"DER DÜMMSTE aller Wahlkämpfe"

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Was er sich von der Vorarlberger ÖVP erwartet, warum er von der Kampagne der SPÖ maßlos enttäuscht ist und welche Koalition er am spannendsten fände, erklärt der Autor Michael Köhlmeier im FURCHE-Gespräch.

DIE FURCHE: Im Landtagswahlkampf 2009 kam es zum Eklat, als FPÖ-Spitzenkandidat Dieter Egger den Direktor des jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als 'Exiljuden aus Amerika' bezeichnete. Darauf hat der damalige ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber die Koalition mit der FPÖ beendet. Erwarten Sie, dass sein Nachfolger Markus Wallner wieder eine Koalition mit der FPÖ eingehen könnte?

Michael Köhlmeier: Egger hat sich in den fünf Jahren seiter nie entschuldigt, also hat er keinen Platz in der Regierung. Ich glaube, dass er die Tragweite dieses heftigen antisemitischen Spruches gar nicht kapiert hat. "Von einem Exil-Juden aus Amerika lassen wir uns nichts sagen." Dennoch konnte die FPÖ ihre Stimmen fast verdoppeln. In Vorarlberg bringt Antisemitismus eben Stimmen. DIE FURCHE: Lange Zeit hatte die ÖVP die FPÖ ja nicht nötig, weil sie über eine absolute Mehrheit verfügte. Das ist jetzt anders.

Köhömeier: Ich hoffe, dass Wallner nicht wortbrüchig wird. Alles andere würde eine schlechte Optik für die ÖVP erzeugen.

DIE FURCHE: Wie könnte sich die Erosion der Bundes-VP auf die ÖVP hier auswirken?

Köhlmeier: Positiv. Nicht deswegen, weil Mitterlehner besser ist als Spindelegger, was ich glaube, sondern einfach, weil sich etwas geändert hat. Das funktioniert wie Fernsehprogramm: Wenn man die Zeit lang immer das gleiche Programm sieht, ist es einem irgendwann wurscht, ob das andere Programm besser oder schlechter ist, Hauptsache es ist ein anderes Programm.

DIE FURCHE: Mit welcher Koalition rechnen Sie?

Köhlmeier: Wenn es sich mit den NEOS ausgeht, werden es die Schwarzen mit den NEOS machen. Natürlich tut man sich lieber mit dem Sohn als mit dem Nachbarskind zusammen. Als ich aufgewachsen bin, herrschte in Vorarlberg die Meinung, die Wähler einer anderen Partei als der ÖVP sind entweder leicht geistesgestört oder ihre Haltung fällt unter jugendlich-rebellische Abweichung.

DIE FURCHE: Wobei es ja auch den Krieg zwischen Vater und Sohn gibt.

Köhlmeier: Die NEOS sind für die ÖVP eine "pressure group". Früher oder später wird sich die ÖVP an den Werten der NEOS orientieren müssen, wenn sie nicht weiter schrumpfen will. Sie müssen sich nicht gänzlich auf die Positionen der NEOS bewegen, aber ein bisschen in diese Richtung, um wieder attraktiver zu werden und die NEOS irgendwann wieder aufzusaugen.

DIE FURCHE: Und welche Koalition erachten Sie tatsächlich als wünschenswert?

Köhlmeier: Schwarz-Grün. Den grünen Spitzenkandidaten Johannes Rauch halte ich für einen angenehmen, realistischen Menschen. Von Fanatismus oder Hochmut merkt man bei ihm nichts, wie das bei manch anderen Grünen der Fall ist, die glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben. Mir ist eine pragmatische Partei recht. Politiker, die Charisma ausströmen, sind mir verdächtig. Der größte Charismatiker nach Kreisky war Haider, der ein Bundesland ruiniert hat.

DIE FURCHE: Bisher hat die Vorarlberger ÖVP lieber mit blau als mit grün koaliert.

Köhlmeier: Viele Wirtschaftstreibenden in der ÖVP wollen keine Koalition mit den Grünen. Die Wirtschaft ist in Vorarlberg traditionell blau. Manche ÖVP-Politiker kalkulieren, dass die FPÖ-Leute weder das intellektuelle noch das moralische Format besitzen, um Politik zu betreiben. Also kann sich die ÖVP auf eine schwarze Alleinregierung mit blauem Anhängsel einstellen. So hat das im Vorarlberger Landtag funktioniert und auch im Bund unter Schüssel.

DIE FURCHE: Wie nehmen Sie die Gartenzwerge-Kampagne der SPÖ wahr?

