Der letzte Akt im Bundesheer

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Zehn Tage beherrschte das Thema Abfangjäger die Schlagzeilen - für die Politprominenz ein Muss, zur Frage etwas zum Besten zu geben und sei es noch so unpassend.

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Zehn Tage beherrschte das Thema Abfangjäger die Schlagzeilen - für die Politprominenz ein Muss, zur Frage etwas zum Besten zu geben und sei es noch so unpassend.

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Jetzt scheint das Thema medial abgehakt. Zeit eine Bilanz der Debatte zu ziehen. Worum ging es? Nachdem Österreichs Uralt-Flieger, die Draken, beim besten Willen nicht mehr lange weiter gequält werden dürfen, sollen neue Geräte angeschafft werden, eine -zig Milliarden Investition, die seit langem gefordert wird, nun aber verwirklicht werden soll.

So viel Geld für das Heer - das ist man hierzulande nicht gewohnt. Es verstößt gegen ein österreichisches Tabu: Landesverteidigung ja, selbstverständlich! An Nationalfeiertagen und bei Angelobungen hält man sie hoch. Aber kosten darf sie nichts. Dementsprechend rangiert Österreich bei den Verteidigungsausgaben weit abgeschlagen: Mit 0,8 Prozent des Bruttonationalprodukts gelang es im Jahr 2000, sogar Luxemburg vom letzten Platz unter den EU-Ländern zu verdrängen. Verständlich, dass bei dieser Tradition ein zusätzlicher Aufwand von 20 oder 30 Milliarden die Alarmglocken läuten lässt - vor allem in Zeiten, in denen das Nulldefizit zur Staatsmaxime erhoben wird.

Da wird überall gespart, bei den Pensionen, den Schulen, den Beamten - und dann so viel Geld für unsinnige Abfangjäger, heißt es. Für ein paar Flugzeuge, die unseren Luftraum nicht wirklich verteidigen können und in einer Situation, in der wir bald rundum von Nato-Staaten umgeben sind! Woher soll da Gefahr drohen? So ein Unsinn, das Geld beim Fenster hinauszuwerfen, damit ein paar Militärs ein teures Spielzeug in die Hände bekommen!

Peter Pilz formuliert es pointiert: Österreich müsse seinen Luftraum nicht verteidigen können, die Nato respektiere ihn ohnedies. Ja, man dürfe ihn gar nicht verteidigen. Denn, so Pilz: "Im geeinten Europa geht es nicht um Schutz vor einander, sondern um nationale Beiträge zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik." Diese Argumente haben etwas für sich. Man soll sie nicht einfach vom Tisch wischen.

Vor allem: Sie spiegeln die Meinung vieler Österreicher wider. Eine Umfrage zu Jahresbeginn über die wichtigsten Anliegen der Österreicher ergab: Kaum jemand sorgt sich wegen der Landesverteidigung. Nur 19 Prozent traten für eine Aufrüstung des Bundesheeres ein - der letzte Platz unter den zur Auswahl stehenden Anliegen. Da versteht man auch, dass Vizekanzlerin und Finanzminister sich lieber mit Steuerreform, sprich Wahlzuckerln, als mit dem Kauf von Abfangjägern profilieren wollen.

Nur setzen sie damit eine Tradition fort, mit der man brechen sollte: Dass nämlich um tagespolitischer Vorteile willen Grundsatzfragen unbeantwortet bleiben. Genau das ist seit 1955 in der Sicherheitspolitik Österreichs geschehen. Um die Besatzungsmächte loszuwerden, erklärte Österreich seine immer währende Neutralität. Die Schweiz sollte als Vorbild dienen. Nur hatte diese Option keine politischen Konsequenzen. Das nach dem Völkerrecht zum Schutz der Neutralität notwendige Heer nagte von Anfang an am Hungertuch. 1960 schoben wir in Imst alte US-Jeeps übungsweise durch die Gegend, weil es an Benzin mangelte. Und 1979 verwendeten wir alte Handfunkgeräte, die auf kürzeste Entfernung keine Verbindung zustande brachten, und hatten nicht genug Fahrzeuge bei Truppenübungen.

Dafür jagten einander die Heeresreformen. Ihre Stoßrichtung: das Auslangen mit Minibudgets zu finden. Ob der gesetzliche Auftrag des Heeres dabei auch erfüllt wurde, stand nicht zur Debatte. Solange ausländische Beobachter die Moral der Truppe lobten, war man zufrieden. Dass wir uns im Jahr 2001 im Prinzip immer noch nach einem zu Beginn der achtziger Jahre erstellten Landesverteidigungsplan richten, zeigt die mangelnde Ernsthaftigkeit in Sachen Bundesheer.

Zwar wird das Heer seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nun zum dritten Mal reformiert, aber ohne Grundkonzept. Denn noch verhandelt das Parlament über eine neue Sicherheitsdoktrin. Dafür bestätigen Studien dem Heer mangelnde Einsatzbereitschaft. Ungereimtheit über Ungereimtheit, auch was die Neutralität betrifft. Als man die Wähler für ein Ja zur EU gewinnen wollte, wurde landauf-landab beteuert, ein Beitritt zur Union sei mit der Neutralität vereinbar. "Österreich (wird) der EG als neutraler Staat beitreten... An eine Aufgabe der Neutralität wegen des Beitritts ist also nicht zu denken..." (Europa-Info 8-9/93).

Mittlerweile erklären höchste Vertreter des Staates, die Neutralität sei längst obsolet. Aber sich in dieser Frage wirklich zu exponieren, das vermeiden die Nato-Befürworter wohlweislich, hängt doch laut "market"-Umfrage eine satte Mehrheit von 62 Prozent der Österreicher an dieser Neutralität - übrigens immer noch Anlass für den Nationalfeiertag. Alles in allem ein Spiel mit gezinkten Karten in Fragen der Landesverteidigung.

Und das ist ärgerlich, einer Demokratie unwürdig. Daher ist ein Grundkonsens in Fragen der Landesverteidigung überfällig. Hierbei wird man nicht umhin können, bestimmte Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen: Der heutige Stand der EU-Integration ist mit dem Neutralitäts-Status unvereinbar. Eines von beiden ist aufzugeben.

Weiters: Die Integration in ein europäisches Sicherheitssystem ist kaum zum Nulltarif zu haben. Wer, wie Peter Pilz, für die "Aufteilung der sicherheitspolitischen Rollen" plädiert, wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass unsere potenziellen Partner in diesem System durchschnittlich über 230 Kampfflugzeuge, davon 75 Jagdflugzeuge, verfügen. Unser Beitrag wird sich wohl nicht darauf beschränken können, Sanitätstruppen und Gulaschkanonen bereitzustellen.

Sollten wir aber zu dem Schluss kommen (wozu sich übrigens der Wähler äußern müsste), dass Österreich auf die Landesverteidigung in Zukunft verzichten kann, sollte man dies klar aussprechen, die Gendarmerie verstärken - und den jungen Männern ersparen, acht Monate ihres Lebens für eine Alibi-Handlung zu vergeuden. Landesverteidigung nur zu spielen, bei jeder Anschaffung jedoch Feuer zu schreien, ist unehrlich.

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