Der Kosovo bleibt weiter gespalten

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Vor acht Jahren wurde der Kosovo unabhängig. Doch der jüngste Staat Europas findet keinen Frieden. Immer wieder flammt die Gewalt zwischen Albanern und Serben auf.

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Vor acht Jahren wurde der Kosovo unabhängig. Doch der jüngste Staat Europas findet keinen Frieden. Immer wieder flammt die Gewalt zwischen Albanern und Serben auf.

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Am 6. Oktober trat die kosovarische Fußballmannschaft zu ihrem ersten Heimspiel an. Da das kleine Land kein UE-FA-reifes Stadion besitzt, wurde das WM-Qualifikationsmatch im albanischen Shkodra ausgetragen. Die Kroaten schossen die unerfahrene Mannschaft mit 6:0 vom Platz, doch die Fans beider Länder waren sich einig in ihrem Hass auf Serbien. "Tod den Serben" war in Sprechchören zu hören. Der Kosovo wurde erst im Mai in die UEFA aufgenommen. Serbien betreibt seinen Ausschluss aus dem Europäischen Fußballverband. Acht Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des jüngsten europäischen Staates bestimmen Hass und Misstrauen das Zusammenleben der zu 90 Prozent albanischstämmigen Bevölkerung und der serbischen Minderheit.

Rede von der "Pseudorepublik"

Serbien betrachtet den Staat als "Pseudorepublik", wo unter den Anführern der ehemaligen Separatistenarmee UÇK Drogenhandel, Organhandel und Gewalt blühen. Auf serbischen Landkarten wird das Gebiet als "Provinz Kosovo und Metahija" geführt. Metahija heißt "Land der Kirchen". Die serbisch bewohnten Distrikte im Norden sind in der Tat reich an orthodoxen Klöstern und Kirchen, die von Pilgern aus Serbien gerne zu religiösen Feiertagen aufgesucht werden. Oft werden Busse von nationalistischen Kosovo-Albanern gestoppt und Insassen bedroht.

Argwöhnisch beobachtet Belgrad jede Aktion der kosovarischen Regierung, zuletzt im Oktober die Verstaatlichung der Eisenerzmine Trepc a, die großteils im serbischen Siedlungsgebiet liegt. Einst einer der größten Industriekomplexe Jugoslawiens, war sie nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates in die Krise geschlittert. Die Bergleute hatten sich 1989 mit einem Hungerstreik zur Wehr gesetzt, als der serbische Nationalist Slobodan Milos evic´ die Autonomie des Kosovo aufhob und die Provinz annektierte. Jetzt protestierten die zehn Abgeordneten der Belgrad-hörigen serbischen Liste gegen die Verstaatlichung des Bergwerks wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Serbien erklärte den Akt für null und nichtig.

Zeigt sich die Regierung in Pris tina gegenüber Serbien versöhnlich, dann zögert die Opposition nicht lange, die Straße in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Zuletzt im Jänner, als die Oppositionspartei "Vetevendosje" ("Selbstbestimmung") an die 2000 Menschen mobilisierte, die das Regierungsgebäude mit Steinen attackierten. Reporter beobachteten maskierte Polizisten, die gegen die Demonstranten vorgingen. Die Bilanz der Polizei: Unter den mehr als 80 Verletzten seien auch 56 Polizisten gewesen. Mehr als hundert Demonstranten seien festgenommen worden. Anlass für die Proteste waren Äußerungen des Arbeitsministers Aleksandar Jablanovic´, der albanische Demonstranten als "Wilde" abqualifiziert hatte. Der ethnische Serbe bezog sich auf einen Mob, der eine Gruppe von Serben daran gehindert hatte, zum orthodoxen Weihnachtsfest ein Kloster im Westen des Kosovo zu besuchen. Vor einem Jahr blockierte die Opposition wochenlang das Parlament, das über ein EU-vermitteltes Abkommen für größere Autonomierechte der serbischen Minderheit abstimmen sollte. Unter dem Druck der Opposition musste Präsident Atifete Jahjaga das Gesetz vom Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen. Eine Entscheidung steht noch aus. Die serbische Minderheit wird auf 50.000 Menschen geschätzt. Genaue Zahlen kennt man nicht, da die Volkszählung 2011 von den meisten Serben boykottiert wurde. Eine eigene Volkszählung in den serbisch bewohnten Distrikten, die eigentlich diesen Herbst stattfinden sollte, lehnen die meisten dort ab.

Einem fremden Land treu

Die Spannungen zwischen der Mehrheitsbevölkerung und der serbischen Minderheit werden schon durch den Charakter der Autonomierechte befördert. So wird in den vier serbischen Gemeinden nach dem Lehrplan und mit Lehrmaterial aus Serbien unterrichtet. Das darf zwar nicht der kosovarischen Verfassung widersprechen, doch lernen die Kinder dort Geschichte durch die Zerrbrille Belgrads. Albaner gelten als Minderheit. Als zweite Sprache steht nicht die Landessprache Albanisch auf dem Lehrplan, sondern Russisch. "Eine ganze Generation junger Serben im Kosovo glaubt, dass Kosovo noch immer ein Teil Serbiens ist", klagt die Politologin Besa Shahini, Mitbegründerin des Think Tanks Kosovar Stablity Iniative (IKS) im Kosovo, "sie sprechen kein Wort Albanisch und sind daher außerstande, am wirtschaftlichen und sozialen Leben im Kosovo teilzunehmen".

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