Köhlmeier: Ich stehe der SPÖ nahe, darum trifft mich diese Kampagne sehr. Ich glaube, ich habe nie einen dümmeren Wahlkampf erlebt. Das hat mich im Herz getroffen, dass diese Partei sich dermaßen von jeder Politik verabschiedet hat. Man könnte sich auch vorstellen, dass die Zwerge für Gartenschuhe Werbung machen oder für Sonnenbrillen.

DIE FURCHE: Glauben Sie nicht, dass die große Aufmerksamkeit der SPÖ helfen wird?

Köhlmeier: Wenn man meint, es sei egal, was über einen gesagt wird, Hauptsache es wird über einen geredet, dann mag das sein. Aber auch wenn ich in der Washington Post als Depp belächelt werde, werde ich als Depp belächelt.

DIE FURCHE: SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ritsch meint, die Kampagne zeuge von Selbstironie und Humor.

Köhlmeier: Achso? Was soll an diesen Zwergen politisch sein? Gelungen fand ich, was Antonio Fian über diese Kampagne schrieb: Die Zwerge sind nicht vom politischen Gegner geklaut worden. In einem Land, wo man die Zwerge an die Laternenpfähle hängt, da emigrieren sie halt.

DIE FURCHE: Die Grünen haben 2009 knapp elf Prozent erreicht. Wäre im umweltbewussten Vorarlberg nicht mehr drin?

Köhlmeier: Die werden dazugewinnen. Es ist erfreulich, dass die Grünen die einzige Partei sind, die bei Kommunalwahlen Themen anspricht, die nicht am Tellerrand des Landes enden, etwa aktuell die Ukraine. So zu tun, als hätte unser Land nichts mit dem Rest der Welt zu tun, ist lächerlich.

DIE FURCHE: Was fällt Ihnen bei den Plakaten der restlichen Parteien auf?

Köhlmeier: Sowohl ÖVP als auch FPÖ und SPÖ haben ihren Parteinamen so klein wie möglich oder gar nicht auf den Plakaten stehen. Beim Wallner-Plakat steht ÖVP gar nicht drauf, irgendwo steht ganz klein "Volkspartei", und auch bei der FPÖ steht ganz klein am Rand unten "Freiheitliche".

Die Furche: Wie deuten Sei das?

Köhlmeier: Die Parteien schämen sich dafür, dass sie Parteien sind, weil der Ruf der parlamentarischen Demokratie so schlecht ist, auch schlecht geschrieben wurde von den Journalisten. Wenn die Wahlbeteiligung bei unter 50 Prozent liegt wie in Deutschland bei mancher Landeswahl, wird so getan, als wolle der mündige Bürger den Politikern etwas heimzahlen. Was ist daran mündig, nicht zu wählen? Im alten Griechenland hat man solche Leute "die Idioten" genannt. Politikverdrossenheit halte ich in erster Linie nicht für ein Zeichen dafür, dass die Politiker schlechte Arbeit machen, sondern dafür, dass das Volk von einer unüberbietbaren Blödheit befallen ist.

Die Furche: Woran liegt dieses Desinteresse?

Köhlmeier: An einer erschreckenden historischen Unbildung. Heute hat die FPÖ laut Umfragen bundesweit 28 Prozent. Eine durch und durch korrupte und moralisch verkommene Partei. Die Leute haben vergessen, dass die FPÖ ein Bundesland völlig ruiniert und sich im Bund an allen Ecken und Enden bedient hat. Was ist von einer Partei zu halten, die dann Stimmen gewinnt, wenn sie sich ruhig verhält, und dann verliert, wenn sich wieder einmal einer zu Wort meldet?

Die Furche: Die FPÖ wirbt mit "Kein Deutsch, keine Chancen".

Köhlmeier: Ich habe bei der letzten Wahl einen siebenzeiligen Text der FPÖ gefunden, in dem acht Fehler waren. Wenn man sich den Egger anschaut, der keinen geraden Satz herausbringt, ist es einfach lächerlich, wenn so jemand von Deutsch-Kenntnissen spricht.

Die Furche: NEOS-Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht ist hier die einzige Frau an einer Parteispitze.

Köhlmeier: Es kann mir niemand erklären, dass die Parteien keine Frauen finden. Wenn man die Quote braucht, ist das ein extremes Armutszeugnis. Entweder war die Partei nicht attraktiv genug für Frauenodermanhatsieaussortiert. Die Furche: Welche Themen sollten diesen Wahlkampf dominieren?

Köhlmeier: Bildung. Wir haben keine Universität in Vorarlberg. Auch Integration ist ein wichtiges Thema hierzulande.

Die Furche: Welchen Wahlslogan hätten Sie für die Landtagswahl 2014 gewählt?

Köhlmeier: Am ehesten passen würde wohl "Vorarlberg darf nicht Kärnten werden".

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