gruppe 'I was blocked by HC Strache' hat über 3800 Mitglieder. Nicht wenige geben an, den Vizekanzler sachlich kritisiert zu haben.

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