"Der einzige Mann in der ukrainischen Politik"

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Von Julia Timoschenko heißt es, sie ist "der einzige Mann in der ukrainischen Politik" - nur sie könne die Oligarchen in die Schranken weisen, weil sie weiß, wie die denken, weil sie weiß, wie die handeln, weil sie selber aus dieser Ecke kommt. Im Wahlkampf zeigte sie sich in Weiß mit einem roten Herz als Symbol - eine schmerzensreiche Mutter der Nation, die unter Präsident Juschtschenkos Kompromissen mit den Vertretern der alten Staatsmacht litt.

Mit Platz 2 die Wahlsiegerin

"Sie kann wirklich etwas für das Volk tun", meint eine Timoschenko-Anhängerin, die Wohnungsmaklerin Oxana, in Kiew. Und Roxana ist mit ihrer Pro-Timoschenko-Stimme am vergangenen Wahlsonntag in der Ukraine nicht allein geblieben. Die Ernüchterung über ausbleibende Erfolge der "Orangenen Revolution" hat die Wähler zu Timoschenko getrieben - mit fast 24 Prozent der Stimmen erreichte sie Platz zwei, doch eigentlich hat sie die Wahl gewonnen, denn sie kann sich jetzt aussuchen, mit wem sie sich zusammentut: mit ihrem früheren Verbündeten Viktor Juschtschenko oder mit dessem Gegner Viktor Janukowitsch.

Schon einmal regierte die Ikone der Orangenen Revolution als Ministerpräsidentin, bis Juschtschenko sie vor einem halben Jahr im Streit entließ. Mit ihrem Wahlerfolg klopft sie jetzt wieder ganz kräftig an die Tore des großen grauen Ministerratsgebäudes in Kiew. Und wenn die Neuauflage der orangenen Koalition zu Stande kommen sollte, erhält Timoschenko mehr Macht. Die neue Verfassung wertet den Regierungschef gegenüber dem Präsidenten auf. Doch wenn der zweite Anlauf des politischen Traumpaars diesmal klappen soll, müssen Julia und Viktor besser kooperieren.

Mit Videoverleih angefangen

Timoschenko hat immer wieder mit einem neuen Image überrascht. Die 45-Jährige aus der Industriestadt Dnepropetrowsk begann ihre Geschäftskarriere in der Spätzeit der Sowjetunion mit einem Videoverleih. Elegante Kostüme lösten bald den Minirock ab, als sie Mitte der 1990er Jahre zur reichen Besitzerin des Gaskonzerns "Vereinigte Energiesysteme der Ukraine" aufstieg. Der frühere Präsident Leonid Kutschma brachte seine Vizeregierungschefin ins Untersuchungsgefängnis und schuf sich damit eine unversöhnliche Feindin. Bei den Massenprotesten in Kiew 2004 organisierte sie den Widerstand.

Eigennützige Populistin?

Timoschenkos Gegner sehen sie als Populistin, die den Reichtum von Oligarchen und korrupten Bürokraten an das Volk umverteilen will - und selber Dreck am Stecken hat. An ihren Eingriffen in die Wirtschaft entzündete sich auch der Streit mit Juschtschenko. Andere sagen, Juschtschenko und die mit ihm verbündeten Unternehmer hätten Timoschenko in dem Moment gestoppt, als sie im Streit mit russischen Ölkonzernen kurz vor dem Sieg stand.

Doch auch wenn die Zukunft einer Regierung Timoschenkos ungewiss ist, die Ukraine hat, nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachter, mit dieser Parlamentswahl demokratische Reife bewiesen - und das ist, besonders im Vergleich zu Nachbar Weißrussland, fürs erste einmal das Erfreulichste. WM/APA

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