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Der fremde Hut

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Im Bundesministerium für Landesverteidigung hat man Sorgen. Das ist verständlich: Ein neuer Jahrgang von Rekruten steht vor den Kasernentoren, der große „Landesverteidigungsplan” — er oll die Grundzüge der Verteidigung von Oesterreichs Freiheit enthalten — will fertiggestellt werden, und nicht zuletzt heißt es, die notwendigen Mittel zur Anschaffung moderner Waffen und erprobten Materials aus dem Staatshaushalt durch gute Worte und ernste Vorstellungen abzuzweigen. Auch wenn man nicht Krieg führen, sondern im Gegenteil als neutraler Staat durch die Aufstellung eines Heeres nur Jeden Krieg von den Grenzen des eigenen Landes fernhalten will: Geld, Geld und wiederum Geld sind auch dafür die ersten drei Voraus- letzungen.

Im Bundesministerium für Landesverteidigung hat man aber nicht nur Sorgen. Man hat auch „Sorgen”. Die erste Etappe im Aufbau des Bundesheeres ist vorüber. Auch äußerlich soll dieser Entwicklung Rechnung getragen werden. Vor Hem au den Reihen des Offizierskorps kommt der Wunsch nach kleidsamen Uniformen für da Leben außerhalb der Kaserne und für festliche Ereignisse. Er ist verständlich und verdient vollste Berücksichtigung. Was liegt näher, als daß man gerade hier, wo es nicht um die mit gutem Recht vor allem dem Gebot der Zweckmäßigkeit untergeordnete Felduniform geht, die eigene Art und Individualität mit besonderer Liebe wie in allen Armeen, die etwas auf ich halten, pflegen will. So möchte man es glauben — aber gerade das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Sonst könnte nicht, von bestimmter Seite inauguriert, an den Minister der Vorschlag herangetragen werden, die Tellerkappe zunächst für den Offizier, später auch für den Mann im Bundesheer einzuführen. Hierzu ist klar und sachlich festzustellen: die Tellerkappe hat mit Ausnahme der Flieger, wo sie von der ehemaligen Marine übernommen wurde und wo man auch die dazugehörigen Distinktionen einführen soll, in einem österreichischen Heer nichts zu suchen. Sie ist hierzulande ein fremder Hut! Als solcher hat sie freilich auch so etwas wie eine „Tradition” — aber was für einel Da war zunächst die allgemeine Verwirrung der Geister in den ersten Jahren der von nicht wenigen Bürgern als „Staat wider Willen’ empfundenen jungen Republik nach 1918. Ihr Abbild: das bis auf den letzten Knopf für das Aufgehen in die Armee eines Nachbarstaates vorbereitete Bundesheer. Die rotweißrote Kokarde auf den Tellerkappen konnte über Nacht durch eine andere ersetzt werden… Als man im Zuge österreichischer Selbstbesinnung auch den österreichischen Soldaten wieder ein österreichisches Aussehen gab, wurde diese Maßnahme von viel breiteren Schichten gutgeheißen als jenen, die sonst die damalige Regierung unterstützten. 1938 war die Tellerkappe wieder da. Sie trug allerdings keine rotweißrote Kokarde mehr… Aber auch die Erfahrungen, die man mit den Soldaten unter der Tellerkappe 1945 und später gemacht hatte, sollten eigentlich nicht dazu angetan sein, das Herz für diese fremde militärische Kopfbedeckung höher schlagen zu lassen. Dem trug man auch zunächst Rechnung. Und das Ausland anerkannte, wie stets, wenn die eigene Art unaufdringlich und selbstsicher dokumentiert wird, dies mit Beifall. Seitdem erleben wir ein groteskes Schauspiel: Die deutsche Bundeswehr nähert sich Zug um Zug dem bekannten Bild des deutschen Soldaten in moderner Form, die nationalkommunistische Regierung Polens führt als eine ihrer ersten Maßnahmen unter allgemeinem Beifall an Stelle der russischen Tellerkappen des Regimes Rokossowskis die lan desüblichen viereckigen Konfederatken wieder ein und in Ungarn steht nicht an letzter Stelle des Revolutionsprogramms, für das junge Menschen ihr Blut gaben, die Forderung nach Rückkehr zu Uniformen, die der ungarischen Tradition entsprechen. Auf der Dominikanerbastei aber sinnen einige Kreise anscheinend, wie sie Stück für Stück alle österreichischen Elemente aus der Uniform unseres Bundesheeres hinaus- eskamotieren können.

