Der Friede und seine Feinde

19451960198020002020

Die Friedensverhandlungen zwischen der FARC und der Regierung machen große Fortschritte. Nun versucht die Partei der Grundbesitzer in Kolumbien Störmanöver.

19451960198020002020

Die Friedensverhandlungen zwischen der FARC und der Regierung machen große Fortschritte. Nun versucht die Partei der Grundbesitzer in Kolumbien Störmanöver.

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn es nach den internationalen Medien und Agenturen geht, dann steht Kolumbien in diesen Tagen am Rand eines Bürgerkriegs und bestenfalls eines politischen Umsturzes. "Tausende demonstrieren gegen den Präsidenten", steht in den Nachrichtenagenturen zu lesen. Unterfüttert werden die Berichte mit Fotos von Demonstranten in Bogota, die Spruchbänder hochhalten: "Lügner", "Verräter". Steht Kolumbien also vor einem Umsturz? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Sicher, in mehr als 20 Städten sind Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Und diese Tausenden haben alle gegen den Präsidenten Juan Manuel Santos und die Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla demonstriert. In einigen Städten ließen sich die Regierungsgegner auch von starkem Regen nicht von ihren Protestmärschen abbringen. Und so marschierten sie denn unter großer Anteilnahme der Medien.

Aber Bolivien hat mehr als 48 Millionen Einwohner. Was sind dagegen insgesamt Zehntausend, die auf die Straße gehen, weil die Opposition sie dazu aufgefordert hat?

Der Schatten des Kriegs

Und sind diese Demonstrationen eine Überraschung, wenn man weiß, dass die Partei Demokratisches Zentrum von Santos' Amtsvorgänger Alvaro Uribe sich schon seit langem gegen die Friedensverhandlungen mit den FARC-Rebellen stellt?

Unabhängig von den Protesten befinden sich diese Verhandlungen beinahe vor einem erfolgreichen Abschluss. Sie haben vor mehr als drei Jahren begonnen, und neben der FARC ist seit dieser Woche auch die zweitgrößte Rebellenformation, die Nationale Befreiungsarmee, in Friedensgespräche eingetreten.

Sicher ist, dass das der Opposition nicht gut genug ist. So sagt der ehemalige Vizepräsident Francisco Santos der Nachrichtenagentur AFP: "Wir wollen keine Straffreiheit im Friedensprozess. Wir sind die vielen Lügen und die schlechte wirtschaftliche Führung, die Steuern und Inflation satt."

Aber es gibt auch eine andere Sicht der Dinge. Es gibt keine Entführungen der Rebellen mehr und kaum noch militärische Auseinandersetzungen. Das Wirtschaftswachstum Kolumbiens beträgt robuste fünf Prozent und die Inflation ist von drei auf zwei Prozent gesunken, ein Wert, der von den benachbarten Staaten nicht annähernd erreicht wird.

Möglichkeiten des Friedens

Und der Friedensprozess? Natürlich ist Frieden nach mehr als 50 Jahren Krieg und nach mehr als 260.000 Toten ein schwieriges Unterfangen. Aber die Alternative zu diesem Frieden, der auch zum Teil mit Straffreiheit für die Rebellen verbunden ist, wäre die Fortsetzung des Schlachtens und der Wiederaufstieg rechter paramilitärischer Strukturen, mit denen die Gefolgschaft des Expräsidenten Uribe in Verbindung steht. Wobei diese Fortsetzung des Krieges im Interesse einiger Großgrundbesitzer und einflussreicher Kolumbianer wäre. Denn sie würden bei einem Gelingen der Friedensgespräche massiv an Macht einbüßen. Ein Friedensabkommen würde den linken Rebellen die Teilhabe am politischen Leben eröffnen. In einigen Verhandlungskapiteln wurden bereits Einigungen erzielt. Ein umfassendes Friedensabkommens könnte Ende des Jahres unterzeichnet werden.

Ein besonderer Fortschritt dabei ist, dass nun auch die Nationale Befreiungsarmee (ELN), die zweitgrößte, ebenfalls marxistische Guerillagruppe des Landes, Friedensverhandlungen aufnimmt.

Diese Rebellengruppe ist vor allem im Osten des Landes aktiv und verübt immer wieder Anschläge auf die Infrastruktur. Die ELN soll derzeit rund 2000 Kämpfer in ihren Reihen haben.

Die Organisation wurde 1964 von Fabio Vasquez gegründet und orientierte sich zunächst stark am kubanischen Sozialismusmodell. Später schlossen sich viele von der Befreiungstheologie geprägte Geistliche der Gruppe an. Bis 1998 wurde die ELN von dem spanischen Priester Manuel Perez geführt. Die Gruppe hat mehrfach versucht, mit der kolumbianischen Regierung ein Friedensabkommen auszuhandeln. Bisher scheiterten alle Bemühungen an den fortgesetzten kriminellen Aktivitäten der ELN-Führungsriege um Nicolás Rodríguez alias "Gabino", der in Entführungen, Schutzgelderpressung und Drogenhandel verwickelt ist und Terroranschläge gegen Erdölpipelines und die Stromversorgung richtet.

(Zusätzliche Quellen: APA, AFP)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung