Der begabteste Enkel

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Im Grunde ist das Buch eine ausführliche Parteitagsrede", resümierte Oskar Lafontaine bei der Präsentation seiner Anklageschrift "Das Herz schlägt links" auf der Frankfurter Buchmesse. Wenn sich das Urteil bestätigt, stehen die Chancen für ein Comeback Lafontaines nicht schlecht. Schon einmal, beim Mannheimer Parteitag 1995, verdrängte er mit einer furiosen Rede Rudolf Scharping vom SPD-Vorsitz und setzte sich zu einem Zeitpunkt an die Parteispitze, als viele seinen Stern bereits im Sinken glaubten.

Begabtester Enkel des politischen Ziehopas Willy Brandt wurde Lafontaine genannt. Jetzt rechnet er mit jenen ab, denen er vorwirft, Brandts sozialdemokratisches Erbe zu verraten. Die Ankündigungen und Vorabdrucke, die das Buch als einzige Schlammschlacht darstellten, waren aber maßlos übertrieben.

Im überwiegenden Teil des Buches wiederholt der Autor sein politisches Credo, für das er schon als Finanzminister angegriffen wurde: Die Politik müsse wieder die Dominanz über die Finanzmärkte gewinnen, und eine weltweite Regulierung der Kapitalströme ist nötig. Lafontaines Gegner sind die sozialdemokratischen Modernisierer und die angebotsorientierten Notenbanker. Zinsen senken, Nachfrage steigern, fordert dagegen Lafontaine in bester keynesianischer Rhetorik.

Die wenigen Einblicke in das zwischenmenschliche Verhältnis von Kanzler und Finanzminister sind eine kurzweilige Abwechslung zwischen den wirtschaftspolitischen Abschnitten. So berichtet der Autor von einem Anruf Frau Schröders bei sich zu Hause. Sie fragt was los sei, da Herr Schröder übel gelaunt zu Bett ist. Oskar überläßt seiner Frau den Hörer, und nach einem langen Gespräch der beiden wird der Kanzler ans Telefon geholt, und beide Streithähne müssen sich entschuldigen.

An einem gewissen Punkt reichte dann aber nicht einmal mehr das Vermittlungsgeschick der Ehefrauen, und es kam zum endgültigen Bruch zwischen den beiden Enkeln.

Ist nach dieser Abrechnung jemals wieder Platz für einen Oskar Lafontaine in der SPD? Der Partei wird es sehr schlecht gehen müssen, um sich erneut an ihren "Napoleon von der Saar" zu wenden. Und dieser würde sich lange bitten lassen. Zu sehr paßt ihm die Rolle des Märtyrers, der unverstanden für die Umsetzung sozialdemokratischer Ideale leidet. Ein Politiker wie Lafontaine kann nicht still abtreten. Sein Herz schlägt nicht nur links, es schlägt genauso gern auf die Pauke. W. Machreich Das Herz schlägt links Von Oskar Lafontaine Econ Verlag, München 1999 317 Seiten, geb., öS 298,-/e 21,66,

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