O du mein Oesterreich!

Ein Leitartikel gegen die Tellerkappe. „Ist das nicht zuviel der Ehre?” könnte ein Freund fragen. Wir glauben nicht. Wir sind weit davon entfernt, Phrasen von der „schimmernden Wehr” oder dem „Ehrenkleid der Nation” zu wiederholen. Aber auch die Ansicht, das Kleid des Soldaten sei ein reines Berufsgewand wie etwa der Overall des Monteurs, kann nicht unsere Zustimmung finden. Da haben wir eine höhere Meinung von der Uniform. Neben der Fahne, dyn Wappen und der Hymne eines Staates wohnt gerade der Uniform de Soldaten sowohl gegenüber den eigenen Staatsbürgern als auch gegenüber dem Äüiländ auch 1 ttnsettr nüchternen Zeit eine nicht zu unterschätzende Symbolkraft inne.

Wenn also bestimmte Absichten bestehen, mit der lieben Ahnungslosigkeit sowie einer spezifisch österreichischen Nonchalance eine unheilige Koalition einzugehen, um unser Heer wieder unter einen fremden Hut zu bringen, s o muß dagegen ernster Widerspruch angemeldet werden. Die österreichische Uniform war zu allen Zeiten durch Schlichtheit wie durch Vornehmheit in gleicher Weise bekannt. Wir können nicht arinehmen, daß dem Bundesministerium für Landesverteidigung nicht auch Entwürfe vorliegen, die die charakteristische österreichische Offizierskappe in der dem Wandel der Zeit Rechnung tragenden Form weiterentwickeln.

Wir sollen nicht von Kappen und Uniformen, sondern von Flugzeugen, Maschinenpistolen und panzerbrechenden Waffen sprechen, könnten einige meinen. Als die Rote Armee 1941 am Rande des Zusammenbruchs stand, schickte Stalin zunächst weder Flugzeuge noch Panzer. Er schickte die alten russischen Offiziersschulterstücke, er sandte den Suworow-Orden. Die Panzer sandte er allerdings auch. Aber viel später. Will man noch immer nicht verstehen, welche Quellen der Kraft durch die in der eigenen Vergangenheit ruhenden Wurzeln vor allem für ein Heer erschlossen werden? Will man es nicht verstehen — oder will man eine andere Vergangenheit?

Bestimmt: Die Tellerkappe auf den Köpfen österreichischer Offiziere und Soldaten wäre — wir sind jeder Uebertreibung abgeneigt — noch kein Staatsnotstand.

Aber die Gesichts losigkeit, die Negation der eigenen Art steht stets am Anfang jenes Weges, der zur Geschichts losigkeit führt. Und den sind wir schon einmal gegangen.

Der Bundesminister für Landesverteidigung hat sich des öfteren als ein beredter Fürsprecher richtig verstandener Tradition vorgestellt. Es wäre für weite Kreise, denen die Freiheit und Selbständigkeit Oesterreichs nicht erst seit gestern ein Herzanliegen ist, äußerst befremdend, wenn er — was wir zur Stunde noch nicht glauben wollen — diesen Worten nicht die Tat folgen lilße.

In Oesterreich wird „Habt acht!” kommandiert. In die Schublade deshalb mit allen Tellerkappen.

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