Demonstrationen trotz Treue zum Sultan - Beispiel Oman

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Im Sultanat Oman vollziehen sich die Veränderungen friedlicher als anderswo in der arabischen Welt. Das liegt an den erfüllbaren Forderungen der Demonstranten und der Nachgiebigkeit des absoluten Herrschers.

Auch im absolutistisch regierten Sultanat Oman war es in den vergangenen Wochen zu Demonstrationen gegen Korruption und für demokratische Reformen gekommen. Trotz eines relativen Reichtums der Bevölkerung (BIP: 15.000 Dollar/Kopf) hat das Land mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Doch schnell eingeleitete Reformen kalmierten die Lage. Ein Augenzeugenbericht von Johann Günther, Rektor der Buraimi-Universität im Oman.

Wenn ich bei Anbruch des Tages ins Büro fahre denke ich: "Wird heute wieder gestreikt?“ "Wieder demonstriert?“ "Wird die Aula voll mit Studenten sein?“ "Werden sich die Sprechchöre überschlagen?“ Die Leute hier sind auf den Geschmack gekommen zu demonstrieren. Per Gesetz ist es eigentlich verboten, aber seit einigen Wochen wird es toleriert.

Es begann in der Stadt Soha. Eine Industriestadt am Meer mit dem größten Hafen des Landes. Die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor. Es gab erste Tote. Sultan Kabus reagierte. Innerhalb weniger Tage wurden alle Betriebe des Landes angewiesen die Mindestgehälter auf 400 Euro anzuheben und 50.000 neue Jobs versprochen. Arbeitslose bekommen Zahlungen und Minister wurden ausgetauscht.

Jetzt versuchen viele sich Gehör zu verschaffen. Teilweise habe ich aber das Gefühl, es wird auch aus Spaß gestreikt. Die Leute wissen oft gar nicht wofür, aber sie wollen streiken.

Forderung nach Arbeitsplätzen

Der regierende Sultan ist ein Mann, den viele seiner Untertanen verehren und lieben. Die Demonstrationen haben nicht das Ziel, ihn zu vertreiben. Man will höhere Gehälter und mehr Jobs. Die Gehälter wurden hier jahrelang nicht angepasst.

Mit der Inflation wurde das Einkommen immer weniger. Junge Menschen ohne Job fordern jetzt, dass man ihnen Berufsaussichten gibt. Lehrer und Busfahrer demonstrieren für höhere Gehälter. Dieser Tage haben sogar die Angestellten des internationalen Hotels Intercontinental gestreikt.

Die Regierung gibt nach und will beruhigen. Den Studierenden der einzigen staatlichen Universität hat man 2000 Euro gegeben. Den Angestellten der Universität 6000. Man hat sich die Ruhe erkauft. An den privaten Universitäten wird weiter gestreikt und demonstriert.

Ich leite hier eine Universität am Land. Unsere Stadt liegt in einer Oase am Rand des Landes. Direkt an der Grenze zu den Vereinigten Emiraten. Ein Stacheldrahtzaun trennt uns vom Nachbarland. Eine geteilte Stadt. Manche Straßen sind durch den Zaun geteilt. Auf der anderen Straßenseite ist das Nachbarland. Abu Dabi ist modern und überschwänglich. Der Oman ist konservativ. Speziell hier am Land. Alle sind konservativ gekleidet. Männer in langen weißen Kleidern und einem bunten Turban am Kopf. Die Frauen in Schwarz. Keine einheimische Frau traut sich hier ohne schwarze Kleidung auf die Straße. Auch alle Studierenden sind auf diese Weise angezogen.

Abseits der besonderen Kleidungskultur sind Studenten sind nicht anders als bei uns in Europa. Sie sind informiert und denken modern. Das Internet macht es möglich. Aber auch hier gab es Demonstrationen. Die Vertreter der Studierenden verlangten niedrigere Studiengebühren (die Studierenden zahlen hier bis zu 5.000 Euro pro Semester, bei einem Mindesteinkommen von 500 Euro), bessere Wohnbedingungen in den Studentenheimen und billigere Bücher. Alles sachorientierte Forderungen. Niemand würde auf die Idee kommen, gegen den herrschenden Sultan aufzutreten. Eine Gruppe von Demonstranten hatte sogar ein Transparent aufgespannt "Majesty - we love you“.

Die Veränderung lernen

Es ist friedlich im Land, aber Forderungen werden weiter gestellt. Sachlich und faktenorientiert. Aber doch bestimmt. Ich sehe hier eine friedliche Veränderung des Landes. Schritt für Schritt werden Neuerungen eingeführt. Die Leute müssen auch erst lernen damit umzugehen. Meine Studierenden hatten schon Probleme ihre Vertreter zu wählen. Sie hatten das vorher noch nie gemacht. Aber auch das ist Ausbildung. Es gibt kein politisches System. Familienclans sind die entscheidenden Gesellschaftseinheiten. Politische Parteien sind unbekannt. Nun kommen in der Universität Jugendliche aus verschiedensten Familien zusammen und müssen sich für einen Vertreter pro Klasse entscheiden. Das macht schon Probleme. Jeder Clan forciert seinen Vertreter. Gemeinsamkeiten sind nur schwer zu finden. Aber auch das ist ein Lernprozess.

* Der Autor ist Marketingfachmann und Medienwissenschafter. Seit September 2010 ist er Rektor der Buraimi-Universität im Oman.

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