Der Charme der Farbe Lila
Was für eine Aufregung über Rot-Blau im Burgenland! Dabei hat eine Kooperation von SPÖ und FPÖ durchaus eine innere Logik - auch wenn sie nicht zwingend ist.
Was für eine Aufregung über Rot-Blau im Burgenland! Dabei hat eine Kooperation von SPÖ und FPÖ durchaus eine innere Logik - auch wenn sie nicht zwingend ist.
Rot und Blau zusammengemischt ergibt Lila (Violett) - in der katholischen Liturgie die Farbe der Buße. Und es spricht einiges dafür, die Bredouille, in welche die SPÖ durch ihre Koalition mit der FPÖ im Burgenland geraten ist, als eine Art Buße für das ungeklärte Verhältnis und den unaufrichtigen Umgang der Sozialdemokratie mit dem "Dritten Lager" zu sehen. Es ist dies, nebenbei bemerkt, eine spezifisch österreichische Facette des "Antifaschismus", eines Lieblingsnarrativs der Linken, dessen Verlogenheit sich am deutlichsten in der von den damaligen DDR-Machthabern zum "antifaschistischen Schutzwall" stilisierten Berliner Mauer manifestiert hat.
Von Bruno Kreisky (1970) über Fred Sinowatz (1983) und Peter Ambrozy (2004) bis zu Hans Niessl (2015) spannt sich der Bogen rot-blauer Verhältnisse. Nicht zu vergessen das legendäre Ludersdorfer Spargelessen - ein Zusammentreffen des SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer mit dem Kärntner Landeshauptmann und informellen FPÖ-Chef Jörg Haider in einem oststeirischen Gasthof anno 2003, also just zur Zeit der schwarz-blauen Regierung.
Fast immer rechte Mehrheiten
Konkreter Hintergrund des Gesprächs war die Pensionsreform des Kabinetts Schüssel II, der beide skeptisch gegenüber standen. Haider sprach damals von einem "positiven Gedankenaustausch" und erklärte, er sei in dieser Frage "sicherlich näher bei den Sozialdemokraten" als bei dem, "was sich Schüssel vorstellt"; Gusenbauer meinte, es gehe "jetzt darum, dass hier nicht überfallsartig Menschen etwas weggenommen wird".
Damit sind wir schon ziemlich nahe am entscheidenden Punkt, nämlich der Frage nach dem ideologischen Kern der FPÖ. Versteht man diese entsprechend der gängigen Lesart als Rechtspartei, so hat es in diesem Land mit Ausnahme der Jahre 1971 bis 1983 immer rechte Mehrheiten gegeben. Dass diese politisch außer zwischen 1966 und 1970 (VP-Alleinregierung) sowie 2000 und 2007 (Schüssel I &II) nie realisiert wurden, hat unterschiedliche Gründe: historische (vor allem in den Jahren nach dem Krieg), bürgerliche Feigheit und natürlich auch die tatsächlich problematischen Aspekte der FPÖ, ihr habituelles Anstreifen am extrem rechten Rand.
Ein wesentlicher weiterer Grund aber ist, dass es tatsächlich auch viele Berührungspunkte zwischen Rot und Blau gibt: Das wurzelt in der Geschichte, in der gemeinsamen Gegnerschaft zum "Ständestaat"-Regime und zeigt sich bis heute vor allem in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Wenn es darum geht, dass niemandem "überfallsartig etwas weggenommen" wird, sind sich internationale und nationale Sozialisten schnell einig (ebenso übrigens in Sachen Russland-Nähe und US-Skepsis). Man könnte auch ganz einfach sagen: Bei Rot wie Blau gibt es tiefsitzende Mentalreserven gegenüber Schwarz. Und vice versa (wenn auch nicht ganz so stark).
Vetter Franz' Signalwirkung
Das ändert nichts daran, dass es sich weder ÖVP noch FPÖ leisten können, die Option einer (erneuten) Zusammenarbeit auszuschließen. Dazu gibt es insbesondere im gesellschaftsund bildungspolitischen Bereich zu viele Überschneidungen, wo man sich gemeinsam klar von Rot-Grün(-Pink) unterscheidet. In diesem Sinn darf man übrigens die Neuzugänge zum VP-Klub in Gestalt der Ex-Stronach-Leute Georg Vetter und Marcus Franz -ungeachtet des medialen Mainstream-Gejaules - durchaus als Signal sehen: Die ÖVP hat damit ganz klar im liberalen wie konservativen Spektrum Akzente gesetzt (und wenn Franz künftig auch das eine oder andere bereitgestellte Fettnäpfchen auslässt, wäre es noch besser).
Aus demokratiepolitischer Sicht muss man zur Kenntnis nehmen, dass es mittelfristig wohl keine Alternativen zur "Großen" Koalition ohne FPÖ geben wird. Wer das nicht will, kann warten, bis die FPÖ die Nummer eins wird - oder (noch vorher) für ein Mehrheitswahlrecht eintreten.
rudolf.mitloehner@furche.at
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