Der Armen-Sparschock

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Schon bisher tat sich Österreich als Entwicklungshilfe-Knauser hervor. Doch mit dem Sparpaket sind nun auch die Minimalprogramme für die Entwicklungshilfe gefährdet. Geht es nach dem Finanzministerium, sollen die Unterstützungsgelder bis 2014 um ein Drittel gekürzt werden.

Das Archiv ist nicht immer nur die Rache des Journalisten, wie das Bonmot sagt, es ist auch ein gnadenloses Spiegelbild der politischen Vergänglichkeit. Außenminister Michael Spindelegger etwa wird folgendes Zitat aus dem Jahr 2008 unschwer wiedererkennen: "Österreich ist der Ansicht, dass die Erhaltung von Frieden und Sicherheit am besten durch internationale Zusammenarbeit bei der Lösung wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Probleme erreicht werden kann, insbesondere durch Unterstützung von Ländern in ihrem Kampf gegen Armut. Um dazu beizutragen, dass Länder in die Lage versetzt werden, sich zu entwickeln und zu wachsen, hat Österreich sich verpflichtet, seine öffentliche Entwicklungshilfeleistungen bis 2010 auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen, mit der Zielsetzung, bis 2015 0,7 Prozent zu erreichen."

Ja, so war das vor zwei Jahren. Vom manifest guten Willen zeugen jetzt noch die Fotos, die den Außenminister beim Besuch österreichischer Hilfsprojekte in Äthiopien zeigen. Dienstag vergangener Woche aber mussten die Vertreter zahlreicher Hilfsorganisationen bei einem Treffen im Außenministerium feststellen, wie weit es denn mit der humanitären Verantwortung der Bundesregierung her ist. Nicht nur verfehlt Österreich die 0,7 Prozent um mehr als die Hälfte. Nun wird auch noch der Minimalbeitrag Opfer der Budgeteinsparungen der Regierung.

Im Ganzen, so erfuhren die zunächst geschockten und dann merklich aufgebrachten NGO-Vertreter, wird das Außenministerium 2011 von 13,8 Millionen, die insgesamt gespart werden sollen, stattliche 9,4 Millionen Euro allein im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kürzen. Doch das ist nicht das Ende. In den Jahren zwischen 2011 und 2014 soll dieser Sparkurs auf bis zu 33,4 Millionen Euro gesteigert werden. Das wäre eine Kürzung der operativ verfügbaren Gelder für Hilfsprojekte um ein Drittel - von heute 98 Millionen auf 65 Millionen Euro im Jahr 2014.

Die Erklärung des Ministers in der Runde, ihm seien die Hände gebunden, er verhandle aber noch mit dem Finanzminister um die Möglichkeit der Spendenabsetzbarkeit für Stiftungen, reichte offenbar nicht aus, die Gemüter zu beruhigen. "Danach wurde es laut", berichtet einer der enttäuschten Teilnehmer.

Schon seit dem Frühjahr tagte eine ministeriumsinterne Arbeitsgruppe unter dem Generalsekretär Johannes Kyrle, über deren Ergebnisse im Laufe des Sommers schon bei manchen Helfern die Alarmglocken schrillten. Denn schon damals zeichnete sich ab, wo der Rotstift des Ministers besonders tiefe Spuren hinterlassen würde: bei den "Ermessensausgaben", also jenem ungebundenen Budgetteil, über den Spindelegger frei disponieren kann.

Ermessens-Pech

Pech für die Entwicklungshilfeagentur ADA (Austrian Development Agency), die die Hilfsgelder an die konkreten Projekte und Trägerorganisationen verteilt: Beinahe ihr gesamtes Budget fällt unter diese "Ermessensausgaben".

Christoph Petrik-Schweifer, Chef der Caritas Auslandshilfe: "Wenn man den einzusparenden Betrag in Nahrungsmittel umrechnet, bekommen 900.000 Menschen kein Getreide mehr." Die Regierung stehle sich so aus der Verantwortung. "Österreich ist jetzt schon Negativ-Weltmeister bei der Einhaltung der Millenniumsziele. Petrik-Schweifer fordert deshalb, die Entwicklungshilfeausgaben gesetzlich zu regeln und damit aus den viel leichter angreifbaren Ermessensausgaben zu holen. Er fürchtet auch einen Schneeballeffekt, den das österreichische Beispiel bei anderen reichen Nationen auslösen könnte.

Gabriel Müller, Kommunikationsleiter für Licht für die Welt: "Es ist schon fast perfid, mit eventuellen Anreizen für Stiftungen zu argumentieren. Das ganze Vorgehen konterkariert auch die Versprechungen der vergangenen Jahre."

Tatsächlich war die ADA 2004 als Kompetenzzentrum gegründet worden, das den operativen Teil der vom Ministerium koordinierten Entwicklungshilfe übernehmen sollte. Mit seinen 80 Mitarbeitern sollten die steigenden Entwicklungshilfebeiträge Österreichs professionell und effizient umgesetzt werden. Nun drohen auch dort Restrukturierungsmaßnahmen und Büroschließungen, wie im Ministerium kolportiert wird. Bei derzeitigem Stand kann nun weder die ADA noch eine der Hilfsorganisationen, deren Projekte mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden, ein haltbares Budget abgeben. In der ADA heißt es, das Ministerium hätte bloß mitgeteilt, dass es zehn Prozent weniger Geld gäbe, sei aber alle Details schuldig geblieben. Mit den Einsparungen für 2011, so heißt es in der ADA, könne man noch irgendwie umgehen, mit den Einsparungstranchen danach aber nicht.

Verzweiflung der Helfer

"Alles, was wir tun können, so Gabriel Müller von Licht für die Welt, ist Hilfeschreie abzusetzen in der Hoffnung, dass uns jemand hört. Sollte die öffentliche Hand ihre Hilfe um ein Drittel zurückfahren, würde uns das ins Mark treffen." Reinhard Heiserer, Geschäftsführer der Kinderhilfsorganisation Jugend Eine Welt ergänzt: "Die massiven Einsparungen werden am Ende die Kinder am härtesten treffen. Viele Projekte sind akut gefährdet."

In einer Stellungnahme gegenüber der FURCHE argumentiert das Außenministerium damit, man spare nicht nur bei der ADA, sondern auch durch die Schließung von Botschaften und Konsulaten. Am Sparen jedoch führe kein Weg vorbei. Man hoffe allerdings, dass die budgetäre Lage sich nach 2011 so weit bessern werde, dass der Sparkurs abgemildert und der 0,7-Prozent-Entwicklungshilfeanteil am BNP wieder aufgenommen werden könne.

Einige Teilnehmer der Diskussion mit Spindelegger erinnern sich allerdings an weniger zuversichtliche Worte des Ministers. Vielmehr habe er bedauert, dass die NGOs eben kein so wirkungsvolles Lobbying hätten wie andere Gruppen der Gesellschaft.

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